Zahlungsdatenservice Amazon - 22. September 2021

„Sie kommen nicht drumherum“

Steuerberater Moritz Sachse ist Profi in Sachen E-Commerce. Am neuen Zahlungsdatenservice Amazon führt für ihn, trotz einiger Kritikpunkte, kein Weg vorbei.

Ähnlich wie beim Zahlungsdatenservice PayPal können beim neuen Zahlungsdatenservice Amazon die entsprechenden Amazon-Umsätze schnell und einfach in das DATEV-Rechnungswesen-Programm übernommen werden.

Steuerberater Moritz Sachse von der SACHSE Steuerberatung in Ingolstadt ist ein Mann der ersten Stunde. Den Zahlungsdatenservice PayPal nutzt er seit Jahren. Seit Anfang 2021 bis zur Freigabe im August 2021 pilotierte er auch den neuen Zahlungsdatenservice Amazon. Im Gespräch erklärt er, was ihn am neuen Angebot stört und warum er es trotzdem empfiehlt.

Herr Sachse, wie finden Sie den Zahlungsdatenservice Amazon?

Der Zahlungsdatenservice Amazon ist sehr gut! Das sagen auch die anderen Kollegen, die ihn pilotiert haben und mit denen ich immer in Kontakt stand. Er soll ja am Ende nichts anderes machen, als die Daten komfortabel bereitzustellen, möglichst nahtlos, verlässlich und ohne Probleme. Und das erfüllt er meines Erachtens perfekt.

Also eitel Sonnenschein?

Leider nicht.

Wo hakt es denn?

Eine saubere Datenbasis aus Amazon ist zwar wichtig. Die liefert DATEV mit dem Zahlungsdatenservice. Natürlich heißt das aber noch lange nicht, dass alle Probleme in der Finanzbuchführung damit gelöst sind.

Ein Hauptproblem liegt in der Performance. Die zentrale Herausforderung bei Online-Händlern ist neben den rechtlichen Besonderheiten schlicht die Masse an Daten.
Selbst für kleinere Händler erreicht die Anzahl an Buchungssätzen sehr schnell einen sechsstelligen Wert pro Jahr. Kleinere Kapitalgesellschaften mit ein paar Millionen Euro Umsatz im Jahr überschreiten im E-Commerce sogar ganz schnell eine Million Buchungssätze pro Geschäftsjahr.

Der Zahlungsdatenservice Amazon bereitet die Bewegungen aus Amazon Seller Central als Buchungsvorschläge auf. Man kennt diese Verarbeitung etwa vom elektronischen Bankbuchen. Diese Arbeitsweise bietet eine sehr gute Kontrollmöglichkeit, die Verarbeitung dauert jedoch auch sehr lange. Bei Mandanten aus anderen Branchen ist das in der Regel kein großes Thema, einfach weil es weniger Daten sind. Bei Online-Händlern aufgrund der Masse an Daten aber natürlich schon. Auch bei sehr leistungsfähigen Serversystemen sind die Rechnungswesen-Programme der DATEV schnell einige Stunden beschäftigt. Wir hoffen, dass es hier noch zu Verbesserungen kommt.

Gibt es weitere Probleme?

Unabhängig von der Performance treten Probleme bei der Verbuchung an sich auf.
Ein bis drei Prozent nicht ausgeglichene Posten beispielsweise klingen bei einem normalen Mandanten nach einem Traumwert. Bei einem typischen Online-Händler sprechen wir so aber über einige hundert Buchungen pro Monat, die bearbeitet werden müssen. Da steht grundsätzlich ein sehr hoher manueller und damit auch zeitlicher Aufwand im Raum.

Darüber hinaus gibt Amazon bei der Übergabe der Zahlungen an den Zahlungsdatenservice keinen offiziellen Saldo mit, so wie man es bei einer Bank in Form des Kontostands kennt. Auch das führt zu Problemen.

Außerdem gibt es weitere Limitierungen. Für viele international tätige Online-Händler mit beispielsweise Lagerhaltungen im EU-Ausland reicht der Zahlungsdatenservice Amazon in der Regel auch nicht aus, es werden weitere Speziallösungen benötigt.

Wie haben Sie die Amazon-Bewegungen vorher ohne den Zahlungsdatenservice gebucht?

