Die Folgen des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes - 19. April 2017

Legales Sparen oder Steuerumgehung?

„Du hast keinen Bock Steuern zu zahlen? Wieso bist du dann noch hier. Du solltest schnellstmöglich in eine dieser Steueroasen ziehen, bevor Steinbrück anonyme Briefkastenfirmen verbietet.“ Dieses seinerzeit in weiser Voraussicht vorhergesagte Verbot eines wohlmeinenden Autors im Vice-Magazin könnte demnächst, zumindest für die „illegalen“ Briefkastenfirmen unter ihnen, Wirklichkeit werden.

Mit der Veröffentlichung der sogenannten Panama Papers durch ein Journalistennetzwerk im April 2016 wurde der Allgemeinheit erstmals in größerem Umfang bewusst, welch gigantisches Ausmaß die Steuerumgehung unter Einsatz von Domizilgesellschaften (Briefkastenfirmen) angenommen hat. Daraus ist weltweit Druck auf die Politik erwachsen, die bestehenden Möglichkeiten deutlich einzuschränken, mit denen die wahren Vermögensverhältnisse und wirtschaftlichen Aktivitäten derzeit noch wirksam verschleiert werden können. Auch die Bundesregierung will die Konsequenzen aus der Veröffentlichung der Panama Papers ziehen und Steuerumgehungen mit Briefkastenfirmen verhindern. Das geht aus einem von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf zur „Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) hervor. Vorrangiges Ziel dieses Gesetzes ist es, die Möglichkeiten einer Steuerumgehung mittels Briefkastenfirmen zu erschweren. Durch erhöhte Transparenz, verbunden mit erweiterten Mitwirkungspflichten, sowohl durch die Steuerpflichtigen als auch durch Dritte (Banken) sowie neuer Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden wurde den Domizilgesellschaften der Kampf angesagt.

Der Gesetzgeber muss eingreifen

Beispielsweise soll das automatisierte Kontenabrufverfahren für Besteuerungszwecke (§ 93 Absatz 7 AO-Entwurf) erweitert und die Sammelauskunftsersuchen der Finanzbehörden gesetzlich geregelt werden (§ 93 Absatz 1a Abgabenordnung (AO-Entwurf). Die Kreditinstitute sollen künftig im Rahmen der Legitimationsprüfung nach § 154 Absatz 2 AO auch das steuerliche Identifikationsmerkmal des Kontoinhabers, jedes anderen Verfügungsberechtigten und jedes anderen wirtschaftlich Berechtigten erheben, aufzeichnen usw.

Ganz „nebenbei“ wird auch das steuerliche Bankgeheimnis (§ 30a AO) aufgehoben.

Zum Entwurf der Bundesregierungsentwurf hat der Bundesrat am 10.02.2017 Stellung genommen und verweist auf weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Hybride Gestaltungen, die derzeit zur doppelten Nichtbesteuerung bzw. einem doppelten Betriebsausgabenabzug führen und die Abwehr schädlicher Steuerpraktiken bei internationalen Rechteüberlassungen sollen verhindert werden. Teilweise befinden sich entsprechende Änderungsgesetze bereits auf dem parlamentarischen Weg.

Gefahr der Überregulierung

Brisant für die Beraterschaft ist die Forderung des Bundesrats, noch in dieser Legislaturperiode die Regelungen für eine gesetzliche Anzeigepflicht für Steuergestaltungen zu verabschieden. Zweifellos beeinträchtigen Steuervermeidungskonzepte, wie sie bevorzugt von amerikanischen Großkonzernen verfolgt werden, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Politische Reaktionen sind vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Das Tagesgeschäft der kleinen und mittleren Steuerberaterkanzleien darf jedoch nicht durch Überregulierung belastet werden. Ein Berater sollte sich nicht mehrmals täglich fragen müssen, ob seine Überlegungen anzeigepflichtig sind. Nach einem Gutachten des Max-Planck-Instituts (MPI) sollten modellhafte Steuergestaltungen den Kernbereich der Anzeigepflicht bilden. Das sind Gestaltungen, die wiederholt umsetzbar sind und weitgehend unabhängig von der konkreten Situation des Steuerpflichtigen durchgeführt werden können.

