Innovative Kanzleien im digitalen Zeitalter – smarterbuchen.de Kanzlei Gößmann-Schmitt PartG mbB - 14. Juni 2017

Den Digitalbonus nutzen

Youtube, Instagramm oder Facebook sind definitv in! Dies haben in der Branche bereits einige wenige Kanzleien erkannt und vermarkten ihre Digitalisierungsstrategie zunehmend auf sozialen Plattformen.

Mit über 1.000 Aufrufen hat die Kanzlei Gößmann-Schmitt mit ihrem 2015 veröffentlichten Youtube Video “ Kanzlei in der Cloud (Steuerberatung 2.0)“, für erhebliche Furore in der Branche gesorgt. Im Rahmen eines Telefoninterviews, möchten wir Ihnen einen der Partner und seine Kanzleiphilosophie genauer vorstellen.

Was bedeutet denn eigentlich Steuerberatung 4.0 in der Kanzleipraxis und wie groß ist die Akzeptanz bei Ihren eigenen Mandanten?

Für mich bedeutet Steuerberatung 4.0 schlussendlich, dass man alle Möglichkeiten der Digitalisierung vor allem der Automatisierung voll ausschöpft. Hier ist so viel Potenzial vorhanden, dass man für den Mandanten nutzen kann und muss, insbesondere in der automatischen Verarbeitung von Buchungen. Natürlich gibt es immer noch Kollegen die grob fahrlässig agieren und noch nicht einmal mit dem Kontenauszugsmanager der DATEV arbeiten. Der Wettbewerb in der Branche zwingt uns einfach dazu, in Zukunft immer effektiver die Buchhaltung zu bearbeiten. Es gibt ja auch zahlreiche verfügbare IT-Tools am Markt. Insofern kann ich es nicht nachvollziehen, wie man ohne den sinnvollen Einsatz der aktuellen Technik den Kanzleialltag überhaupt noch erfolgreich bestreiten kann. Bei digitalen Lösungen versuchen wir das letzte für unseren Mandanten heraus zu kitzeln und nutzen deshalb neben DATEVSoftware auch noch andere Programme. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das papierarme Büro. Ehrlich gesagt, schaffen wir es noch nicht komplett papierlos – deswegen papierarmes Büro – aber wir sind auf dem richtigen Weg. Ein weiterer erheblicher Vorteil ist, dass wir mit unseren digitalen Lösungen, aufgrund unserer Effizienz in der Regel auch noch deutlich günstiger als unsere regionalen Wettbewerber sind. Dadurch haben wir trotz des Verdrängungsmarktes einen starken Zulauf an neuen digitalen Mandanten. Die junge Generation von Unternehmern möchte mit neuen digitalen Lösungen arbeiten und fragt diese auch gezielt nach. Die Akzeptanz der Kunden ist da und noch viel wichtiger: Der Markt ist auch da!

Wo sehen Sie im Zuge der Digitalisierung die größten Chancen und Risiken?

Das Risiko ist das der Kunde nun glaubt, unsere Beratung erfolgt per Knopfdruck und es fließt kein eigenes spezifisches Know-How in die Beratung mit ein. Das muss man schon klarstellen. Bei allen Erleichterungen wird das Steuerrecht stetig komplizierter, so dass es wichtig ist, gut geschultes Personal zu haben, das die automatisierten Abläufe auch überwachen und Fehler erkennen kann. Ein großer Vorteil der Digitalisierung, ist die Möglichkeit ohne Probleme überregional tätig zu werden und sich gezielt die interessierten Mandanten rauszupicken. Das führt natürlich auch dazu, dass wir erhebliche Zuwanderung von Mandanten aus den Großstädten zu unserer ländlich stationierten Kanzlei haben. Und das nicht nur, weil wir in der Regel durch die deutlich niedrigeren Fixkosten als der Kanzleiinhaber in München einen Wettbewerbsvorteil haben, sondern weil sich die Mandanten den für Sie passenden Berater aussuchen können, egal wo dieser sitzt. Generell kann die Beratung im Zuge der Digitalisierung ortsunabhängig erfolgen und durch die vielen Standardisierungsmöglichkeiten anhand von IT-Tools können wir eine deutlich mandantenspezifischere Beratung anbieten.

Welche Themen stehen mandatsseitig ganz oben auf der Agenda und ergeben sich hieraus Änderungen auf Ihr bestehendes Dienstleistungsangebot?

