Automatisierungsservices Rechnungswesen - 25. Februar 2021

Stark durch gute Daten

Mithilfe künstlicher Intelligenz eröffnen sich neue Potenziale, gerade bei der Automatisierung. Das gilt auch für eine Kernanwendung der Genossenschaft. Der Weg dorthin war und ist nicht einfach, das Ziel aber lohnt sich.

Künstliche Intelligenz (KI) – was ist das eigentlich? Der Begriff ruft oft intensive, aber durchaus auch gegensätzliche Reaktionen hervor. Von strahlenden Augen bis Abwinken, von Interesse bis Angst. Ein Grund für diese unterschiedlichen Sichtweisen ist sicher auch die Tatsache, dass nicht klar ist, was KI eigentlich bedeuten soll. Das Nachbilden beziehungsweise Automatisieren von intelligentem Verhalten durch technische Systeme ist eine gängige Beschreibung – vielleicht gerade, weil mangels Definition von Intelligenz damit die Auslegung doch offenbleibt. Damit wird die KI auch relativ – nämlich relativ zum eigenen Anspruch an intelligentes Verhalten, der sich auch noch über die Zeit ändert – was in den frühen Jahren der KI-Forschung noch als annähernd intelligent galt, wird heute oft nur noch belächelt. Eine zentrale Rolle spielt auch der Aspekt des Lernens. KI-Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich selbst weiterentwickeln können. Sie passen sich an neue Informationen an und verändern ihr Verhalten. Da dies heute aber nur in den engen Grenzen der ursprünglichen Aufgabe passiert, spricht man von schwacher KI. Um auf Augenhöhe mit dem Menschen agieren zu können, was man von einer starken KI erwartet, müsste es gelingen, über den ursprünglichen Fokus eines Systems hinauszugehen – davon ist die Forschung aber noch weit entfernt.

Was macht KI heute so interessant und besonders?

Beide Aspekte – das Verhalten und das Lernen – sind nicht neu. Der DATEV-Buchungsassistent bildet bereits seit gut 15 Jahren intelligentes Verhalten nach, beispielsweise durch Nachrechnen des Gesamtbetrags einer Rechnung, und lernt nach und nach auch aus erfassten Buchungssätzen, wo etwa Rechnungsnummern auf Rechnungen zu finden sind. Trotzdem kann die KI heute gefühlt mehr. Das liegt daran, dass nicht mehr Entwickler das Verhalten durch Regeln vorgeben müssen, sondern dass diese vom System selbst gelernt werden. So werden Zusammenhänge in den Daten erkannt, die für Menschen kaum zugänglich beziehungsweise in angemessener Zeit erfassbar sind. Dabei ist nicht von vornherein klar, ob etwas, und wenn ja, was gefunden wird. Das hängt insbesondere auch von der Qualität der Daten ab. Folglich benötigt man zu Beginn eines KI-Projekts zunächst eine Phase der Datenexploration. Erste Schritte in Richtung KI sind dann häufig zunächst die Bereitstellung der Daten, idealerweise auch gleich großer Mengen (Big Data), und deren Analyse (Advanced Analytics). Damit schafft man nicht nur die Datengrundlage für das Lernen, sondern auch die Möglichkeit, die Daten auf ihre Eignung zu überprüfen. Die dabei gewonnenen Analyseergebnisse können auch für sich genommen bereits wertvoll sein, um beispielsweise manuelle Entscheidungsprozesse zu unterstützen.