Nach der Studie des MPI sind über 99,9 Prozent der Steuerpflichtigen bzw. deren Berater nicht in kritische Modelle involviert. Selbst die größten Befürworter von Anzeigepflichten können bisher keinen substanziellen Beleg dafür vorlegen, dass deren Einführung gerade in Deutschland Steuerumgehungen effektiv bekämpfen kann. Kleine und mittlere Kanzleien kommen als sogenannte Intermediäre bei den in Kritik stehenden Steuervermeidungsstrategien übrigens nicht vor. Bereits vor diesem Hintergrund wäre es verfehlt, einen ganzen Berufsstand zu kriminalisieren.

Aus Sicht des Deutschen Steuerberater-Verbandes (DStV) ist es prinzipiell Aufgabe des Gesetzgebers, für qualitativ einwandfreie Gesetze zu sorgen, die keine Gestaltungslücken zulassen. Auf diese Kompetenz müssen Steuerpflichtige vertrauen können. Solange sich ein Steuerpflichtiger an die Gesetze hält, ist sein Verhalten legal und auch legitim. Moralische, von subjektiven Wertungen abhängige Bedenken dürfen hieran nichts ändern. Führen nicht aufeinander abgestimmte Steuersysteme verschiedener Staaten zu Verwerfungen, ist es Aufgabe der Staaten, dies durch verbindliche einheitliche Regeln zu vermeiden.

Widersprüche durch Anzeigepflicht

Anzeigepflichten für Steuergestaltungen gibt es bereits beispielsweise in den angelsächsischen Ländern. Dort erfolgt die Besteuerung durch Selbstveranlagung. In Deutschland herrscht dagegen ein völlig anderes Besteuerungssystem. Hier ist zumindest dem Grunde nach jeder Steuerfall durch die Finanzverwaltung zu prüfen. Darüber hinaus erklären Steuerpflichtige und Berater zur Vermeidung von steuerstrafrechtlichen Risiken Sachverhalte so detailliert, dass sie umfassend geprüft werden können. Daraus ergibt sich für die deutsche Finanzverwaltung im Vergleich zu der in anderen Staaten ein deutlicher Wissensvorsprung und damit weniger Anlass für eine Anzeigepflicht.

Eine Anzeigepflicht für Gestaltungen, die explizit vom Gesetzgeber gefördert werden, wäre unangemessen. Der Gesetzgeber stärkt beispielsweise verfassungsrechtlich mit unterschiedlichen Hebesätzen die Finanzautonomie der Gemeinden und schafft damit gewollt Steuerwettbewerb. Müsste ein Steuerberater nun anzeigen, dass Steuerpflichtige die Höhe der Hebesätze in Gestaltungsüberlegungen einbeziehen, wäre das absurd – zumal Steuerberater dazu verpflichtet sind, ihren Mandanten die beste legale Lösung aufzuzeigen. Sonst drohen ihnen Haftung und unter Umständen sogar berufsrechtliche Konsequenzen.

Durch die jetzt geplanten Änderungen könnten übrigens auch gewöhnliche Verbraucher betroffen sein. Schon bei kleinen Verbraucherkrediten müsste nämlich auch die Steuer-Identifikationsnummer der Kunden erhoben werden. Die zweite und dritte Lesung des Bundestags ist für den 28.04.2017 geplant. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang die von der Länderkammer aufgezeigten Punkte noch Eingang in das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz finden werden.

Mehr zu diesem Thema lesen Sie in einem Beitrag von Rechtsanwalt Konstantin Weber im DATEV magazin 06/2017, das Ende Mai erscheint.

Zum Autor

Ulrich Gojowsky

Redaktion DATEV magazin

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