Stabilität - 23. Mai 2018

Die innere Verfassung

Als der Par­la­men­ta­rische Rat der Bundes­re­publik Deutsch­land 1949 die deutsche Ver­fas­sung ver­ab­schie­dete, be­sie­gelte Konrad Adenauer mit seiner Unter­schrift in Bonn die Zukunft des Landes und damit ein ge­mein­sames Fun­da­ment aus Werten, Schutz und Grund­ord­nung. 17 Jahre später unter­zeich­nete DATEV-Gründer Dr. Heinz Sebiger ge­mein­sam mit sechs Mit­strei­tern die erste Sat­zung unserer heutigen Ge­nos­sen­schaft und be­grün­dete eben­falls eine Erfolgs­ge­schichte, die bis heute anhält.

Nichts ist beständiger als der Wandel. Deswegen müssen Gesetze von Zeit zu Zeit an gesellschaftliche und digitale Veränderungen angepasst werden. Im Schnitt wird das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland einmal jährlich modifiziert. Möglich ist das, weil es trotz erforderlicher Zustimmungsgesetze und Zwei­drittel­mehr­heit offen für Änderungen ist. Ein schwieriger Spagat, denn einerseits setzt die relevante Verfassung dem politischen Prozess wirksame Leitlinien und Grenzen. Andererseits stellt es bei wichtigen Än­de­rungs­be­dürf­nissen keine unüberwindbare Hürde dar.
Die Satzung einer Genossenschaft ist eine Art innere Verfassung. Sie ergänzt die gesetzlichen Bestimmungen und gibt Ausrichtung, Ziel, Kompetenzen und Struktur der Rechtsform vor. Auch eine Genossenschaft kann sich dem kontinuierlichen gesellschaftlichen, politischen und auch digitalen Wandel nicht entziehen und muss daher die Satzung von Zeit zu Zeit anpassen.
Seit jeher liegt die Stärke einer Genossenschaft darin, gemeinsam auf Anforderungen reagieren zu können, wie es der Einzelne nicht vermag.

Auch in Zukunft offen bleiben

Als Genossenschaft sind wir gemeinsam stark. Diese Stärke wollen wir für das Steuerbürger-Szenario mit der zugehörigen Plattformstrategie als Chance für den Berufsstand nutzen. Wir möchten auch hierbei mit unseren Mitgliedern die Zukunft gemeinsam gestalten, die digitale Transformation mitbestimmen und selbst Portale bauen, von denen Steuerberater profitieren, bevor uns berufsfremde Anbieter zuvorkommen, die sicher nicht an der ­Förderung des Berufsstands interessiert sind. Der genossenschaftliche Förderzweck bildet den Rahmen des Handelns und verpflichtet den Vorstand, zum Nutzen der Mitglieder zu handeln, um Gefahren für den Berufs­stand abzuwehren und neue Chancen für deren geschäftlichen Erfolg zu ergreifen.
Eine zentrale genossenschaftliche Plattform aufzubauen und über Suchmaschinen gut auffindbar zu machen, die Privatpersonen bei der Erledigung ihrer einfachen Steuerfälle unterstützt, die also den DATEV-Mitgliedern potenzielle Mandanten zuführt, ist mit unserer bestehenden Satzung nicht möglich.
Im Vertrauen auf die Weisheit der Vielen haben wir eine Satzungskommission, die sich aus Mitgliedern aller DATEV-Gremien zusammensetzt, darum gebeten, einen Änderungsvorschlag zu erarbeiten, der die Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Genossenschaft mit sonstigen Nichtmitgliedern vorsah. Diesen Vorschlag hat der DATEV-Vorstand zur Abstimmung gebracht; die erforderliche Dreiviertelmehrheit wurde dabei denkbar knapp verfehlt. Die meisten Mitglieder aber begrüßen unsere Initiative und möchten diesen Weg gemeinsam mit uns gehen, das haben wir im Februar erkannt.

