Modernisierungsgesetz - 25. Mai 2016

Der automatisierte Finanzbeamte

Die Finanzverwaltung setzt auf totale Di­gi­ta­li­sie­rung. Das hat Aus­wir­kun­gen auf die zen­tralen Ar­beits­pro­zesse einer Steuer­be­ra­tungs­kanzlei, erzählt im Inter­view Steuer­be­rater Martin Schmid.

DATEV magazin: Die Finanzverwaltung treibt die Digitalisierung des Steuervollzugs massiv voran. Jüngstes Beispiel ist das aktuelle Gesetzesvorhaben Modernisierung des Be­steue­rungs­ver­fahrens zum 1. Januar 2017. Uns interessiert, welche Erfahrungen Sie bereits gemacht haben und wie Sie die weitere Entwicklung einschätzen.

Martin Schmid: Als ehemaliger Angehöriger der Finanzverwaltung und derzeitiger Leiter einer Steuerberatungskanzlei interessiert mich dieses Thema seit Jahren. Es fällt zunächst auf, dass die Finanz­verwaltung bestrebt ist, die Kommunikation mit den Steuerpflichtigen und deren Beratern effizienter abzuwickeln und deshalb verstärkt auf elektronische Kommunikation setzt. Die Fi­nanz­ver­wal­tung verfolgt auch sehr aufmerksam die Digitalisierungsprozesse in den Steuer­kanz­leien. So werde ich von den örtlichen Finanzämtern regelmäßig zu Steuerberatertagen ein­ge­laden, um über die Entwicklung aus Sicht eines DATEV-Anwenders zu berichten.

DATEV magazin: Mittlerweile müssen auch die Ertragsteuererklärungen elektronisch bei der Finanzverwaltung eingereicht werden. Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeitsprozesse in der Kanzlei?

Martin Schmid: Aus meiner Sicht ist in den Steuerkanzleien eine Prozessanpassung un­um­gäng­lich, da sich nicht zuletzt die Programme der DATEV weiterentwickelt haben und ein effizientes Arbeiten ermöglichen. Das Zusammenspiel der vielfältigen Programmlösungen ermöglicht schon jetzt die sichere und schnelle Kommunikation mit den Finanzämtern. Der digitale Finanzbeamte wird Realität. Darauf muss sich die Steuerberatung einstellen.

DATEV magazin: Wo sehen Sie konkreten Umsetzungs- und Anpassungsbedarf in den Kanzleien?

Martin Schmid: Vor allem die aus Gründen der Haftung erforderliche Freigabe der Steuer­er­klä­run­gen durch die Man­dan­ten be­deutet einen er­heb­lichen Um­stel­lungs- und Ver­wal­tungs­auf­wand. Dieser Auf­wand amor­ti­siert sich al­ler­dings durch die schnelle und ef­fi­zien­te­re Be­ar­bei­tung der Steuer­er­klä­run­gen in der Kanzlei. Ins­be­son­de­re die neuen An­wen­dun­gen Voll­machts­daten­bank, Steuer­konto online und Vor­aus­ge­füllte Steuer­er­klä­rung tragen er­heb­lich zu einer effi­zien­ten und qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Be­ar­bei­tung bei. Der Steuer­be­rater muss prüfen, welche Be­ar­bei­tungs­schritte der De­kla­ra­tion künftig zu ändern sind. Dazu kommt, dass die Fi­nanz­ver­wal­tung künftig er­lauben wird, be­stimmte An­träge in elek­tro­nischer Form zu­zu­lassen, bei­spiels­weise Stun­dungs­an­träge, Aussetzungsanträge, Rechtsbehelfe und so weiter). Die E-Mail-Kommunikation in den Kanzleien muss geregelt werden. Welche E-Mails sind zu archivieren, wie erfolgen die Mit­ar­bei­ter­frei­gaben, wie das Controlling durch den Inhaber und so weiter.

DATEV magazin: Viele Berater möchten derzeit den Umstellungsaufwand, insbesondere aus Kosten- und Zeitgründen, nicht in Kauf nehmen. Wie ist Ihre Meinung dazu und was erwarten Sie von DATEV?

Martin Schmid: Ich bin der festen Überzeugung, dass nur der prozessorientierte und digital gerüstete Steuerberater den Anforderungen der Finanzverwaltung entsprechen kann. Um zukunftsfähig sein zu können, müssen die Kanzleien zwingend in Software und Ver­bes­se­rungs­pro­zesse investieren. Die DATEV wird ihre Anwendungen ausbauen müssen zu einer digitalen Drehscheibe mit der Finanzverwaltung. Meine Zukunftsvision ist eine Über­wachungs­ebene mit allen Modulen, vom Eingang der Mandantenbelege bis zur Kom­mu­ni­ka­tion mit der Fi­nanz­ver­wal­tung. Die Finanzverwaltung plant, das ELSTER-Portal um weitere Funktionen zu erweitern. Die DATEV muss da mitziehen und parallele Anpassungen vornehmen.

DATEV magazin: Welche Veränderungen gehen Sie in nächster Zeit in Ihrer Kanzlei an?

Martin Schmid: Zunächst will ich den durch DATEV ProCheck unterstützten elektronischen Deklarationsprozess optimieren. Dem Mandanten eröffnet sich dadurch ein Mehrwert, der im Beratungsgespräch herausgestellt werden kann. Die Freizeichnung online der DATEV muss bei den Mandanten eingeführt werden, um Zeit- und Papieraufwand zu reduzieren. Steuerkonto online und Vorausgefüllte Steuererklärungen sollen den Deklarationsprozess verbessern.

DATEV magazin: Wird es den automatisierten Finanzbeamten geben?

„Der digitale Finanzbeamte wird keine menschlichen Züge mehr haben.“

Martin Schmid: Automatenbescheide sind nicht Zukunft, sondern ab dem Jahr 2017 Realität, auch wenn im Gesetz zur Moder­ni­sie­rung des Be­steue­rungs­ver­fahrens ein An­kreuz­feld für eine per­so­nelle Be­ar­bei­tung vor­ge­sehen ist. Daneben werden ma­schi­nell fest­zu­set­zende Ver­spä­tungs­zu­schläge und ge­setz­lich fixierte Ab­gabe­fristen ein­ge­führt. Nicht der Fi­nanz­beamte ent­scheidet in Zukunft, sondern die Ma­schine. Der di­gi­tale Fi­nanz­beamte wird keine mensch­lichen Züge mehr haben, er wendet das Gesetz an. Unsere Aufgabe als Steuerberater ist es, diese neue Welt anzunehmen. Ich bin sicher, dass in Zukunft der Finanzbeamte vermehrt mit konkreten Fragen und abgekürzten Außenprüfungen unseren Kanzleialltag bestimmen wird. Dafür brauchen wir Steuerberater eine Strategie.

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Zu den Autoren

Martin Schmid

Steuerberater, steuerberaterzukunft.de

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Redaktion DATEV magazin

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