Urheberrecht und Schutzrechte - 23. Februar 2017

Jetzt handeln

Obwohl der Brexit bislang noch nicht formal erklärt wurde, besteht bereits jetzt Hand­lungs­bedarf, um drohende Nachteile für deutsche Unternehmen zu vermeiden. Betroffen sind davon alle Betriebe, die nicht nur auf dem deutschen Markt tätig sind.

Zweck des Brexits ist die Rückerlangung der vollständigen Souveränität Großbritanniens. Bis zum Wirksamwerden des Brexits gelten Gemeinschaftsverordnungen, wie die Unions­mar­ken­ver­ord­nung oder die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, unmittelbar und verbindlich im Mitgliedstaat. Das Verhandlungsergebnis über die Modalitäten des Ausscheidens ist offen. Denkbares Ergebnis ist die Fortgeltung des Gemeinschaftsrechts und damit auch der ge­werb­lichen Schutzrechte auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts. Ergebnis kann aber auch sein, dass die Schutzrechte auf neuer, anderer Rechtsgrundlage für das Gebiet Großbritanniens fortgelten oder dass Großbritannien neue Schutzrechte unter Fortgeltung der Seniorität der europäischen Schutzrechte einführt. Am wahrscheinlichsten erscheint indes eine territoriale Einschränkung der Schutzrechte, die auf der Grundlage von Verordnungen der Gemeinschaft erlangt wurden. Letzteres Szenario erscheint deshalb am wahrscheinlichsten, weil nur so Großbritannien die durch den Brexit gewünschte vollständige Souveränität zurück­erlangt. Aus Gründen der Sicherheit sollte dieses Szenario bei allen Überle­gungen zugrunde gelegt werden, bis Rechtssicherheit für ein anderes Szenario besteht.

Auswirkungen auf die Lizenzverträge

Bei bestehenden Lizenzverträgen könnte eine Anpassung er­forderlich werden. Ist in dem Lizenz­vertrag als Territorium die Europäische Union vereinbart worden, dann könnte eine Schutzlücke für Großbritannien entstehen mit der Folge, dass der Lizenznehmer möglicherweise nicht mehr über das erforderliche Lizenzrecht im Gebiet Großbritanniens verfügen kann. In diesem Fall müsste ergänzend vereinbart werden, dass der Lizenzgeber dafür Sorge tragen muss, dass ein vergleichbares gewerbliches Schutzrecht dem Lizenznehmer zur Verfügung steht oder dass der Lizenznehmer auf Kosten des Lizenzgebers ein solches Schutzrecht selbst anmeldet und erwirbt. Fällt bei bestehenden Lizenzverträgen das Territorium Großbritanniens ersatzlos weg, so stellt sich die Frage, ob eine Anpassung der Lizenzvergütung unter dem Gesichtspunkt der Änderung der Geschäftsgrundlage verhandelt beziehungsweise durchgesetzt werden kann. In neu ab­zu­schlie­ßen­den Lizenzverträgen ist hinsichtlich des Territoriums von Anfang an sicherzustellen, dass ein Wegfall des Schutzrechts in Großbritannien zu einer entsprechenden Vertragsanpassung führt. Demgemäß ist gleichzeitig eine alternative Behandlungsweise hinsichtlich der Lizenz­ver­gü­tung zu verhandeln und zu vereinbaren.

Warenverkehr mit Großbritannien

Der Grundsatz des freien Warenverkehrs führt zu der sogenannten europäischen Erschöpfung. Das bedeutet, dass ein Produkt, das bei der Nutzung eines gewerblichen Schutzrechts oder des Urheberrechts hergestellt wurde, im gesamten Raum der europäischen Gemeinschaft frei weiter verkauft werden kann, wenn es einmal mit Zustimmung des Schutzrechtsinhabers in einem Land der europäischen Gemeinschaft in den Verkehr gesetzt wurde. Wenn Großbritannien nicht mehr Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist, fallen die Voraussetzungen für die Erschöpfung eines Schutzrechts weg, wenn der Gegenstand in Großbritannien in den Verkehr gesetzt wurde, und umgekehrt kann aus der Restgemeinschaft nicht nach Großbritannien geliefert werden, weil es dort noch der gesonderten Zustimmung des dortigen Schutzrechtsinhabers bedarf. Im Export- und Importgeschäft sollten entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, insbesondere müssten die betroffenen Händler die ausdrückliche Zustimmung zum Vertrieb in Großbritannien beziehungsweise der Europäischen Union einholen.

