Ersetzendes Scannen - 29. Januar 2015

Erkennen Sie den Unterschied?

Können Papierbelege nicht mehr vorgelegt werden, weil sie nach dem Scannen vernichtet wurden, stellt sich die Frage, ob die gescannten Dokumente von der Finanzverwaltung und den Gerichten anerkannt werden. Durch den Einsatz struk­turierter Scanverfahren kann ein mit dem Papieroriginal vergleichbarer Beweiswert erreicht werden.

Nach den Ergebnissen des von der Bundesregierung initiierten Projekts „Elektronische Ar­chi­vie­rung von Unternehmensdokumenten stärken“ war die Mehrzahl der im Rahmen des Projekts ­befragten Unternehmen grundsätzlich bereit, insbesondere wegen der damit verbundenen Vorteile (Zeitersparnis beim Recherchieren und Vernichten nach Ablauf der Auf­be­wah­rungs­fris­ten, Raum- und Papierkostenersparnis, jederzeitiger und ortsunabhängiger Zugriff auf das Archiv), zukünftig steuerliche Unterlagen ausschließlich elektronisch aufzubewahren. Gleichwohl verzichten bislang kleine und mittelständische Betriebe ganz überwiegend auf den Einsatz von Scanverfahren zur digitalen Archivierung ihrer Re­ch­nungs­be­le­ge. Einer der Hauptgründe ist neben dem nicht unerheblichen Aufwand für die Einführung und Umsetzung einer elektronischen Archivierung die Unsicherheit, ob das gescannte Dokument von der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten als ein mit dem Originalbeleg vergleichbares Beweismittel anerkannt werden würde.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grundlagen für eine elektronische Aufbewahrung von handels- und steuer­rechtlich relevanten Unterlagen hat der Gesetzgeber bereits vor geraumer Zeit geschaffen. So ermöglicht § 257 Abs. 3 Handelsgesetzbuch (HGB) die Speicherung unter anderem von Buchungsbelegen auf Datenträgern. Korrespondierend hierzu sehen auch §§ 146 Abs. 5, 147 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) die Möglichkeit der elektronischen Speicherung unter anderem von Buchungsbelegen vor. Voraussetzung ist, dass bei der Anfertigung und Speicherung die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beachtet werden, die die Finanzverwaltung durch die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) genauer spezifiziert hat. Zusätzlich weist die Finanzverwaltung in Abschnitt 22.1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ausdrücklich darauf hin, dass die Originale der Geschäftsunterlagen vernichtet werden dürfen, soweit die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung erfüllt sind. Die Form der elektronischen Aufbewahrung bedarf danach keiner besonderen Genehmigung durch die Finanzverwaltung. Aufgrund der eindeutigen Rechtslage und unter Berücksichtigung der damit harmonisierenden Verwaltungsanweisung ist davon auszugehen, dass eine Buchführung, bei der unter ­Beachtung der GoBD Papierbelege ersetzend gescannt wurden, im Rahmen einer Betriebsprüfung und auch von den Finanzgerichten als ordnungsmäßig anerkannt wird.

Das Digitalisat als Beweismittel

Nicht alle steuer­lichen Unter­lagen dürfen gescannt und vernichtet werden.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich allerdings nicht, ob das einzelne Scanprodukt (Digitalisat) von den Finanzgerichten als Beweismittel zum Nachweis von Betriebsausgaben oder der Berechtigung zum Vor­steuerabzug anerkannt wird. Für Digitalisate im vorgenannten Sinne gibt es keine speziellen Beweisvorschriften. Im finanzgerichtlichen Verfahren wird daher die Beweiskraft des Digitalisats nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung bestimmt. Konkret bedeutet das, dass der zur Entscheidung berufene Richter nach An­halts­pun­kten suchen wird, die für oder gegen die Übereinstimmung des Digitalisats mit dem Originalbeleg sprechen. Solche Anhaltspunkte können sich aus dem Digitalisat selbst, dem Vorgang des ersetzenden Scannens und weiteren äußeren Umständen ergeben. Welche Anhaltspunkte ­dabei zum Nachteil des Steuerpflichtigen herangezogen werden könnten, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Allerdings wird man die Vernichtung des Originalbelegs als solche dem Steuerpflichtigen nach dem Rechtsgedanken des Beweisverderbers (§ 444 Zivilprozessordnung [ZPO]) nicht zu seinem Nachteil auslegen, weil die elektronische Archivierung und anschließende Vernichtung des Papierbelegs wie oben dargestellt steuerrechtlich zulässig ist. Regelmäßig wird aber ein Manipulationsverdacht oder ein erkennbares Manipulationsinteresse eine intensivere gerichtliche Prüfung des Digitalisats bewirken. So könnte beispielsweise die Tatsache, dass das Digitalisat erkennbar nachträglich bearbeitet wurde, das Miss­trauen des Richters wecken. Auch Unterschiede bei Rechnungen desselben Rechnungsausstellers können im Rahmen der freien Beweiswürdigung zulasten des Steuerpflichtigen herangezogen werden.

