Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) hatte zum Deutschen Steuerberaterkongress geladen, diesmal wieder nach Berlin. Es kamen hochrangige Finanzrichter, Verwaltungsbeamte, Hochschulprofessoren, Bundestagsabgeordnete und natürlich die Angehörigen der steuerberatenden Berufe, insgesamt konnte der Veranstalter über 1.400 Teilnehmer vermelden. Veranstaltungsort war, zum wiederholten Mal, das im Botschaftsviertel gelegene klassisch elegante Maritim.
Die Veranstaltung wurde vom Präsidenten der BStBK Dr. Raoul Riedlinger eröffnet. Die Deregulierungsbestrebungen der EU prägen nach seiner Einschätzung die derzeitigen berufsrechtlichen Diskussionen. Als Erfolg kann der Berufsstand das EuGH-Urteil zum sogenannten „Steuerberater-Privileg“ und das zu erwartende Ende des gegen die Bundesrepublik Deutschland laufenden Vertragsverletzungsverfahrens zur Steuerberatungsvergütungsverordnung verbuchen. Bei den zur Digitalisierung laufenden Gesetzesvorhaben mahnt Riedlinger an, dass auch Steuerpflichtige und nicht nur deren Berater von den Vorteilen der technischen Neuerungen profitieren müssen, nicht nur die Finanzverwaltung. Als Beispiel nannte er die Bescheidrückübertragung mit Abweichungsanalyse und das rechtssichere ersetzende Scannen. Lobend äußerte er sich zu den gewählten Verfahrensschritten. „Das Zusammenspiel der Gesetzgebungsorgane wurde gerade bei dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens idealtypisch umgesetzt. Für die Reform des Erbschaftsteuergesetzes forderte Riedlinger von der Bundesregierung eine handhabbare und vollziehbare Regelung.
Zum Abschluss seiner Eröffnung überreichte er einem sichtlich gerührten Dr. Vinken, langjährigerPräsident der BStBK, den Goldenen Ehrenring der BStBK. Die höchste Auszeichnung, die die Kammer zu vergeben hat. Neben Riedlinger hatte auch Dr. Matthias Kollatz-Ahnen als Senator für Finanzen Berlin seinen ersten Auftritt bei einem von der BStBK veranstalteten Kongress. In seinem Grußwort beschränkte er sich nicht auf Höflichkeitsfloskeln sondern nahm fundiert Stellung zu derzeit laufenden steuerrechtlichen Großprojekten wie Erbschaftsteuerreform, Grundsteuerreform, Investmentbesteuerung, Sonderabschreibungen Wohnungsbau und Automatisierung. Den Steuerberater bezeichnete er als wichtiges Bindeglied zwischen Steuerpflichtigen und Verwaltung.
Informationsaustausch und Datenschutz
Besondere Beachtung fand das Grußwort von Prof. Dr. Rudolf Mellinhghoff. Der Präsident des Bundesfinanzhofs bedauerte die zunehmende Tendenz der Medien, jede Form der Steuergestaltung als Steuermissbrauch zu bezeichnen. In früheren Zeiten galt eher das Gebot, jede Möglichkeit zum Steuerparen zu nutzen. Heute werden ethish-moralische Werte gefordert. Das Bewusstsein der Bevölkerung änderte sich. Was einmal als Kavaliersdelikt bezeichnet wurde, wird nicht mehr toleriert. Die breite öffentliche Debatte führt seit erst etwa fünf Jahren zu konkreten Maßnahmen gegen die sogenannte aggressive Steuerplanung. Dazu hat die OECD mittlerweile Vereinbarungen mit über 100 Ländern geschlossen, um einen automatischen Informationsaustausch zu erreichen. BEPS (Base Erosion and profit shiftig) ist ein wichtiges Projekt in diesem Zusammenhang.
Mellinghoff mahnte an, bei allen Maßnahmen rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Maßstäbe nicht außer Acht zu lassen. Insbesondere beim Datenaustausch zwischen den Ländern müssen die richtigen Maßstäbe gefunden werden. Spektakuläre Einzelfälle schüren Vorurteile und tragen nicht zur Problemlösung bei. Häufig tragen auch die Staaten zur Verlagerung des Steuersubstrats bei. Als Beispiel nannte er Luxemburg, dessen Regierung nichts gegen agressive Steuergestaltungen im eigenen Lande unternommen hatte, obwohl die Finanzverwaltung formell von der Europäischen Union unterrichtet worden war. Obwohl es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt ist, wirtschaftliche Verhältnisse so einzurichten, um Steuern zu sparen, führt die öffentliche Diskussion zu großer Rechtsunsicherheit bei allen Beteiligten. Die Vielzahl unterschiedlicher Regelungen führt zudem zu hohen Herausforderungen für jeden international tätigen Steuerberater. Die vielfältigen Regelungen sind nicht aufeinander abgestimmt, fehleranfällig, nicht nachvollziehbar und kaum administrierbar.
Beim geplanten länderübergreifenden Datenaustausch drohen Verletzungen des Datenschutzes. Insbesondere die USA, Kanada und China weigern sich Abkommen zu unterzeichnen, welche den Datenschutz gewährleisten. Mellinghoff begrüßte ausdrücklich den Vorschlag der Bundesregierung, der sich gegen die weitgehende geplante Veröffentichung von Steuer- und Unternehemnsdaten richtet.
Im Sommer dieses Jahres wird sich Prof. Mellinghoff in einem für das DATEV magazin verfassten Beitrag zum Vortragsthema äußern.
