Das reformierte Insolvenzrecht bietet auch dem steuerlichen Berater neue und attraktive Aufgabenfelder. Geradezu prädestiniert ist er für die Mitarbeit in einem Gremium, das die Interessen der Gläubiger vertritt.
Für den Erfolg einer Sanierung unter Insolvenzschutz ist die Einsetzung und Arbeit eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses bereits im Eröffnungsverfahren von überragender Bedeutung. Denn ein solcher Ausschuss steuert bei professioneller Vorbereitung vom ersten Tag an den Ablauf des Verfahrens und sichert die Wahrung der legitimen Interessen der Gläubiger. Gerade der in wirtschaftlichen Fragen und im Rechnungswesen versierte Steuerberater ist vom Anforderungsprofil her ein geborenes Mitglied dieses Gremiums, das mit seiner Sachkunde sowohl Aufsicht als auch Förderung des Verfahrens in besonderer Weise leisten kann. Mit der zunehmenden Professionalisierung der Gläubigerselbstverwaltung wächst auch hier ein interessantes und durchaus attraktiv vergütetes Arbeitsfeld, das konsequent von Steuerberatern in den Blick zukünftiger Ausrichtung genommen werden sollte.
Stärkung der Stellung der Gläubiger
Die Stärkung der Gläubigerrechte in der Insolvenz gehört neben den Zielen der Deregulierung und Herstellung von Marktkonformität zu den wichtigsten Errungenschaften des reformierten Insolvenzrechts. Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) sind die Mitwirkungsrechte der Gläubiger im Jahre 2012 wesentlich verstärkt worden, sodass den Organen, der Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss, eine große, vielfach verfahrensentscheidende Bedeutung zukommt. Erst seit dieser Reform kann man auch in Deutschland endlich von einer wirklichen autonomen Verfahrensgestaltung durch die Gläubiger eines insolventen Unternehmens sprechen. Während die Gläubigerversammlung als Basisorgan der Selbstverwaltung der Gläubiger wie eine Hauptversammlung agiert und die grundsätzlichen Entscheidungen trifft, wirkt der Gläubigerausschuss als faktischer Aufsichtsrat einerseits als Exekutivorgan der Gläubigerversammlung, das andererseits aber im Tagesgeschäft den Insolvenzverwalter oder Sachwalter bei seiner Geschäftsführung überwacht und unterstützt. Für die tatsächliche Abwicklung und Gestaltung ist der (vorläufige) Gläubigerausschuss das wichtigste Organ der Insolvenzgläubiger.
Bedeutung der Mitgliedschaft
Die Bedeutung der Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss kann vor allem im Hinblick auf den Informationsvorsprung sowie die unmittelbare Gestaltungsmacht gegenüber den anderen Gläubigern nicht hoch genug eingeschätzt werden. Weitere Vorteile liegen ohne Frage in der Einflussnahme auf die Abwicklungspolitik im Tagesgeschäft sowie die konkreten Handlungsmöglichkeiten des Verwalters, den Abschluss konkreter Rechtsgeschäfte und die Verwertungskompetenzen in Einzelfragen, die regelmäßig keiner Aufsicht durch das Gericht unterliegen. Zugleich machen die faktischen Vorteile aber auch ein Kernproblem der Gläubigerselbstverwaltung deutlich: Es liegt zwischen der Aufgabe des Gläubigerausschusses einerseits, im Interesse aller Gläubiger tätig zu sein, und andererseits der legitimen Verfolgung des jeweiligen Einzelinteresses des Gläubigers an möglichst weitgehender eigener Befriedigung. Als unabhängiges Gläubigerorgan untersteht der Gläubigerausschuss nicht der Aufsicht durch das Gericht, denn der Ausschuss erfüllt seine Aufgaben unabhängig, selbstständig und ist nur der Gläubigerversammlung verantwortlich. Gerade diese Selbstständigkeit macht es erforderlich, dass möglichst wirtschaftlich erfahrene und auch rechtlich kompetente Personen Mitglieder der Ausschüsse werden, zumal die professionellen Gläubiger wie Banken, Kreditversicherer, Sozialversicherungsträger oder die Bundesagentur für Arbeit regelmäßig durch Mitarbeiter mit hoher insolvenzrechtlicher Expertise vertreten sind.
Rechte und Pflichten
Gerade bei einer gut vorbereiteten und mit den wichtigsten Gläubigern geplanten Sanierung unter Insolvenzschutz nach dem ESUG, sei es in der einfachen Eigenverwaltung oder unter einem Schutzschirm, kommt dem Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren eine zentrale, das Verfahren steuernde Bedeutung zu. So kann er zum Beispiel einstimmig eine bestimmte Person auswählen, die als Sachwalter die Aufsicht über den eigenverwaltenden Schuldner führen soll, ohne dass das Gericht dieses Votum überstimmen kann. Es sei denn, die vorgeschlagene Person ist ungeeignet. Solche Bedenken lassen sich aber regelmäßig bereits im Vorfeld klären. Ebenso hat der Ausschuss aber auch die Befugnis, dem Schuldner jederzeit in den Arm zu fallen, wenn dieser sich von den vereinbarten Vorgaben entfernt; als stärkstes Mittel kann er sogar die Aufhebung der Eigenverwaltung beschließen, wenn sich herausstellt, dass die Interessen der Gläubiger sonst nicht mehr gewahrt sind.
