AIA-Standard - 17. Januar 2018

Steueroasen
austrocknen

Ein automatisches, globales Melde­ver­fahren für Steuer­sachen dient dem Ziel, inter­na­tionale Mög­lich­keiten für Steuer­hinter­ziehung zu beenden.

Seit Jahren wurden die Rufe nach der Einführung wirksamer Instrumentarien zur Bekämpfung grenzüberschreitender Steuerhinterziehung lauter. Um dieser Forderung gerecht zu werden, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nun einen Standard für ein weltweit einheitliches, zwischenstaatliches Meldeverfahren erarbeitet. Der sogenannte automatische Informationsaustausch (AIA) soll einen lückenlosen internationalen Informationsaustausch über Finanzkonten ermöglichen und damit Steueroasen trockenlegen. Mittlerweile haben über 100 Länder rechtsverbindlich zugesagt, den Standard anzuwenden und am Informationsaustausch teil­zunehmen. Dazu zählen neben den Mitgliedern der Europäischen Union, den USA sowie Russland auch vormals bekannte Steueroasen wie die Cayman Islands, Bermudas, British Virgin Islands, Liechtenstein und die Schweiz.

Umsetzung in nationales Recht

Durch Einführung des AIA-Standards wurde das sogenannte Bankgeheimnis faktisch beerdigt.

Die Harmonisierung des Rechts führte in vielen Ländern zu erheblichen Änderungen der bisherigen Rechtslage. Das betrifft vor allem das sogenannte Bankgeheimnis, von dem nicht wenige meinen, dass es durch die Einführung des AIA-Standards faktisch beerdigt wird. In Deutschland ist das Gesetz zur Umsetzung des AIA-Standards und Anwendung des automatischen Informationsaustauschs bereits 2015 verabschiedet worden. In der Schweiz sind die entsprechenden Rechtsgrundlagen am 1. Januar 2017 in Kraft getreten.

Automatisches Verfahren

Der grundsätzliche Ablauf des automatischen Informationsaustauschs gestaltet sich wie folgt: Nach dem AIA-Standard sind Finanzinstitute – vor allem Banken und Versicherungsgesellschaften – künftig verpflichtet, Informationen über diejenigen Kunden zu sammeln, die steuerlich im Ausland ansässig sind. Betroffen sind neben natürlichen auch juristische Personen. Die Informationen umfassen Name, Adresse, Geburtsdatum, Kontonummer, Steueridentifikationsnummer, alle Arten von Kapitalerträgen (Zinsen, Dividenden), Veräußerungserlöse sowie Kontosalden. Das Finanzinstitut hat die gesammelten Informationen einmal jährlich an die Steuerbehörde seines Landes zu melden. Diese meldet die Daten dann automatisch an die Steuerbehörde des Herkunftslands des Kunden, wo sie zu Besteuerungszwecken eingesetzt werden dürfen. Finanzinstitute in der Schweiz sind beispielsweise ab 2017 verpflichtet, entsprechende Daten zu sammeln und zu melden. Der erste Austausch der Daten, unter anderem mit den deutschen Steuerbehörden, wird 2018 stattfinden.

Differenzierte Behandlung

Unterschiede beim zeitlichen Ablauf des Sammel- und Meldeprozesses können sich bei Bestandskonten nach deren Wert ergeben. Konten von geringem Wert im Sinne der Regelung sind solche, deren Saldo zum Ende des Jahrs 2016 unterhalb von einer Million US-Dollar beziehungsweise Schweizer Franken lag. Diese Konten müssen binnen zwei Jahren, aktuell also bis spätestens Ende 2018 identifiziert und der Eidgenössischen Steuerverwaltung bis Mitte des Folgejahrs gemeldet werden, bevor sie von dort an die Steuerbehörde des Partnerstaats weitergeleitet werden. Konten von hohem Wert, also solche mit einem Saldo von mehr als einer Million US-Dollar beziehungsweise Schweizer Franken, müssen binnen eines Jahrs, aktuell also bis Ende 2017, identifiziert worden sein. Die Meldung an die Eidgenössische Steuerverwaltung und anschließende Weitergabe an die Behörden des Herkunftsstaats dürfte also früher oder später im Jahr 2018 erfolgen. Der Kontoinhaber ist von alledem durch sein Finanzinstitut spätestens zu informieren, wenn der Datenaustausch vollzogen wird.

Straffreiheit durch Selbstanzeige?

Die Situation mahnt zur Eile, soweit man selbst noch etwas gestalten will. Für Anleger, die über nicht deklarierte Konten im Ausland verfügen, stellt sich vor allem die Frage, welche Konsequenzen sie zu erwarten haben. Im Raum stehen drastische Folgen, sollte sich eine Verkürzung der Steuer in nicht verjährter Zeit ergeben. So wird eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abgabenordnung (AO) natürlich strafrechtlich geahndet. Daneben hat die Hinterziehung aber auch handfeste steuerliche Konsequenzen. Neben einer Nachzahlung fallen Hinterziehungszinsen (sechs Prozent pro Jahr) und – im Falle einer wirksamen Selbstanzeige – zusätzliche Strafzuschläge in Höhe von zehn, fünfzehn oder zwanzig Prozent an. Letzteres macht aus der Selbstanzeige zuweilen ein kostspieliges Unterfangen. Berater sind nun besonders gefordert. Neben der notwendigen Aufarbeitung des zumeist komplizierten Sachverhalts gilt es, diesen rechtlich zu bewerten und schließlich im Interesse des Mandanten Lösungen zu erarbeiten.

Fazit

Die Einführung des AIA-Standards hat für Inhaber von nicht deklariertem ausländischem Vermögen erhebliche Konsequenzen. Für all jene stellt sich die Frage, ob eine Selbstanzeige sinnvoll ist. Die Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Vielmehr muss im Einzelfall äußerst gewissenhaft geprüft werden, wie die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen beschaffen sind. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe des DATEV magazins.

Zu den Autoren

GA
Gülperi Atalay-Akgün

Rechtsanwältin und Steuerberaterin in der Vierhaus Steuerberatungsgesellschaft mbH in Berlin.

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JW
Jan Weigel

Steuerberater in der Vierhaus Steuerberatungsgesellschaft mbH in Berlin

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