Musterverfahrensdokumentation

Im Regelfall lassen sich bei Rechnungsbelegen die genannten Zweifel durch Vorlage eines Zahlungsnachweises oder die Anforderung einer Bestätigung des Rechnungsausstellers beseitigen. Ist dies nicht möglich, etwa weil die Rechnung in bar beglichen wurde und der Rechnungsaussteller nicht mehr greifbar ist, so kann ein sogenannter strukturierter Scanprozess wertvolle Anhaltspunkte für den Richter liefern. Hat der Steuerpflichtige den Scanprozess beispielsweise nach der von der Bundessteuerberaterkammer und dem Deutschen Steu­er­be­ra­ter­ver­band erarbeiteten Musterverfahrensdokumentation zur ­Digitalisierung und elektronischen Aufbewahrung von Belegen organisiert und das Verfahren sowie die erforderlichen stichprobenartigen Kontrollen des Digitalisierungs- und Archivierungsprozesses dokumentiert, so lassen sich daraus Anhaltspunkte für die Übereinstimmung des Digitalisats mit dem Original ableiten. Die Musterverfahrensdokumentation sieht beispielsweise eine Echtheitsprüfung des zu scannenden Belegs vor und schreibt zudem die Sicherung der digitalen Kopie mittels Zeitstempel vor. Diese organisatorischen und technischen Maßnahmen könnten in den beschriebenen Fallbeispielen ­geeignet sein, die Beweiskraft der digitalen Kopie zu sichern. Die Mus­ter­ver­fah­rens­do­ku­men­ta­ti­on steht im Einklang mit Sinn und Zweck der vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) herausgegebenen Technischen Richtlinie „Ersetzendes Scannen“ (TR RESISCAN). Die von DATEV und der Universität Kassel ­gemeinsam durchgeführte Simulationsstudie hat gezeigt, dass Finanzgerichte gescannten Belegen unter Beachtung der relevanten Ordnungsmäßigkeitsanforderungen grundsätzlich denselben Stellenwert einräumen wie dem papierhaften Original.

Abgrenzungen und Einschränkungen

Mit einem strukturierten Scanprozess kann man nicht allen Risiken begegnen und auch nicht alle Probleme lösen. So ist darauf hinzuweisen, dass Mängel, die dem Originalbeleg anhaften, auf das Scanprodukt übertragen werden. Ist also der Originalbeleg unlesbar, so wird das Digitalisat ebenfalls nicht lesbar sein. Der Beweisverlust resultiert hier nicht aus der Vernichtung des Originalbelegs, sondern aus der mangelnden Eignung des Originals als Beweismittel. Bei einer elektronischen Archivierung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nicht alle steuerlichen Unterlagen gescannt und anschließend vernichtet werden können. Schreibt das Gesetz oder eine Rechtsverordnung die Vorlage des Originalbelegs vor, so kann das Original selbst bei Beachtung der TR RESISCAN nicht durch eine digitale Kopie ersetzt werden. Rechtliche Unsicherheiten bestehen gegenwärtig noch in den Bereichen, in denen zwar die Vorlage der Originalbelege nicht eindeutig geregelt ist, die Anforderung solcher Belege jedoch den üblichen Gepflogenheiten der Finanzverwaltung im Rahmen einer Veranlagung entspricht (zum Beispiel Spen­den­be­schei­ni­gung). Sind beim ersetzenden Scannen Fehler unterlaufen, weil etwa die Rückseite des Bewirtungsbeleges mit der Angabe des Bewirtungsanlasses und der bewirteten Personen nicht gescannt wurde, wird der Einwand des Steuerpflichtigen, dass der Scanprozess unter Beachtung der Muster-verfahrensdokumenta­tion organisiert und ausgestaltet wurde, den beim Anfertigen des Scanprodukts erlittenen Beweisverlust nicht kompensieren können.

Zusammenfassung

Steuerlichen Unterlagen, die unter BeacZusammenfassunghtung eines an den GoBD und der TR RESISCAN ausgerichteten Scanverfahrens ersetzend gescannt wurden, kommt ein mit dem Original vergleichbarer Beweiswert zu. Die von den Rechtsanwendern empfundene rechtliche Unsicherheit beruht in erster Linie auf mangelnden Erfahrungswerten. Zusätzliche Risiken, die durch den Scanprozess entstehen könnten (Unvollständigkeit oder Unlesbarkeit des Scan­pro­dukts), lassen sich durch entsprechende organisatorische Maßnahmen (Sichtprüfung) weitgehend ausschließen.

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Zum Autor

US
Ulrich Schwenkert

Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg

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