Die Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters wie die des eigenverwaltenden Schuldners bei dessen Tätigkeit ist ein weiterer Kernbereich der Aufgaben eines vorläufigen Gläubigerausschusses und seiner Mitglieder. Dabei steht an erster Stelle ihre Verpflichtung, sich fortlaufend über den Geschäftsgang unterrichten zu lassen und sich ein eigenes Bild zu machen. Die Überwachung schließt die Pflicht ein, sich unter Umständen auch um ein einzelnes Geschäft zu kümmern, insbesondere aber um den Massebestand, den vorhandenen Warenbestand sowie die geplante Art der Verwertung. Besonders in Großverfahren kann eine sachgemäße Überwachung nur unter Zuhilfenahme von Sachverständigen, Wirtschaftsprüfern und so weiter erfolgen. Die Kontrollpflicht legt den einzelnen Mitgliedern auf, sich laufend vom Gang der Geschäfte zu unterrichten, Bücher und Schriftverkehr einzusehen und den Kassenbestand des Verwalters regelmäßig zu prüfen. Die Wahrnehmung der einzelnen Aufgaben kann einem Ausschussmitglied oder einem Sachverständigen übertragen werden, wobei dessen Vergütung aus der Masse entnommen wird. Gerade auch für die Vergabe spezieller Aufträge wie der laufenden Kassenprüfung, Erstellung von Liquiditätsplänen oder die Prüfung von Sanierungskonzepten können auch Steuerberater herangezogen werden, sofern sie über die notwendige Expertise und die Kenntnis der wesentlichen insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen verfügen.
Wer das Amt eines Gläubigerausschussmitglieds übernimmt, haftet gemäß § 71 InsO nach den gleichen Grundsätzen wie ein Insolvenzverwalter und muss sich über seinen Pflichtenkreis vergewissern. Sein Pflichtenkreis orientiert sich, neben den gesetzlichen Rechten und Pflichten, an der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Mitglieds im Gläubigerausschuss. Er kann sich in einem Haftungsprozess nicht darauf berufen, über seine Pflichten nicht belehrt worden zu sein; denn Mitglieder, die sich über ihre Pflichten nicht unterrichten, handeln nach ständiger Rechtsprechung fahrlässig und mithin schuldhaft im Sinne haftungsrechtlicher Normen. Wegen dieser Risiken hat jedes Mitglied einen Anspruch auf eine dem Risiko entsprechende Haftpflichtversicherung, die aus der Insolvenzmasse gezahlt wird.
Die Vergütung der Ausschussmitglieder
Mitglieder des Gläubigerausschusses haben einen gesetzlichen Anspruch auf Vergütung, und zwar „regelmäßig“ (so § 17 Abs. 1 InsVV) entsprechend dem Zeitaufwand und sodann unter Berücksichtigung des Umfangs der Tätigkeit, sowie auf Erstattung angemessener Auslagen gemäß § 18 Abs. 1 InsVV. Der Zeitaufwand umfasst alle Zeiten, die im Zusammenhang mit der Ausschusstätigkeit stehen, also nicht nur Zeiten der unmittelbaren Anwesenheit in Sitzungen und bei Besprechungen, sondern auch Zeiten der An- und Abfahrten, der häuslichen Vorbereitung, für Aktenstudium, Telefonate, Recherchen in Literatur oder Praxis, letztlich also jede Tätigkeit, die der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben eines Gläubigerausschussmitglieds zu dienen bestimmt war. Die festgesetzten Stundensätze variieren je nach Schwierigkeit des Verfahrens und Qualifikation der Mitglieder zwischen 75 und 350 Euro pro Stunde. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass die Vergütungen der einzelnen Mitglieder differieren können und regelmäßig auch müssen, um dem jeweiligen Tätigkeitsbereich und der unterschiedlichen Qualifikation zu entsprechen.
Fazit
Die Mitarbeit in einem Gläubigerausschuss ist für die gläubigerautonome Gestaltung und Kontrolle eines Insolvenzverfahrens, egal ob als Sanierungs- oder Liquidationsverfahren ausgestaltet, von überragender Bedeutung. Gerade bei einer geplanten Sanierung eines Rechtsträgers ist hoher wirtschaftlicher Sachverstand erforderlich. Die organisierte und professionelle Vertretung von Gläubigerinteressen hat ein hohes Entwicklungspotenzial und birgt gerade für Steuerberater ein überaus interessantes Betätigungsfeld, in das berufliche Erfahrung und fachliche Expertise in besonderer Weise eingebracht werden können.
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