Privatinsolvenzen - 26. Januar 2017

Alle Chancen nutzen

Für Mandanten in der Krise ist eine Unter­stüt­zung durch spe­zia­li­sierte Berater un­ab­ding­bar. Die Experten sollten aber auch sämt­liche Ver­fah­rens­mög­lich­keiten kennen be­zie­hungs­weise in Betracht ziehen.

Die Reform der Insolvenzordnung im Bereich der sogenannten Privatinsolvenzen (Ver­braucher­in­sol­venz­verfahren) Anfang Juli 2014 hat viele Änderungen und Ergänzungen mit sich gebracht.
Wesentliche Verfahrensmöglichkeiten sind jedoch erhalten geblieben. Die praktische Erfahrung zeigt aber, dass die bestehenden und neuen Möglichkeiten von vielen mit dem Verfahren betrauten Anwälten und Beratern nicht ausreichend genutzt werden.
Häufig kennen die Mandanten diese Möglichkeiten ebenfalls nicht und können daher auch nicht auf eine Umsetzung drängen. Hinzu kommt, dass die Verfahrensmöglichkeiten mit einem höheren Aufwand verbunden sind, deren Durchführung daher letztlich teurer ist. Steht am Ende aber eine Entschuldung ohne Einleitung des Privatinsolvenzverfahrens, so zahlt sich der höhere Preis bei der Durchführung in jedem Fall aus.

Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan

Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan ist die erste Chance, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen.

Zunächst ist immer zu prüfen, ob ein Privat­in­sol­venz­verfahren, ein sogenanntes IK-Verfahren (IK ist das Aktenkennzeichen beim Insolvenzgericht) oder doch ein reguläres Firmeninsolvenzverfahren, ein so­ge­nanntes IN-Verfahren durchzuführen ist. Auch wenn das Privatinsolvenzverfahren obligatorisch nur die außergerichtliche Schuldenbereinigung vorsieht, kann sich – je nach Schuldenstand, Gläubigerstruktur und -anzahl – auch im regulären Fir­men­in­sol­venz­ver­fahren ein außergerichtlicher Schulden­be­rei­ni­gungs­plan mit Einbezug aller Gläubiger als sinnvoll erweisen. Häufig wird diese Möglichkeit von An­wälten, die im In­sol­venz­recht spe­zia­li­siert sind, nicht vorgeschlagen. Der außergerichtliche Schul­den­be­rei­ni­gungs­plan ist die erste Chance, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Das gilt auch für das Privatinsolvenzverfahren. Dabei müssen alle Gläubiger zustimmen. Eine Lösung mit einem realistischen Vorschlag sollte deshalb von Anfang an angestrebt werden. Von vielen Beratern und Rechtsanwälten wird der außer­ge­richtliche Schuldenbereinigungsplan aber nur als ein vom Gesetzgeber gefordertes lästiges Übel angesehen. Sie schicken allen Gläubigern einen sogenannten Nullvergleich, bieten also keinen Vergleichsbetrag an und provozieren damit eine erste Ablehnung, um danach direkt mit dem Insolvenzantrag weiterzumachen. Das genau aber hat der Gesetzgeber eigentlich nicht bezweckt. Klar – wenn keine nennenswerten Vermögenswerte angeboten werden können, auch nicht von dritter Seite, also aus der Familie oder über Freunde, bleibt häufig nur der schnelle Weg in die Restschuldbefreiung nach drei, fünf oder sechs Jahren. Denn durch den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan müssen alle Gläubiger überzeugt werden, die rein subjektive Ab­leh­nung sollte also einkalkuliert werden. Denn Gläubiger, die schon häufiger vertröstet worden sind, glauben nicht mehr an eine Chance.
Vorsicht ist zudem deshalb geboten, weil einzelne Gläubiger die Zeit der außergerichtlichen Schuldenbereinigung nutzen könnten, um Zwangsvollstreckungen durchzuführen und dadurch vielleicht sogar den außergerichtlichen Plan durchkreuzen.

Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Sollte die außergerichtliche Schuldenbereinigung scheitern, aber dennoch eine Zustimmung von mehr als 50 Prozent nach Anzahl und Quote erreicht werden, ist bei Privatinsolvenzen das ge­richt­liche Schuldenbereinigungsverfahren sinnvoll. Dabei handelt es sich quasi um den obli­ga­to­rischen ge­richt­lichen Insolvenzplan. Dieser Verfahrensmöglichkeit werden fälschlicherweise von nicht wenigen Anwälten und Beratern viel zu wenig Chancen eingeräumt, obwohl es eigentlich genau anders sein müsste. Sofern das zuvor durchgeführte außergerichtliche Verfahren ergeben hat, dass eine Mehrzahl der Gläubiger nach Anzahl und Quote ihrer Forderungen dem Plan zu­stim­men, wird bei diesem Verfahren von Gerichts wegen nochmals bei allen Gläubigern abgefragt, ob dem Plan zugestimmt werden kann. Sofern sich dann eine Mehrheit von über 50 Prozent heraus­bildet, die dem Plan zustimmen, kann der Schuldner beziehungsweise sein Anwalt oder auch ein zu­stim­men­der Gläubiger den Antrag stellen, die Zustimmung der restlichen Gläu­bi­ger durch einen Gerichtsbeschluss ersetzen zu lassen.

Gerichtsbeschluss

Dabei gilt im Unterschied zum außergerichtlichen Verfahren: Meldet sich ein Gläubiger nicht auf das gerichtliche Schreiben, mit dem die Zustimmung erstmals abgefragt wird, so gilt dies als Zustimmung zum Plan. Es müssen also Gläubiger konkret ablehnen. Die große schweigende Masse stimmt also zu – ein Riesenvorteil. Der die Zustimmung ersetzende Gerichtsbeschluss bewirkt, dass der Schuldner sofort von einem Großteil seiner Schulden frei wird: Er schuldet nur noch die Er­fül­lung aus dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan. Auch wenn er diesen sodann nicht erfüllen würde, könnten die Gläubiger nicht mehr den ursprünglichen Betrag fordern, er hat also die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs. Insoweit ist das Gericht natürlich auch gefordert, die Durchführbarkeit des Plans zu überprüfen. Quoten liegen hierbei häufig zwischen 10 und 25 Prozent und damit weit über den Insolvenzquoten von unter 5 Prozent. Sie können aber theo­re­tisch auch darunter liegen. Manchmal ergibt sich zum Beispiel, dass ein wesentlicher Gläubiger zustimmen würde und somit leicht die Hürde von 50 Prozent der Schulden über­schritten wird. Sodann gilt es nur noch, die Hürde von 50 Prozent Zustimmung der Anzahl der Gläubiger nach zu überschreiten.

Übergang zum Insolvenzverfahren

Scheitern beide Schuldenbereinigungsverfahren, so geht das Verfahren direkt in das In­sol­venz­ver­fahren über. Ein Insolvenzverwalter wird bestellt, Vermögenswerte werden zusammengetragen, das Verfahren eröffnet. Hier gilt es nun, die besonderen Beendigungsmöglichkeiten zu kennen und auszunutzen. Werden nämlich mindestens die Verfahrenskosten gedeckt, verkürzt sich die Wohlverhaltensperiode bereits auf fünf Jahre. Werden 35 Prozent oder mehr als Quote erreicht, so kann bereits nach drei Jahren die Restschuldbefreiung erteilt werden. Durch das In­sol­venz­plan­ver­fahren, das erstmalig seit 2014 auch bei Privatinsolvenzverfahren möglich ist, ist eine sofortige Entschuldung ebenfalls möglich. Allerdings hat sich dieses Instrument dort bisher nicht durch­ge­setzt. Diese neue Regelung in der Insolvenzordnung zeigt, dass auch im bereits laufenden In­sol­venz­ver­fahren die Möglichkeit geprüft werden sollte, durch Einigung mit den Gläubigern das Verfahren vorzeitig zu beenden. Die Gläubiger haben das Verfahren weiterhin in der Hand, ein Vergleich kann jederzeit geschlossen werden. Stimmen sie auch jetzt einer Schuldenbereinigung zu, so müssen nur noch die Kosten des Verfahrens gedeckt werden.

Fazit

Alle diese Verfahrensmöglichkeiten sollten aufgezeigt werden. Häufig ist nämlich noch so viel Vermögen in der Familie beziehungsweise bei dritter Seite vorhanden, um den Weg zur Ent­schul­dung ohne Insolvenz zu beschreiten. Diese Chance sollte genutzt werden. Den Gläubigern ist ebenfalls geholfen, da der Schuldenbereinigungsplan meist ein besseres Ergebnis bringt, als wenn die Insolvenzzeit untätig verstreicht.

Zum Autor

RP
René Pickard

Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner bei Spratte Riepe Pickard Rechtsanwälte/ Steuerberater Partnergesellschaft in Dortmund

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