Steuererklärung - 23. Juni 2017

Digital und
automatisiert

Über die nächsten Jahre wird das Be­steue­rungs­verfahren grund­legend mo­der­ni­siert.

Das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsver­fahrens hat nicht nur zu umfangreichen Änderungen der Abgabenordnung geführt, sondern ebnet auch den Weg für die elektronische Zusammenarbeit zwischen Beraterschaft und Finanzverwaltung. Im Zusammenwirken mit den angekündigten elektronischen und organisatorischen Maßnahmen soll das Besteuerungsverfahren über die nächsten Jahre grundlegend modernisiert werden.

Vorbereitung der Steuererklärungen

Die Harmonisierung und verstärkte Nutzung der von Dritten an das Finanzamt übermittelten Daten (Spenden- und Lohnsteuerbescheinigungen, Renten­be­zugs­mit­tei­lungen, Feststellung über den Grad der Behinderung) gehören zu den tragenden Säulen des Steuer­mo­derni­sie­rungs­ge­setzes. Daher gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, nach § 150 Abs. 7 Abgabenordnung (AO) als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit er nicht explizit davon abweichende Angaben macht. Die Neuregelung ermöglicht es, dass der Steuerpflichtige auf eine eigenständige Deklaration dieser Daten verzichten kann.
Die Datenübermittlungen Dritter qualifizieren sich dadurch aber nicht als bindende Grund­lagen­bescheide im Rahmen der Veranlagung. Vielmehr muss der Steuerpflichtige zusammen mit seinem Berater entscheiden, ob er auf die Datenübermittlung der mit­tei­lungs­pflich­tigen Stelle vertraut oder eigene Angaben in der Steuererklärung macht.
Soweit das Finanzamt sich dennoch entscheidet, von den Angaben des Steuer­pflich­ti­gen abzuweichen, ist es wie bisher nach §§ 91 Abs. 1 und 121 AO verpflichtet, den Steuerpflichtigen anzuhören beziehungsweise im Steuerbescheid auf die Abweichung hinzuweisen.

Die elektronische Übermittlung von Steuererklärungen

Der Berater hat seinem Mandanten die übermittelten (beziehungsweise die zu übermittelnden) Steuererklärungen und sonstigen Daten in leicht nachprüfbarer Form zwecks Zustimmung zur Verfügung zu stellen. Der Mandant ist seinerseits nach § 87d Abs. 3 AO verpflichtet, die zur Verfügung gestellten Daten unverzüglich auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Anders als noch der Regierungsentwurf lässt die Regelung offen, ob der Berater die elektronischen Daten seinem Mandanten vor oder nach der Übermittlung zwecks Überprüfung zur Verfügung stellen muss. Gleichwohl kann sich die Verpflichtung des Mandanten zur unverzüglichen Prüfung ausschließlich auf bereits übermittelte Daten beziehen. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken beziehungsweise aus berufsrechtlichen Gründen (zum Beispiel bei Jahressteuererklärungen) ist es allerdings empfehlenswert, darüber hinaus auch weiterhin die Zustimmung des Mandanten im Vorhinein einzuholen.

Verarbeitung der Steuererklärung

Eine zentrale Maßnahme der Gesetzesänderungen ist die gesetzlich verankerte Möglichkeit zum Einsatz von Risikomanagementsystemen.

Eine zentrale Maßnahme der Gesetzes­än­de­rungen ist die gesetzlich verankerte Möglichkeit zur Bearbeitung von Steuererklärungen durch den Einsatz von Risikomanagementsystemen nach § 88 Abs. 5 AO in Verbindung mit § 155 Abs. 4 AO. Durch den vollständig automatisierten Erlass von Steuerbescheiden hofft die Finanzverwaltung auf eine deutliche Einsparung ihrer personellen Ressourcen im Rahmen der Veranlagung. Die Praxis erwartet dadurch gleichzeitig deutlich weniger fehlerhafte Steuerbescheide.

Insofern der Steuerberater Erläuterungen zu den Steuererklärungen im sogenannten qualifizierten Freitextfeld vorgenommen hat, führt dies nach § 155 Abs. 4 Satz 3 AO zwingend zur personellen Prüfung durch einen Amtsträger. Das Freitextfeld steht bereits heute zum Beispiel im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen zur Verfügung und soll ­sowohl für weiter gehende Angaben zur Steuererklärung als auch für Prüfbitten und zur Darlegung einer von der Finanzverwaltung abweichenden Rechtsauffassung genutzt werden.

