Strategische Entscheidung - 26. Januar 2017

Auf Krisen vorbereiten

Ob man den Mandanten auch in einer Krise begleitet, ist eine Frage, die vorab zu klären ist. Ohne struk­tu­rierte Be­treu­ungs­kon­zepte sollte man sich dieser Auf­gabe aber keinesfalls stellen.

Sofern man sich dazu entscheidet, Mandanten in der Krise selbst zu beraten, sollten hierzu vorausschauend Prozesse und Handlungsanleitungen dokumentiert werden. Denn in der Krise besteht regelmäßig nicht die Zeit, die Prozesse und Handlungsanweisungen erstmalig zu entwickeln, um sie sodann gleich anzuwenden. Zu dieser strategischen Entscheidung gehört die Frage, welche Leistungen genau im Rahmen der Krisenberatung erbracht werden sollen und welche nicht. Erfolgt die Beratungsleistung rechnungswesennah, verbietet sich etwa die Erstellung einer umfangreichen Unternehmensplanung zum Zweck der Fortbestehensprognose beziehungsweise zum Zweck eines Insolvenzsanierungsgutachtens.

Organisatorische Vorbereitung

Zu beachten ist, dass Krisenberatung oft unter erheblichem Zeit- und Verantwortungsdruck erfolgt. Erforderlich ist es daher, die entsprechenden Personalressourcen vorzuhalten. Das fach­liche Know-how sollte ebenfalls nicht nur vorhanden, sondern in den Prozessen entsprechend dokumentiert sein. In den Bereich der strategischen Entscheidung fällt auch der Umfang des Versicherungsschutzes. Hier sollte man vorausschauend Umfang und Inhalt mit dem Ver­siche­rungs­berater absprechen. Sind diese Grundentscheidungen getroffen, ist zu entscheiden, mit welchem Bepreisungsmodell und zu welchen Preisen die Leistung angeboten werden soll. Unsere Faustformel zur Betreuung von Krisenmandanten im kurzfristigen Bereich (BWA, Li­qui­di­täts­vor­aus­schau und so weiter) ist: 1.000 bis 2.000 Euro für die Einrichtung eines Systems zuzüglich 500 bis 1.000 Euro pro Monat zusätzliches Honorar zur Finanzbuchführung.

Beginn des Betreuungskonzepts festlegen

Weiter zu entscheiden ist, ob die Krisenberatung Chefsache oder Angelegenheit der Mitarbeiter ist.

Wichtig für die Kanzleileitung ist auch, dass klar ge­re­gelt wird, ab wann die Betreuungskonzepte für die Krise greifen sollen beziehungsweise greifen müssen. Hierzu gehört auch die Entscheidung, wie zu ver­fahren ist, wenn sich die Mandanten der um­fas­sen­den Be­treu­ung be­zie­hungs­weise der Pflicht zur permanenten Selbstkontrolle widersetzen.

Anhaltspunkte für den Zeitpunkt des Eingreifens können beispielsweise sein:

  • Liquiditätskennzahlen (DATEV-BWA, statische Liquidität)
  • Eigenkapitalquote (Unternehmens-Cockpit und Unternehmensanalyse)
  • Rating-Note (Unternehmens-Cockpit und Unternehmensanalyse)
  • dynamischer Verschuldungsgrad (Unternehmens-Cockpit und Unternehmensanalyse)
  • Plan-/Ist-Abweichung (Unternehmensplanung und Kanzleirechnungswesen)

Weiter ist zu entscheiden, ob die Krisenberatung Chefsache oder Angelegenheit der Mitarbeiter ist. Sofern die Betreuung vom Kanzleiinhaber selbst erfolgt, ist zu beachten, dass in der Zeit der Krise des Mandanten erhebliche Ressourcen erforderlich sind, die dann für die Kanzlei und für die übrigen Mandanten nicht zur Verfügung stehen. Insoweit sollten Sie diese Entscheidung bewusst treffen. Alternativ bietet es sich an, betriebswirtschaftlich ausgebildete Mitarbeiter speziell hierfür zu schulen, damit diese die Beratung in der Krise des Mandanten hauptsächlich übernehmen. Die Qualitätskontrolle beziehungsweise die Kommunikation kann dann der Kanzleileitung überlassen werden.

Sicherstellen der kritischen Distanz

Für gefährlich halten wir es, die Betreuung vom bisherigen Betreuungsteam quasi unverändert fortzuführen. In der Krise gibt es so viele Haftungsgefahren und Fallstricke, die Sie sowohl für den Mandanten als auch für die eigene Kanzlei vermeiden sollten.
Zudem ist zu beachten, dass sich insbesondere bei langjähriger Zusammenarbeit eine Bande zwischen dem Mandanten und der Kanzlei beziehungsweise den Mitarbeitern in der Kanzlei bildet. Dies führt nicht selten dazu, dass die kritische Distanz verloren geht. Das ist etwa auch der Grund, warum es Banken gesetzlich vorgeschrieben ist, ein Krisenmandat in die Marktfolge abzugeben.
Diese gesetzgeberische Anforderung besteht nicht ohne Grund. Der Steuerberater sollte zudem überlegen, ob entsprechende personelle Umsetzungen beziehungsweise Umstellungen in der Krise in der Steuerkanzlei nicht ebenfalls angezeigt sind. Wenigstens aber sollte in der Krise des Mandanten die Kontrolle des Sachbearbeiters über ein Vieraugenprinzip sichergestellt sein.