Design- und Markenrecht

Für die Anmeldung neuer Designs ist jedenfalls auch die nationale Anmeldung in Großbritannien zu empfehlen.

Für das Design- und Markenrecht existieren neben den nationalen Marken- und Designrechten (früher Geschmacksmusterrechten) die Unionsmarke sowie das europäische Gemeinschaftsgeschmacksmuster als eingetragenes und nicht eingetragenes Geschmacks­muster, und daneben das Madrider Markensystem (IR-Marke). Von diesen Schutzrechten sind die Unionsmarke einerseits und das europäische Geschmacksmuster andererseits betroffen. Unternehmen, in deren Geschäfts­tätigkeit eines dieser Rechte eine Rolle spielt, sollten bereits jetzt sicherstellen, dass sie über ein geeignetes Schutzrecht beim Wirksamwerden des Brexits verfügen. Soweit die Bezeichnungen von Waren und Dienstleistungen durch nationale Marken oder Geschmacksmuster geschützt sind und die Aktivitäten nicht die Landesgrenzen überspringen, bedarf es keiner weiteren Überlegungen.
Anderes gilt für internationale Aktivitäten. Sind die Unternehmen selbst Inhaber der Rechte oder steht eine Neuanmeldung an, können sie eine nationale Marke in Großbritannien anmelden oder auf der Basis der Unionsmarke beziehungsweise der nationalen Marke eine IR-Marke in Groß­bri­tannien anmelden. Soweit sie Lizenznehmer solcher Marken sind, sollten sie den Lizenzgeber zur entsprechenden Anmeldung und Lizenzeinräumung auffordern. Wer hingegen auf die Rechte aus einem europäischen Geschmacksmuster angewiesen ist, steht nach derzeitiger Rechtslage ohne gewerbliches Schutzrecht da, wenn es zu einer territorialen Begrenzung kommt, da Groß­bri­tan­nien kein Mitglied des Haager Geschmacksmusterabkommens ist. Eine nachträgliche Anmeldung eines nationalen Geschmacksmusters in Großbritannien scheitert regelmäßig an der Voraus­set­zung der Neuheit der Gestaltung im Hinblick auf das bereits existierende andere Ge­schmacks­muster. Für die Anmeldung neuer Designs und Geschmacksmuster ist jedenfalls die nationale Anmeldung in Großbritannien zu empfehlen, um eine Schutzlücke des Ge­mein­schafts­ge­schmacks­­musters zu vermeiden.

Patente und Gebrauchsmuster

Da die Europäische Patentorganisation unabhängig von der EU arbeitet, ergeben sich daraus keine Konsequenzen für den Patentinhaber und/oder Patentlizenznehmer. Einschränkungen sind allerdings dann denkbar, wenn das europäische Einheitspatent nach der Ratifizierung der Vereinbarung über das Europäische Patentgericht in Kraft tritt. Im Hinblick auf die mögliche territoriale Begrenzung nach dem Wirksamwerden des Brexits müsste dann bei Patent­an­mel­dun­gen geprüft werden, ob neben dem europäischen Einheitspatent auch ein nationales Patent in Großbritannien angemeldet wird.

Urheberrecht

Da das Urheberrecht ohne Weiteres mit dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen als jeweiliges nationales Recht entsteht und die gegenseitige internationale Anerkennung durch multilaterale Verträge, wie insbesondere die revidierte Berner Übereinkunft, geregelt ist, ergibt sich kein Handlungsbedarf. Gleiches gilt für die Leistungsschutzrechte.

Sprache

Englisch ist eine der drei großen EU-Arbeitssprachen und wohl auch die dominanteste. Da Englisch als Amtssprache in Irland und Malta gilt, wird es wohl als Arbeitssprache nicht entfallen.

Zum Autor

Prof. Dr. Peter Lutz

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Partner bei SNP | Schlawien Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer in München. Er berät und vertritt vorwiegend Mandanten im Marken- und Wettbewerbsrecht sowie Urheber- und Designrecht.

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