Gemeinsam stark in puncto Plattformökonomie

Am 29. Juni 2018 entscheiden die gewählten Vertreter erneut über diese weg­wei­sende Weichenstellung für über 40.000 Mitglieder. An der Antragstellung erkennen Sie, dass wir fest davon überzeugt sind, dass diese Sat­zungs­än­de­rung wichtig und richtig ist, um gemeinsam den Weg in Richtung digitale Zukunft zu gehen. Im Vergleich zum Antrag im Februar wurde der Vorschlag zur Satzungsänderung noch mal geschärft und unter anderem der Förderzweck der Genossenschaft stärker und klarer als im ersten Entwurf hervorgehoben.
Was diese Zukunft unter anderem bringt, ist die sogenannte Plattformökonomie. Da jedoch keine Kanzlei allein solche Portale bezahlen oder betreiben kann, ist der Ansatz, der zur Gründung der DATEV geführt hat, nämlich einem breiten Kreis von Berufskollegen eine Technik zur Verfügung zu stellen, aktueller denn je. Die DATEV-Datendrehscheibe und entsprechende Anwendungen fungieren hier als Werkzeug für die Kanzleien. Die An­pas­sung der Satzung ermöglicht es uns, diese Werkzeuge bereitzustellen.

Bewährtes Erfolgsmodell – neue Mandanten

„Nur, wenn es den Mitgliedern gut geht, geht es auch der DATEV gut.“
Dr. Heinz Sebiger

DATEV bleibt beim gemeinsamen Erfolgs­modell der vergangenen 52 Jahre: der Entwicklung von hoch­wer­tigen Werk­zeugen für Steuer­be­rater, damit sich unsere Mitglieder auf ihr Kern­geschäft konzentrieren können – die persönliche Beratung in einer Qualität, die es aus­schließ­lich beim Steuerberater gibt.
Künftig möchte DATEV für die Ge­nos­sen­schafts­kanzleien möglichst viele von den jährlich neu dazukommenden 750.000 Ein­kom­men­steuer­pflich­ti­gen gewinnen und die 13 Millionen nicht beratenen einem steuerlichen Experten zuführen. Daher empfiehlt die Sat­zungs­kom­mis­sion eine Erweiterung des Tätigkeitsfelds der DATEV – aber mit klaren Leitplanken!
Als notwendiges Korrektiv zu dieser weitgehenden Öffnung des Handlungsrahmens wurden neue Maßnahmen ausgearbeitet: erweiterte Informations- und Zu­stim­mungs­rechte des Aufsichtsrats sowie eine freiwillige Selbst­ver­pflichtung des Vorstands, durch die der allgemeine Satzungsauftrag – die Förderung der Mitglieder durch ihre Genossenschaft – konkretisiert und geschärft wird. Mit der freiwilligen Selbst­ver­pflichtung des Vorstands geben wir Ihnen darüber hinaus unser Versprechen, dass es keinen funktionalen Vorsprung im Nicht­mit­glieder­ge­schäft gegenüber dem Mit­glie­der­geschäft geben wird.
Die Diskussion mit den Vertretern hat gezeigt, dass der berechtigte Wunsch besteht, die beratende Rolle des Vertreterrats im Zusammenhang mit neuen Produkt- und Dienstleistungsangeboten zu verstärken. Diesem Wunsch wurde durch ein zu­sätz­liches Erörterungsrecht des Vertreterrats entsprochen.

Keine Verschiebungen im Kerngeschäft

Einen Großteil der Aufwendungen, die für das Steuerbürger-Szenario notwendig sind – wie zum Beispiel ein vereinfachter Online-Registrierungsprozess, das Hochladen von steuerrelevanten Belegen und die Verknüpfung mit den Steuerformularen –, entwickeln wir ohnehin gerade für unsere Mitglieder und deren Mandanten. Beispielsweise starten wir mit der Entwicklung online-fähiger Steuerprogramme nun früher als geplant. Durch eine konsequente Verfolgung unserer Partnerstrategie können auch Kapazitäten und Knowhow von außen eingebunden werden. Alle beteiligten Gremien achten sehr darauf, dass die Kanzlei-Software im Fokus der Entwicklung steht.
Rund 52 Jahre, nachdem Dr. Heinz Sebiger das Fundament für unsere DATEV gelegt hat, können wir nun gemeinsam einen wichtigen Schritt in die Zukunft machen. Werte, Schutz und Sicherheit sind unsere Wegweiser. Darauf können Sie vertrauen!

Zum Autor

Eckhard Schwarzer

Diplom-Volkswirt; seit 2014 stell­ver­tre­ten­der Vor­stands­vor­sit­zen­der der DATEV eG und Vorsitzender der DATEV-Stiftung Zukunft

Weitere Artikel des Autors