Prozessberatung wird von unseren Mandanten zum Teil nachgefragt. Hier sehen wir ein deutlich größeres Beratungspotenzial, als die meisten Mandanten bisher erahnen. Die meisten Mandanten wollen von uns noch gar keine tagesaktuellen Auswertungen, obwohl wir hierzu eigentlich schon in der Lage sind. Generell fordern die Mandanten einfach einen geringen administrativen Aufwand. Die meisten Betriebe, die Prozessberatung nachfragen, gehen leider derzeit lieber noch zu den großen Gesellschaften. Aber auch hier bekommen wir langsam einen Fuß in die Tür und möchten auch gerne ein Stück vom Kuchen abbekommen. Denn durch den Digitalbonus kann man sich diese Beratung fördern lassen und den Mandanten bei seiner digitalen Transformation begleiten. Das schafft Vertrauen auch außerhalb des Steuerrechts und führt zu zufriedenen loyalen Kunden. Was unsere Kanzlei bisher bewusst noch nicht anbietet, ist das ersetzende Scannen. Hier sind uns einfach noch zu viele Unsicherheiten im Spiel – auch wenn es Musterverfahrensdokumentation und fiktive Gerichtsprozesse gibt. Am Ende geht es um das Wichtigste und das sind unserer Mandanten und da sind uns die Risiken im Falle einer Betriebsprüfung deutlich zu hoch.

Wie viele Ihrer Mandanten arbeiten bereits mit digitalen Lösungen?

Unsere jüngeren Mandanten sind hier natürlich leichter zu überzeugen, als der 60 jährige Handwerker. Die ältere Generation hat doch einen größeren Respekt vor neuer Technik als die jüngere Generation. Wie viele Mandanten mit digitalen Lösungen arbeiten, kann ich gar nicht so pauschal sagen, da wir seit 2015 eine Partnerschaft mit der Steuerkanzlei Hahn pflegen, aber alleine in den letzten 18 Monaten haben wir über 160 Mandanten auf die digitale Buchhaltung umgestellt. Unser hierfür zuständiges Team stellt in der Regel ein bis zwei Mandate pro Woche um bzw. richtet Neumandate für die Nutzung von Unternehmen Online ein. Generell betreuen wir jedoch keine neue Papierbuchhaltung mehr. Diejenigen Mandanten die sich nicht umstellen wollen, müssen dann den hierdurch höheren Zeitaufwand bezahlen, was in der Regel dazu führt, dass über kurz oder lang fast ausschließlich mit der digitalen Buchhaltung gearbeitet wird – geschätzt dürfte die Quote bei über 90 Prozent liegen. Unser Beweggrund eine Partnerschaft zu gründe, war das vorhandene Wissen zu multiplizieren und stärker uns im Markt zu positionieren. Dafür habe ich damals einen offenen fortschrittlich denkenden Partner gesucht, der Lust hat das Thema Zukunft anzugehen. Zudem hatte ich nach der Preisverleihung des Cloud-Champion Awards Ende 2014 häufig Anfragen von größeren Mandanten, die zwar vom Konzept begeistert waren, sich aber aufgrund der Tatsache, dass nur ein Berufsträger in meiner ehemaligen Kanzlei aktiv war, gegen uns entschieden haben. Letztendlich wollten wir eine Plattform schaffen, mit der wir auch in der Lage sind, große Kunden zu bedienen. Wir haben inzwischen knapp 40 Mitarbeiter und sind 3 Berufsträger. Ein Kollege bereitet sich aktuell auf die Steuerberaterprüfung vor – mit einer solchen Basis, kann man mit ruhigem Gewissen auch an große Projekte gehen, die ich alleine nicht hätte stemmen können. Der zweite große Vorteil ist bei der Partnerschaft mit einer größeren Kanzlei, die höhere Anzahl an Weiterempfehlungsmöglichkeiten bei zufriedenen Mandaten. Somit verschafft uns das die Möglichkeit, eine größere Bekanntheit auf dem Markt aufzubauen und die Leute für das Thema Digitalisierung zu sensibilisieren.

Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter mit digitalen Lösungen zu arbeiten?

Meine Mitarbeiter lieben die ortsungebundene Arbeit mit digitalen Lösungen. Zum einen können unsere Mitarbeiter viel häufiger und unproblematischer als in anderen Kanzleien von zu Hause arbeiten und zum anderen erhalten meine Mitarbeiter in der Regel mehr Geld als in Ihren alten Kanzleien. Durch die Optimierung der Abläufe durch die digitalen Lösungen ist eine deutlich effizientere Arbeit mit entsprechend höheren Deckungsbeitrag möglich. So gesehen, eine klare Win-Win-Situation für die Kanzlei und für die Mitarbeiter.

Zum Autor

Thorsten Hesse

Thorsten Hesse ist nach seinem betriebswirtschaftlichen Studium und ersten beruflichen Stationen im Marketing und der Beratung seit 1994 bei DATEV tätig. Als Kanzleiberater und Gründungscoach unterstützt er Steuerberatungskanzleien als Trainer, Vortragsredner und Autor bei den Themen Strategie, Marketing und Vertrieb. Herr Hesse ist zudem zertifizierter DISG-Trainer und Lehrbeauftragter an der Hochschule München.

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