Die strafbefreiende Selbstanzeige ist ein Weg zurück zur Steuerehrlichkeit. Damit der Schritt aber nicht zum Tanz auf dem Drahtseil wird, erscheint fachliche Beratung dringend geboten.
Die Frage, welche Konsequenzen Fehler in einer steuerlichen Selbstanzeige haben, interessierte bis vor Kurzem nur die Fachwelt. Im Frühjahr hat sich das schlagartig geändert. Seit der Fall Hoeneß in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist das Thema Selbstanzeige in aller Munde.
Der Fall ist aufgrund der Höhe der mutmaßlich hinterzogenen Beträge sowie aufgrund der Prominenz des Betroffenen in vielerlei Hinsicht ungeeignet, als Musterbeispiel zu dienen. Andererseits wirft er durchaus auch Fragen auf, welche die Praxis noch lange beschäftigen werden.
Ein Schuss – ein Treffer
Wer Straffreiheit erlangen will, muss seinen aufrichtigen Willen zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit demonstrieren.
Im Mai 2011 wurde die Vorschrift des § 371 Abgabenordnung (AO), in der die strafbefreiende Selbstanzeige geregelt ist, geändert. Seitdem ist klargestellt, dass nur derjenige sicher sein kann, von Strafe verschont zu bleiben, der sämtliche noch nicht versteuerten Einkünfte offenlegt. Mit anderen Worten: Alle steuerlich noch nicht verjährten Leichen im Keller müssen mit dem ersten Schreiben an die Finanzverwaltung restlos beseitigt werden.
Dem Gesetzgeber schwebten dabei die Fälle vor, in denen ein Steuerflüchtling aus Angst vor Entdeckung sein Konto in der Schweiz offenlegt, die Erträge aus einem zweiten Konto in Luxemburg jedoch weiterhin verschweigt. Einem solchen Verhalten wurde der Riegel vorgeschoben.
Wer Straffreiheit erlangen will, muss seinen aufrichtigen Willen zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit demonstrieren. Teilselbstanzeigen sind nicht mehr zulässig.
Das Finanzamt soll sofort – und nicht erst Stück für Stück – in die Lage versetzt werden, die tatsächlichen Grundlagen für die Neuberechnung der Steuern zu erfassen.
Nach der Neufassung des Gesetzes gibt es einige Fallstricke, die dazu führen können, dass eine Selbstanzeige ihr Ziel verfehlt.
Die unvollständige Selbstanzeige
Ein Mandant hat ein Aktiendepot in der Schweiz. Es fielen steuerpflichtige Gewinne an. Die Bank teilt mit, dass die Dokumentation aller Kontobewegungen mehrere Monate in Anspruch nehmen wird.
Daraufhin wird durch den Berater dem Finanzamt angekündigt, dass die Abgabe einer Selbstanzeige beabsichtigt sei, sobald die vollständigen Unterlagen der Schweizer Bank vorlägen. Die strafrechtlich relevante Steuerschuld beträgt insgesamt mehr als drei Millionen Euro.
In diesem Fall kann das Finanzamt mit der Selbstanzeige nichts anfangen. Die Mitteilung in dem Beispiel versetzt die Finanzbeamten nicht in die Lage, eine eigenständige juristische Bewertung und Berechnung vorzunehmen.
Die Selbstanzeige ist strafrechtlich auch dann unwirksam, wenn die vollständigen Bankunterlagen später nachgereicht werden. Denn bereits mit der ersten – unvollständigen – Erklärung war die Tat entdeckt. Eine fehlerhafte Selbstanzeige kann nicht geheilt werden.
Die verspätete Selbstanzeige
Ein Steuerpflichtiger erteilt seinem Anwalt den Auftrag zur Erstellung einer Selbstanzeige. Tatsächlich ist ihm das Finanzamt jedoch bereits auf den Fersen. Seine vollständigen Daten befinden sich auf einer CD, die ein ehemaliger Mitarbeiter einer Schweizer Bank an den deutschen Staat verkauft hat.
Kurz vor Fertigstellung der Selbstanzeige erhält der Kunde einen Anruf seines Bankberaters, der ihm mitteilt, dass ein Bankmitarbeiter Daten gestohlen und verkauft hat.
In diesem Fall ist die Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zu spät abgegeben worden. Ihre strafbefreiende Wirkung entfällt, da der Täter bei Abgabe damit rechnen musste, dass die Tat bereits entdeckt worden war.