Inhalt des Betreuungskonzepts festlegen

Wenn man ein Betreuungskonzept aufbaut, sollte man klar regeln, was Vertragsinhalt ist, und negativ abgrenzen, welche Leistung nicht erbracht werden soll. Mit dem Mandanten könnte beispielsweise geregelt werden, dass der Steuerberater anhand der Buchführung sowie der Offenen-Posten-Buchführung die kurzfristige Zahlungsfähigkeit beziehungsweise -unfähigkeit überprüft, quasi als buchführungsnahe Dienstleistung. Wird eine solche Dienstleistung vereinbart, sollte negativ abgegrenzt werden, dass kein Auftrag zur Überschuldungsprüfung, ins­be­son­dere kein Auftrag zur Prüfung der dro­hen­den Zah­lungs­un­fä­hig­keit besteht.
Ebenfalls sollte man regeln, wann gebucht wird. Krisenbetreuung bedeutet kurzfristige, zeitnahe Betreuung. Das Buchungsverhalten sollte auf wöchentliche Buchung umgestellt werden. Mit dem Mandanten sollte vertraglich vereinbart werden, wann und wie die Buchführungsunterlagen zur Verfügung gestellt werden. Hieraus leitet sich im kurzfristigen Bereich die Beobachtung der künftigen Liquidität ab. Wird wöchentlich ausgewertet, ist es unseres Erachtens ausreichend, wöchentlich beziehungsweise zweimal pro Woche die Belege zu kontieren sowie die Kasse und die Bank zu buchen. Die monatlichen Abgrenzungsbuchungen (Abschreibungen, Be­stands­ver­än­de­rungen und so weiter) müssen hingegen nicht auf einen wöchentlichen Turnus herunter­ge­brochen werden.

Debitoren- und Kreditorenlaufzeiten anpassen

Für den Steuerberater kann es auch entscheidend sein, mit dem Mandanten anlässlich der Krise nochmals über Debitoren- und Kreditorenlaufzeiten zu sprechen. Sofern der Mandant bislang nicht in der Lage war, die Debitoren innerhalb des vertraglichen Zahlungsziels auf seinem Konto zu vereinnahmen, ist zu prüfen, ob im Rahmen der Buchführung mit tatsächlichen oder mit vertraglichen Debitorenlaufzeiten gearbeitet wird. Ist das Ziel der Tätigkeit, die Liquidität zu beobachten, muss mit den tatsächlichen Debitorenlaufzeiten gearbeitet werden. Ist das Ziel, das Unternehmen in der Steuerung zu unterstützen und etwa auch das Debitorenmanagement mit Mahnwesen zu übernehmen, sollten die vertraglichen Laufzeiten eingepflegt werden.

Was wird wann an wen kommuniziert?

Mit dem Mandanten ist auch zu regeln, welche Auswertungen zu welchen Zeitpunkten an wen kommuniziert werden. Insbesondere bietet sich neben dem Liquiditäts-Tool der DATEV die kurzfristige Erfolgsrechnung (Standard-BWA), die Auswertungen zur statischen Liquidität und gegebenenfalls der Einsatz des Frühwarnsystems an. Bezüglich der statischen Liquidität ist zu beachten, dass die DATEV-Standardauswertungen keine Fristen aus dem Nebenbuch (OPOS) verarbeitet. Ferner ist eine nicht ausgenutzte Kontokorrentlinie ebenfalls nicht abgebildet. Solche Ergänzungen müssen händisch erfolgen.

Fazit

Steuerkanzleien sollten auf die potenzielle Krise ihrer Mandanten vorbereitet sein. Denn früher oder später tritt sie bei dem einen oder anderen Mandanten ein. Dann sollte bereits geklärt sein, ob man überhaupt noch beratend zur Seite stehen möchte oder für die Beratung des betroffenen Mandanten einen Netzwerkpartner empfiehlt, der die laufende Betreuung während der an­dauern­den Krise übernimmt. Unabhängig davon kann der Steuerberater weiterhin die übliche Deklarationsleistung erbringen.

Checkliste

Checkliste: Betreuung in der Krise

  • Strategische Entscheidung: Krisenberatung ja oder nein?
  • Qualitätsanforderungen definieren
  • Prozess definieren und regeln
  • Qualitätssicherung implementieren
  • Musterschreiben und -auswertungen definieren
  • Mitarbeiter anweisen/anlernen
  • Bepreisungsmodell festlegen

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finden Sie unter www.datev.de/fokus-kanzlei/tools/ kanzleientwicklung

Hinweise zur Betreuung von Mandanten zum Thema Li­qui­dität erhalten Sie in der An­wen­dung Kanz­lei­ent­wick­lungs­dialog, etwa unter Kanz­lei­ab­läufe | Rech­nungs­wesen | unter­jäh­ri­ges Con­trol­ling. Der Kanz­lei­ent­wick­lungs­dialog liefert Ihnen darüber hinaus weitere wert­volle Impulse für Ihre Kanz­lei, wie etwa zur Ge­stal­tung Ihres Dienst­leis­tungs­angebots.

Zu den Autoren

Anne Nickert

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht in der Kanzlei Nickert & Nickert Rechtsanwälte & Steuerberater PartG mbB, www.nickert-og.de.

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Cornelius Nickert

Steuerberater, Rechts­an­walt und Fach­an­walt für In­solvenz- und Steuer­recht, Certi­fied Va­lua­tion Analyst (EACVA) in der Kanzlei Nickert & Nickert Rechtsanwälte & Steuerberater PartG mbB, www.nickert-og.de.

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