Im Endeffekt haben wir den Abruf, den DATEV jetzt im Hintergrund vollautomatisch und ohne jegliches Zutun von unserer Seite macht, selbst durchgeführt. Wir haben die Daten von Amazon heruntergeladen und in Excel aufbereitet – und das pro Land, also Amazon.de, Amazon.it und so weiter. Bei sechs oder sieben Ländern sind Sie ganz schön beschäftigt, das kann ich Ihnen sagen.

Dann müssen Sie sich auch noch um die ganzen Nachweise kümmern. Die sind beim Zahlungsdatenservice automatisch dabei, genauso wie Informationen auf welche Weise die Rechnungen ausgeglichen wurden, ob es um Amazon.de oder um Amazon.it geht, wie hoch die Gebühr ist und so weiter. Wir sparen uns mit dem neuen Zahlungsdatenservice zumindest einen Teil der Arbeit und das macht den Dienst insgesamt für diese Mandate unverzichtbar.

Gab es dazu bisher keine Lösung am Markt?

Doch. Es gibt Alternativlösungen am Markt, die wir auch getestet haben. Wir empfanden diese aber als zu kompliziert. Die Lösungen arbeiten teilweise mit eigener Software außerhalb der DATEV und stellen fertige Buchungsstapel bereit. Die Performance ist so deutlich besser, da keine Buchungsvorschläge, sondern fertige Stapel importiert werden. Die Stapel können in einem Bruchteil der Zeit verarbeitet werden. Dennoch sind die ganzen Vorbereitungs- und Abruftätigkeiten und Importvorgänge sehr aufwendig. Bei DATEV geht es kinderleicht per Knopfdruck über das DATEV-Rechenzentrum. Außerdem kann innerhalb des DATEV-Systems sehr gut kontrolliert werden.

Wie beurteilen Sie E-Commerce-Mandate generell?

E-Commerce-Mandate sind extrem anspruchsvoll, sowohl vom Datenumfang als auch von den rechtlichen Anforderungen her. Insbesondere was das Umsatzsteuerrecht betrifft, jetzt gerade auch mit den Neuerungen beim One-Stop-Shop-Verfahren (OSS). Gleichzeitig sind es volldigitale Mandate. Sie gehen davon aus, dass E-Commerce-Umsätze weitgehend automatisiert verbucht werden können. Und genau das ist eben in der Regel nicht der Fall. Man sollte sich diese Spezialisierung als Steuerberater sehr genau überlegen. Es ist wirklich sehr großes Fachwissen und sehr viel technisches Knowhow notwendig. Auf der anderen Seite gibt es nur sehr wenige Steuerberater mit derartigen Kenntnissen. Es herrscht eine absolute Übernachfrage am Markt. E-Commerce boomt wie nie zuvor. Man kann sich die Mandate aussuchen.

Wie bewältigen Sie die Mandate trotz der Probleme?

Fachlich muss man immer am Ball bleiben. Das OSS, der Brexit oder der Wahnsinn um die temporäre Umsatzsteuersenkung sind nur ein paar der jüngsten Beispiele.

Die permanente Herausforderung ist die Masse an Daten. Selbst bei einer kleinen Online-Handels-GmbH können wie gesagt schnell mehr als eine Million Buchungssätze pro Geschäftsjahr zusammenkommen.

An reinen Ausgangsrechnungsdatensätzen sind es bei den meisten Online-Händlern typischerweise eine fünfstellige Anzahl an Buchungen pro Monat. Oftmals bieten die Händler ihre Artikel auch auf mehreren Plattformen an, wie beispielsweise ebay oder otto – alles zusätzliche Herausforderungen.

Wenn wir von beispielsweise 10.000 Ausgangrechnungen via Amazon pro Monat sprechen, liegen insgesamt schon mindestens 30.000 Buchungen in diesem Monat vor (regelmäßig ein Ausgangsrechnungsdatensatz, eine Zahlung und eine Gebühr). Darüber hinaus gibt es viele Bewegungen innerhalb von Amazon, die auch noch verbucht werden müssen. Die Buchungen um Banken, Kreditkarten, andere Marktplätze, andere Zahlungsdienstleister wie PayPal oder auch die Lieferantenrechnungen kommen natürlich noch hinzu.

Wenn bei diesen Mengen nur bei einem oder zwei Prozent der Ausgangsrechnungsdatensätze Probleme auftreten (beispielsweise kein vollständiger OPOS-Ausgleich), dann müssen Sie sich schon sehr gut auskennen, wie Sie effektiv weiterarbeiten.