Entwickeln mit maschinellem Lernen

In der klassischen Software-Erstellung definieren Entwickler das Verhalten der Anwendung. Mit maschinellem Lernen soll genau dies anders sein, das Verhalten wird eigenständig aus den Daten abgeleitet und so automatisch angepasst, einmalig oder sogar kontinuierlich. Die Daten werden dazu mit Machine-Learning-Verfahren analysiert, um Zusammenhänge zu entdecken. Man spricht hier vom Trainieren der KI-Modelle. Die Verknüpfung des Begriffs Verbindungsentgelt auf einer Rechnung mit dem verwendeten Buchungskonto Telekommunikationskosten ist ein Beispiel dafür. Die so erkannten Muster werden dann bei der Verarbeitung neuer Datensätze angewendet. Um komplexe Zusammenhänge erkennen zu können, werden möglichst viele Daten benötigt – im Allgemeinen gilt, je mehr, desto besser. Die Datenbereitstellung in ausreichender Menge und Qualität ist also eine wesentliche Voraussetzung. Die Daten müssen möglichst konsistent sein, damit keine unerwünschten Zusammenhänge abgebildet werden. Daher werden sie zur Qualitätssteigerung bereinigt, standardisiert und zusammengeführt. Dieser Schritt ist nicht zu unterschätzen, schließlich kann nur gelernt werden, was in den Daten enthalten ist. Machine- Learning-Entwickler müssen dafür sorgen, dass die Lernvoraussetzungen sowie die Lernverfahren optimal funktionieren. Dies gelingt aber nur, wenn sie das Lernen mit den tatsächlich verwendeten Daten beobachten, überprüfen und optimieren können. Im Gegensatz zur klassischen Entwicklung ist ein Vorgehen ohne Echtdaten nicht nur umständlicher, sondern tatsächlich häufig nicht umsetzbar. Die Arbeit mit Echtdaten ist also eine notwendige Voraussetzung.

Überprüfen

Ein System, das sein Verhalten durch Lernen selbst bestimmt und ändert, muss überwacht werden. Einerseits muss das Erlernte gut auf die Anforderungen passen und andererseits soll das System aber auch nicht nur auswendig lernen, um auch auf neue Daten sinnvoll zu reagieren. Das Nachvollziehen und Erklären der Verfahren gestaltet sich aufgrund der Komplexität sowie des Umfangs im Allgemeinen als sehr schwierig. Damit nicht nur Experten dazu in der Lage sind, wird in diesem Bereich mit dem Ziel aktiv geforscht, ein breiteres Verständnis auf einem höheren Abstraktionslevel zu ermöglichen. Um trotzdem ein angemessenes Überprüfungsniveau zu erreichen, werden klassische Verfahren zur Validierung verwendet sowie Ergebnisse kontinuierlich über Feedback- Schleifen direkt beim Lernen und ebenso im Betrieb kontrolliert. Inzwischen existieren auch formale Standards zur Prüfung dieser für das Vertrauen der Anwender wichtigen Kontrollmechanismen.

KI-Entwicklung und Datenschutz

Reale Daten bilden den Treibstoff für Machine Learning. Für die Verwendung sind Nutzungsvoraussetzungen sowie datenschutzrechtliche und sicherheitstechnische Maßnahmen zu berücksichtigen. Diese sind für die Durchführung des gesamten Projekts gegebenenfalls so prägend, dass dringend zu empfehlen ist, bereits in einer frühen Phase in eine Klärung und Umsetzung zu gehen – auch damit während der Entwicklung erst gar keine rechtliche Grauzone entsteht. Anonymisierung kann ein Weg sein, dies zu vereinfachen, allerdings muss man dabei beachten, dass die zu lernenden Zusammenhänge erhalten bleiben. Werden sie durch die Anonymisierung entfernt, so entzieht man dem Lernprozess die Grundlage. Außerdem muss zunächst definiert werden, was eine angemessene Anonymisierung für die zu betrachtenden Daten wäre. Und der Vorgang muss dann wieder sicher umgesetzt werden. Die Anonymisierung ist also kein Wundermittel. Sie kann nicht immer angewendet werden – und wenn, dann hat sie ihre eigenen Herausforderungen. Ebenso sind Testdaten im Allgemeinen für das maschinelle Lernen ungeeignet. Um die erforderliche Menge bereitstellen zu können, müssten sie praktisch generiert werden. Dann wird das KI-System aber genau die für die Generierung verwendeten Regeln lernen. Letztlich bilden also nur realitätsnahe Echtdaten die Komplexität ab, für die das KI-System zum Einsatz kommen soll. Die Sicherung der Entwicklungs- und Lernprozesse sowie des Datenzugriffs sind wesentliche Schutzmaßnahmen bei der Entwicklung von KI-Systemen. Sie gewährleisten ein rechtskonformes Vorgehen und bilden das Fundament für das Vertrauen der Anwender in das jeweilige KI-System.