Die unkorrekte Selbstanzeige
Ein Steuerpflichtiger erklärt Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb vollständig nach. Er hatte in den letzten Jahren Verluste aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht. Die Steuerfahndung erforscht nach Abgabe der Selbstanzeige die persönlichen Verhältnisse und gelangt zu der Auffassung, dass das Mietverhältnis steuerlich nicht anzuerkennen sei, da der Mietvertrag mit der Lebensgefährtin des Steuerpflichtigen abgeschlossen wurde.
Das Selbstverständnis der Steuerfahnder hat sich verändert. Vor einigen Jahren wurden Selbstanzeigen in der Regel dankbar entgegengenommen, ohne weiter hinterfragt zu werden. In letzter Zeit treten indes vermehrt Fälle auf, bei denen das Finanzamt eine Selbstanzeige zum Anlass nimmt, gezielt nach weiteren Steuerquellen zu suchen, welche die Selbstanzeige eventuell zu Fall bringen könnten.
Unterstellt man, dass es sich bei der fragwürdigen Mietkonstruktion um eine vorsätzliche Steuerhinterziehung gehandelt hat, so wäre diese im Rahmen der Selbstanzeige zu berichtigen gewesen. Die Nicht-Korrektur wäre damit schädlich, sofern es sich nicht nur um eine Bagatellabweichung handelt.
Eine solche wird in der Regel angenommen, wenn die Differenz zwischen dem erklärten Betrag und der tatsächlich rückständigen Steuerschuld weniger als fünf Prozent beträgt.
Nach der Rechtsprechung kann sich auf Bagatellabweichungen allerdings nur derjenige berufen, der aufgrund eines Irrtums vergessen hat, die Beträge vollständig nachzudeklarieren. Geschah das vorsätzlich, so soll die Selbstanzeige vollständig unwirksam sein.
Rechtsfolgen
Bei Fehlern in der Selbstanzeige hat die Nacherklärung keine strafbefreiende Wirkung. In diesem Fall kommt es zu einem Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung. Die noch nicht verjährten Steuern und Hinterziehungszinsen müssen dann natürlich trotzdem nachgezahlt werden. Dieses Prozedere hat allerdings nicht zur Folge, dass die Selbstanzeige völlig ohne Wirkung bleibt. Vielmehr ist sie bei Abschluss des Strafverfahrens im Rahmen der Strafzumessung entsprechend zu berücksichtigen.
In der Praxis haben sich noch keine Anhaltspunkte dafür herauskristallisiert, wie hoch der Strafrabatt ist, den man im Fall einer gescheiterten Selbstanzeige für sich in Anspruch nehmen kann.
Letztlich wird man die besonderen Umstände jedes Einzelfalls würdigen müssen. Entscheidend wird es dabei unter anderem darauf ankommen, in welchem Maß der Steuerpflichtige selbst daran schuld ist, dass die Selbstanzeige gescheitert ist.
Strafzumessung
Konkret bedeutet das für die oben angeführten Beispiele:
Im Fall der unvollständigen Selbstanzeige ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer Hinterziehungssumme von mehr als einer Million Euro in der Regel eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu verhängen.
Um von dieser Vorgabe abweichen zu können, wird man Umstände von besonderem Gewicht finden müssen, die zugunsten des Steuerhinterziehers sprechen.
Ein solcher Umstand könnte beispielsweise sein, wenn das Scheitern der Selbstanzeige im Wesentlichen auf eine falsche steuerliche Beratung zurückzuführen ist.
Im Fall der Daten-CD (verspätete Anzeige) dürfte die Tatsache, dass sich der Mandant bereits zur Abgabe einer Selbstanzeige entschieden hat, erheblich strafmildernd zu Buche schlagen.
Hier kann der Anwalt helfen, indem er frühzeitig den Auftrag zur Erstellung der steuerlichen Nacherklärung dokumentiert. Der gute Wille des Mandanten kann auf diese Weise nachgewiesen werden.
In Fällen unvollständiger Selbstanzeigen wird es für die Strafzumessung maßgeblich auf die Differenz zwischen dem erklärten Betrag und der neu berechneten Steuerschuld ankommen.
Steuerberater und Anwälte sollten in jedem Fall den Mandanten vor Abgabe einer Selbstanzeige schriftlich darauf hinweisen, dass ihm das Verschweigen einzelner Positionen erhebliche Probleme bereiten kann.