Wie machen Sie das konkret?

Wir nutzen den OPOS-Ausgleich innerhalb der DATEV-Anwendungen. Darüber hinaus bearbeiten wir die wenigen fehlenden verbleibenden Prozente zunächst mit neutralen Standardkonten, die greifen, wenn eine Rechnung nicht ausgeglichen wird. Zusätzlich werden Lerndateien für die Bewegungen innerhalb von Amazon genutzt, etwa für Auszahlungen auf die Bankkonten. Den so verarbeiteten Buchungsstapel mit Zahlungsdaten exportieren wir komplett nach Excel ….

… warum Excel?

Weil wir die fertigen Buchungsvorschläge dort einfach ändern können. In Kanzlei-Rechnungswesen ist es leider nicht möglich, Buchungsvorschläge bereichsweise zu ändern bzw. strukturiert um Informationen anzureichern.

In Excel reichern wir die Datensätze ungeachtet des zuvor fehlenden Ausgleichs um die OPOS-Ausgleichsinformationen (Belegfeld 1, Auftragsnummer) an und überschreiben das neutrale Standardkonto mit dem Sammeldebitorenkonto von Amazon. Dann importieren wir den Stapel wieder und prüfen den nicht ausgeglichenen Saldo in Summe auf dem Debitorenkonto. So können wir deutlich schneller arbeiten, als wenn wir mehrere hundert Buchungen händisch nachbearbeiten würden.

Wir haben dann verschiedene Strategien, je nach Höhe der Differenz. Entweder buchen wir die Differenz aus oder wir gehen der Sache auf die Spur. Oft fehlen Rechnungskorrekturen vonseiten des Mandanten oder die Warenwirtschaft funktionierte nicht richtig. Manchmal sind auch Rechnungen offen, die nie bezahlt wurden. Da geht es dann auch um die Umsatzsteuer. Bei der Sollbesteuerung steht dann die Forderung im Raum, solange sie nicht abgeschrieben wird.

Das Thema ist also sehr relevant für die Praxis?

Ja. Es gib in der Praxis durchaus Fälle, die über Jahre zu viel Steuern zahlen, eben weil überhaupt keine genaue Kenntnis über die ausgeglichenen Zahlungen durch Amazon in der Buchführung herrschte. Gerade bei selbstbuchenden Mandanten hatte man oft keinen Zugang zu den Amazon-Daten, zumindest nicht in einer strukturierten Form für den Buchführungsimport. Damit hatte man in der Gesamtheit auch keine Kenntnis, was Amazon nun eigentlich gezahlt hat und was nicht. Die Mandanten haben die Rechnungen geschrieben, in die Buchführung importiert, die Abschlagszahlungen von Amazon dagegen gebucht und das war’s. Der Rest wurde passend gemacht. Rechtliche Gefahren wie eine Missachtung der GoBD (z. B. hinsichtlich Saldierungsverbot, Nachvollziehbarkeit) einmal außenvorgelassen: die Unklarheit über die Zahlungsdaten kann auch wie beschrieben echte finanzielle Nachteile mit sich bringen.

Außerdem können auch innerhalb von Amazon umsatzsteuerlich hoch relevante Tatbestände stattfinden, teilweise ohne dass der Mandant sich dessen überhaupt bewusst ist. Eine genaue Verarbeitung der Daten aus Amazon Seller Central (ggf. auch mit Drittanbietern) ist mittlerweile absolut unerlässlich.

Alles in Allem: Würden Sie den Zahlungsdatenservice also trotz Ihrer Kritikpunkte empfehlen?

Ja, auf jeden Fall. Sie kommen für die geeigneten Mandate nicht drumherum. Es geht gar nicht anders. Er bietet eine Möglichkeit für Steuerberater, gerade auch bei kleineren Mandaten, gut an die Daten ranzukommen. Er ist an Komfort nicht zu überbieten: Sie klicken auf „Buchungsvorschläge erzeugen“ und alles ist da. Wenn die dargestellten Probleme nicht in beschriebenem Umfang auftreten, kann man diese Mandate relativ gut bearbeiten.

Für besonders anspruchsvolle Fälle, etwa mit Lagern im europäischen Ausland, sollte man wie gesagt zusätzlich noch weitere Dienstleister prüfen.

Dass die Mandate extrem anspruchsvoll sind, daran ändert auch der Zahlungsdatenservice nichts, es liegt in der Natur der Sache.