Autoindustrie vor dem Wandel - 18. Juli 2018

Tanz ums Goldene Kalb

Beim wich­tigs­ten Wirt­schafts­zweig hier­zu­lande tut sich nicht nur die Politik schwer, längst über­fällige Ent­schei­dungen zu treffen und Maß­nahmen für eine bessere Zukunft in die Wege zu leiten.

Mit dem Abgasskandal hat die deutsche Autoindustrie erstmals an Reputation verloren. Des deutschen liebstes Kind ist in Ungnade gefallen. Der Skandal, ja die gesamte Dieselproblematik spaltet die Nation. Die einen sagen, der Dieselbetrug verdiene eine gerechte Strafe, es könne nicht sein, dass die Konzerne Milliarden verdienen und auch deren Manager kassieren, während die geschädigten Autobesitzer – jedenfalls hierzulande – womöglich in die Röhre schauen. Wasser auf die Mühlen der Kritiker war auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Fahrverbote grundsätzlich zulässig sind. Hamburg machte bereits den Anfang, aber ob es in der Fläche dazu kommen wird, bleibt abzuwarten.

Zögerliche Entwicklung

Die Gegner der Fahrverbote argumentieren, die Selbstzünder seien nicht allein Schuld an der Misere in den Innenstädten und die Dieseltechnologie wäre für Gewerbetreibende wohl noch auf lange Sicht alternativlos. Hier ist die Politik gefordert. Doch sie tut sich schwer, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Schließlich handelt es sich bei der Automobilin­dus­trie um den wichtigsten Wirtschaftszweig mit über 800.000 Arbeitsplätzen hierzulande. Die Branche, ihre Zulieferer und auch deren Konsumenten sind essenziell wichtig für die deutsche Volkswirtschaft. Zwar ist allenthalben bekannt, dass die fossilen Brennstoffe endlich sind, aber die Entwicklung moderner Antriebstechniken verläuft weiterhin nur zögerlich. Elektrofahrzeuge jedenfalls konnten sich in der Fläche bisher noch nicht durchsetzen. Die E-Auto-Prämie stößt noch immer auf verhaltenes Interesse und das Geld droht zu verfallen. Die Kritiker dieser Triebkraft verweisen darauf, dass der Strom zumindest teilweise aus Kohlekraftwerken gewonnen werde, was alles andere als umweltfreundlich sei. Gleichwohl haben sich einige Branchenvertreter bewegt. Der VW-Aufsichtsrat beschloss ein großes Investitionsprogramm zur E-Mobilität, während sich Shell, Europas größter Ölkonzern, mittlerweile am Ladenetz gleich mehrerer Autokonzerne beteiligt. Und bei der Deutschen Post verfügen von 49.000 Zustellfahrzeugen mittlerweile bereits 5.000 über einen Elekroantrieb. Womöglich werden E-Autos und Hybridfahrzeuge aber nur Übergangs­lösungen sein auf dem Weg hin zu mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen. Doch auch hier scheiden sich die Geister. Für die ­Befürworter sind Wasserstoffautos die Zukunft der Autoindustrie. Im Gegensatz zu E-Autos fahren die Brennstoffzellenfahrzeuge, wie sie auch genannt werden, völlig emissionsfrei. Ihnen gehöre auf Langstrecken und im Transportsektor die Zukunft, wird argumentiert. Dort sei der Wasserstoff aufgrund der schnellen Betankung dem klassischen Elektroantrieb weit überlegen. Kritiker halten dem entgegen, dass Wasserstoff in der Natur nicht in reiner Form vorkommt. Er müsste teuer aus Wasser und Erdgas hergestellt werden. Zusammen mit der Lagerung und dem Transport käme es zu einem hohen Verbrauch an Energie.

Neue Beratungsfelder für neue Technologien

Wie die Diskussion zeigt, wird der Mythos Auto weiter fortbestehen, auch wenn die gesamte Branche vor einem Umbruch steht. Es ist davon auszugehen, dass die künstliche Intelligenz und Digitalisierung auch im Automobilsektor zu Quantensprüngen führt. Schon heute sind die neueren Modelle fahrende Computer mit einer Fülle an Steuergeräten und mit einer Rechenleistung mehrerer leistungsstarker PCs ausgestattet. Realität sind bereits auch die selbstfahrenden Roboterautos. Sie könnten eine Antwort sein auf die überfüllten Straßen sowie die tägliche Rushhour. Eine Stunde im Stau könnte man bequem nutzen, um während der Fahrt am Laptop zu arbeiten oder wichtige Telefonate zu führen. Dem Verkehrschaos in vielen Innenstädten will die Politik national wie international auch damit begegnen, das Automobil dort wenigstens teilweise zu verbannen. Gemeint sind nicht nur breit angelegte Fußgängerzonen, sondern exklusive Fahrrad-Highways, wie beispielsweise in New York, London oder Kopenhagen. Zur Freude der deutschen Fahrradverbände will der nationale Gesetzgeber auch hierzulande nachziehen und millionenschwere Förderprogramme zur Verfügung stellen. Für Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer bietet eine im Umbruch befindliche Branche infolge der anstehenden Maßnahmen, der diversen Förderprogramme sowie der Entwicklung moderner Technologien eine Vielzahl an teilweise auch neuen Geschäfts- beziehungsweise Beratungsfeldern.

Fotos: gchutka, Katsumi Murouchi, spooh, Westend61, 7io / Getty Images

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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