Automatisierungsservices Rechnungswesen

Der Automatisierungsservice Rechnungen ist der erste einer Reihe von Automatisierungsservices im Rechnungswesen, die KI-Verfahren nutzen. Er unterstützt in der Auftragsbuchführung beim Buchen von Rechnungen. Dazu werden die beschriebenen Machine-Learning-Verfahren verwendet, um insbesondere die Kontierung vorzunehmen. Zusätzlich werden Historiensuche, Regeln und regelbasierte Lernverfahren genutzt, um einen möglichst guten Buchungssatz zu erstellen. Das Vorgehen kann man mit dem eines Einsteigers beim Buchen vergleichen, beispielsweise mit einem Auszubildenden, dem einige Grundlagen beigebracht wurden. Er wird dann versuchen, bereits vorhandene, vergleichbare Vorgänge zu finden, um sich daraus ein Gesamtbild zu machen. Es wird geprüft, ob es vergleichbare Buchungen insbesondere zum Geschäftspartner gibt und ob inhaltlich ähnliche Belege schon einmal in dieser oder einer anderen Buchführung vorhanden waren. Erst mit der Zeit lernt der Einsteiger, wie er mit den Belegen umzugehen hat. Die Ergebnisse werden üblicherweise zu Beginn von einem erfahrenen Kollegen geprüft. Wenn erkennbar ist, dass der Einsteiger die auftretenden Sachverhalte im Griff hat, ist dann weniger Kontrolle erforderlich. Trotzdem werden sowohl beim Einsteiger als auch beim erfahrenen Kollegen immer noch Fehler passieren, vor allem bei Sonderfällen, die hoffentlich noch bei der Abschlusskontrolle auffallen. Das Lernen eines Einsteigers funktioniert am besten, wenn konsistente Vorgaben existieren und ein Sachverhalt nicht mal auf die eine und mal auf eine andere Art behandelt werden soll. Der Einsteiger lernt mit der täglichen Arbeit, zusätzlich aber sind auch Fortbildungsmaßnahmen geboten. Auch der Automatisierungsservice Rechnungen lernt kontinuierlich. Ein großer Vorteil dabei ist, dass dies auf der Basis Tausender Belege und Buchungen der letzten Jahre stattfindet – sofern vorhanden. Diese durchzuarbeiten, würde man einem neuen Kollegen wohl nicht zumuten. Außerdem ist der Service quasi ständig in Fortbildung, wird also weiterentwickelt, um besser zu werden. Ausgehend von einer konsistenten Buchführung kann der Service so mit guten Vorschlägen die zügige Bearbeitung von Rechnungen unterstützen.

Ausblick

Die künstliche Intelligenz ist aktuell ein äußerst aktives Forschungsfeld und entwickelt sich rasant weiter. Unter Beachtung der Rahmenbedingungen von Datenschutz und Recht bietet die KI mit dem Datenschatz der DATEV-Kunden ein enormes Potenzial für innovative Lösungen in allen Bereichen. Neben neuen technischen Verfahren und Plattformen ändern sich dabei auch das Vorgehen bei der Entwicklung – und letztlich auch die Prozesse für die Anwender. Denn das Ziel ist die Automatisierung von Standardvorgängen, die heute ein erheblicher Teil der täglichen Arbeit sind. Mit der Weitsicht, Bekanntes herauszufordern, dem Mut, Vorhandenes anzupassen und dem Willen, Chancen zu ergreifen, wird der nicht einfache Weg der Veränderung dorthin gemeistert werden. Gemeinsam.

Zum Autor

GF
Gregor Fischer

Leitet bei DATEV das Team Entwicklung Intelligente Automatisierungsdienste.

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