Der Empfang von elektronischen Steuerbescheiden

Nach § 122a Abs. 1 AO können Steuerbescheide elektronisch bekannt gegeben werden, indem sie zum Beispiel über das ELSTER-Portal der Finanzverwaltung zum Datenabruf durch Daten­fern­über­tragung bereitgestellt werden. Die elektronische Bekanntgabe durch Datenabruf ist dabei nicht auf Steuerbescheide beschränkt, sondern gilt auch für Prüfungsanordnungen nach § 196 AO und Einspruchsentscheidungen im Sinne des § 366 AO.

Nach erfolgreicher Authentifizierung wird der zum Datenabruf berechtigte Steuerberater per E-Mail über die Bereitstellung des Steuerbescheids benachrichtigt. Der auf diese Weise zum Abruf bereitgestellte Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der E-Mail über die Bereit­stellung der Daten als bekannt gegeben.
Insofern stellt sich für den Berufsstand die Herausforderung, den Datenabruf auch organisatorisch in die kanzleiinternen Prozesse einzubinden. Insbesondere muss jede Kanzlei sicherstellen, dass elektronisch bekannt gegebene Steuerbescheide zeitnah und vollständig im Fristenkontrollbuch erfasst werden. Für die Teilnahme am Daten­ab­ruf­ver­fahren ist es daher empfehlenswert, elek­tro­nische Posteingangskörbe für den Empfang und die Verteilung der Benachrichtigungs-E-Mails zu schaffen. Darüber hinaus bietet sich eine Verknüpfung des (elektronischen) Fristenkontrollbuchs mit dem elektronischen Posteingangskorb an.

Im Zweifel über den Zugang der Benachrichtigung muss ­jedoch die Finanzbehörde den Zugang nachweisen. Kann die Finanzbehörde den (bestrittenen) Zugang nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem der Datenabruf tatsächlich durch­ge­führt wurde. Gleiches gilt nach § 122a Abs. 4 Satz 4 AO auch, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung ­erhalten zu haben.

Änderung der Steuerbescheide

Vor dem Hintergrund der verfahrensrechtlichen Änderungen sind auch neue Vorschriften zur Änderung der Steuerbescheide in die Abgabenordnung aufgenommen worden. Insbesondere sind Steuerbescheide demnach zu ändern, soweit die ­Finanzbehörden die von Dritten vorab über­mit­tel­ten Daten nicht oder fehlerhaft verarbeitet haben (§ 175b Abs. 1 AO).
Darüber hinaus sind Steuerbescheide aufzuheben beziehungsweise zu ändern, soweit die von Dritten an die Finanzverwaltung übermittelten Daten zuungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind. Die neue Änderungsmöglichkeit nach § 175b Abs. 2 AO vermeidet insofern Rechtsnachteile des Steuerpflichtigen durch die Vorabübermittlung von ­Daten Dritter, aber enthält keine Möglich­keit zur Schlechterstellung des Steuer­pflich­ti­gen.

Ausblick

In Zukunft soll insbesondere der Schriftverkehr mehr und mehr auf elektronische Kommunikation umgestellt und die Servicequalität von ELSTER deutlich verbessert werden. ­Neben der Bekannt­gabe von Einspruchsentscheidungen und Außen­prü­fungs­an­ord­nun­gen durch die Finanz­ver­wal­tung soll auch die Übermittlung der nach § 60 Abs. 2 EStDV einzureichenden Unterlagen und sonstiger erforderlicher Daten möglich sein. Obwohl die gesetzlichen Regelungen teilweise zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten sind, wird die ­ge­wünschte Modernisierung des Be­steue­rungs­ver­fahrens im Wesentlichen von der technischen Umsetzung bis zum Jahr 2022 abhängen.

MEHR DAZU

Im kostenfreien Kanzleientwicklungsdialog finden Sie auch Ausführungen zur Modernisierung des Be­steue­rungs­verfahrens sowie Lösungsansätze rund um die elektronische Steuererklärung: www.datev.de/kanzleientwicklung

Kompaktwissen für Berater

Das Korrekturrecht nach der Abgabenordnung, 2. Auflage, Art.-Nr. 36741

Zum Autor

AV
Alexander Vetten

Senior Manager, Steuerberater, Diplom-Kaufmann, Global Compliance & Reporting Tax bei Ernst & Young GmbH ­Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

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