Künstliche Intelligenz in der Kanzlei - 13. Februar 2017

Maschine statt Anwalt

Der Einsatz von Robotern nimmt mehr und mehr zu. Bei Großbanken managen Robo-Advisors inzwischen das Portfolio der Kunden, während Robo-Journalisten automatisiert Sport- und Finanzberichte schreiben. Und nun ist der erste Anwalt-Roboter im Einsatz. Kann er eine Option sein mit Blick auf steigende Mandat- und Prozesskosten?

Der 10. Februar 1996 ging in die Geschichte ein. An diesem Tag verlor der damalige Schachweltmeister Garri Kasparow in Philadelphia die erste Partie seines Wettkampfs gegen den IBM-Computer Deep Blue. Das sorgte auf der ganzen Welt für Aufhorchen, denn noch nie hatte ein Computer einen Schachweltmeister unter Turnierbedingungen bezwungen. Menschliche Intuition unterliegt maschineller Rechenstärke. Skeptiker sahen im Sieg der Maschine gar eine Gefahr für die Menschheit, die nicht nur beim Schachspiel, sondern bald auch in anderen Bereichen von künstlicher Intelligenz ersetzt werden würde. Zehn Jahre später hatte sich die Hysterie schon deutlich gelegt, als der amtierende Schachweltmeister Wladimir Kramnik gegen den Computer Deep Fritz den gesamten Wettkampf klar und deutlich mit 2:4 verlor.

Roboter ersetzt Mensch

In der IT-Branche wurden die Siege der Computer gefeiert als Meilensteine bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz. Und die Tendenz ist eindeutig. Zwar ist eine Arbeitswelt ohne den Menschen heute noch nicht vorstellbar. Aber manche Tätigkeiten wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben; Automaten und Roboter werden die Jobs dann übernommen haben. Der Informatik-Professor Moshe Vardi, Mitglied der National Academy of Sciences (USA), wagte in diesem Zusammenhang eine drastische Prognose:  künstliche Intelligenz werde innerhalb der nächsten 30 Jahre zu einer Arbeitslosigkeit  auf der Welt von knapp 50 Prozent führen – mit geradezu dramatischen Folgen für die sogenannte Mittelschicht.

Verdrängung von Arbeitsplätzen

Dem wird oft entgegengehalten, dass anspruchsvolle Geistesarbeit auf noch unabsehbar lange Zeit exklusiv dem Menschen vorbehalten sei. Sind die intelligenten Systeme also tatsächlich auf einem breiten Vormarsch und nicht mehr aufzuhalten? Tatsache ist jedenfalls, dass künstliche Intelligenz in nahezu alle Branchen und Wirtschaftszweige vordringen wird. Die meisten Berufsbilder stehen daher heute schon vor großen Herausforderungen, auch solche, an die man kaum zu denken wagt, wie Ärzte, Wirtschaftsprüfer – und Rechtsanwälte.

Robo-Anwälte

Gerade die Anwaltschaft schien lange immun zu sein gegenüber der zunehmenden Digitalisierung. Einem Bollwerk gleich, stand sie – fast traditionell – gegen alles, was da digital und neu Einzug hält in unser Erwerbsleben. Doch auch diese Zeiten sind vorbei. Schon länger gibt es Software, die juristische Anforderungen automatisch erledigen kann, und mittlerweile auch standardisierte Online-Angebote, die vor allem kleineren Kanzleien Konkurrenz macht, etwa bei Bußgeldverfahren, der Forderung gegen Bahn- und Fluggesellschaften sowie der Vertrags- und Testamentsgestaltung. Und letztes Jahr stellte die amerikanische Anwaltskanzlei Baker & Hostetler schließlich den ersten Roboterjuristen ein. Die Aufgabe von Ross, dem Robo-Anwalt, besteht darin, sich in der Insolvenzabteilung der Kanzlei, durch Berge von Unterlagen, Gesetzbüchern, Notizen und Anträgen zu wühlen und alle relevanten Unterlagen zum aktuellen Fall zusammenzutragen. Der Clou dabei: je mehr man mit Ross interagiert, desto schneller bearbeitet er die Aufträge; denn dank seiner künstlichen Intelligenz, die er besitzt, lernt er mit jedem Auftrag dazu und verfeinert dabei seine Antworten.

Wann bist Du so klug wie wir?

Für junge Rechtsanwälte und Jurastudenten ist der Trend zum Robo-Anwalt sicherlich keine gute Nachricht. Mittelfristig wird er den Einstieg in gewisse Kanzleien blockieren oder zumindest erschweren, auch wenn man Computer wie Ross in Gerichtssälen – zumindest hierzulande – wohl noch lange nicht sehen wird. Da macht es fast ein wenig Hoffnung, das Pepper, den sein Hersteller, der japanische Softbank-Konzern, als fortschrittlichsten humanoiden Roboter anpreist, noch nicht wirklich viel kann, obgleich er längst als Star behandelt wird. Der endgültige Durchbruch humanoider, künstlicher Intelligenz wird also noch länger auf sich warten lassen.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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