Zusammenarbeit zwischen Verband und Kammer
Der Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V., Berlin, Harald Elster betonte in seinem Grußwort die gemeinsamen Projekte und Erfolge von Verband und BStbK. Insbesondere die „Offensive Mittelstand“ führte zu einer Stärkung der deutschen Wirtschaft. Aber auch für die Fortentwicklung der Beratungsbefugnis, für Deregelierung und die Beibehaltung der Steuerberatervergütungsverordung treten Verband und Kammer gemeinsam ein. Dass die drohende Kriminalisierung der Steuerpflichtigen durch berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen verhindert werden konnte, sieht Elster als großen gemeinsam geschafften Erfolg. Auch die Zusammenarbeit beim Gesetzentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, insbesondere die Fristenregelungen“ war aus seiner Sicht vorbildlich. Ausdrücklich dankte er dem anwesenden MdB Meister (CDU) und dem Bundesfinanzminister Dr. Schäuble.
Als große Ehre betrachtete es ETAF Präsident Philippe Arraou, erstmals auf dem Kongress der BStBK sprechen zu dürfen. Im Fokus seines Grußwortes stand Europa. „Europa sind wir“. Es ist sinnlos, sich über Europa zu beklagen, wenn wir uns nicht beteiligen. Ausdrücklich dankte Arraou Deutschland für seine Integrationsbestrebungen. Der Integrationsmotor klemmt, die Bürger verstehen nicht mehr, woran sie sind. Die Steuerberater sind aufgefordert, in die Bresche zu springen und ihren Teil zum Aufbau beizutragen. Sein Fazit „Es lebe das gemeinsame Steuerrecht, es lebe Europa“ brachte im großen Beifall ein.
Anschließend wurde Frau Dr. Daniela Hess für ihre außergewöhnliche wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Internationalen Besteuerung ausgezeichnet. Ihre Dissertation über „Internationale M&E-Transaktionen zwischen USA und Deutschland , Asset und Share-Deal“ verhalfen ihr zum „Förderpreis Internationales Steuerrecht“ der BStbK.
Flüchtlingskrise – Integration – Risiken und Chancen
Keine steuerrechtlichen sondern gesellschaftliche Fragen behandelte Prof. Dr. Armin Nassehi, Lehrstuhl für Soziologie an der Ludwig-Maximiliansuniversität München mit seinem „sozialwissenschaftlich kontaminierten“ Vortrag zur aktuellen Flüchlingssituation. In der öffentlichen Diskussion stehen sich zwei Pole unversöhnlich gegenüber: Grenzöffner und Grenzschließer. Aus seiner Sicht tut die Bayerische Politik genau das Richtige, redet aber nicht darüber.
Ursächlich für die Flüchtlingskrise sind Globalisierung und Weltunordnung. Deutschland ist traditionell ein Einwanderungsland. Auch die Einwanderungen im vorherigen Jahrhundert (ca. 20 Mio Einwanderer) liefen nicht konfliktfrei ab. Probleme gab es aber nicht mit der ersten Generation der Einwanderer sondern fast ausschließlich mit der zweiten und dritten Generation. Die Integrationserfolge hatten sich nicht mit Steuerung durch die Politik eingestellt, sondern „von selbst“, wobei die Gesellschaft die erforderliche integrative Kraft entwickelt hat. Als großes Problem sieht Nassehi die „unsichtbaren“ Parallelstrukturen, die man in Deutschland in der Vergangenheit nicht gesehen hat oder wollte. Solche Gruppen (oft von Arabien aus gestaltet) haben sich in den Großstädten in Deutschland unmerklich entwickelt. In anderen Ländern gibt es sie seit Längerem, beispielsweise in New York (Little Italy, China Town). Die Kulturen sind abgeschottet. Für einen sozialen Aufstieg ist Bildung das sicherste Medium. Mit aktiver Integration beschäftigen sich in Deutschland derzeit am meisten die Kirchen und die Industrie- und Handelskammern.
Nassehi mahnt eine aktive Einwanderungspolitik an, die sich mit den schwierigen Fragen beschäftigt (Parallstrukturen, Wer darf kommen?).
Steuerpolitik in Zeiten Digitalisierung und Globalisierung
Der Höhepunkt des ersten Veranstaltungstages war der Auftritt von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble. Gekonnt fuhr er, nun zum sechsten Mal, mit seinem Rollstuhl sicher die Rampe zur Bühne hinauf. Gut gelaunt und routiniert äußerte er sich zu steuerpolitischen Themen.
Zunächst wehrte er sich gegen den Vorwurf, der Bund stelle zuwenig Geld für den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung. Der Engpass sind nicht die Bundesmittel selbst sondern deren zögerlicher Abfluss aufgrund rechtlicher Komplexitäten. Derzeit sieht Schäuble keinen Spielraum für Steuererhöhungen oder –senkungen. Erst in der nächsten Regierungsperiode werden Steuersenkungen möglich sein. Einen ausdrücklichen Dank richtete Schäuble an die BStBK für deren konstruktive Mitarbeit am Modernisierungsgesetz. Sie sei kein Interessenvertreter sondern ein Vertreter des Gemeinwohls.
Der Finanzminister kritisierte die EU-Kommission für ihre Pläne zur Veröffentlichung von Unternehmensdaten und warnte vor übertriebener Transparenz. Es sei gefährlich, mit der Transparenz zu übertreiben. Im Mittelalter habe man die Leute an den Pranger gestellt. Heute nenne man das Transparenz. Der Kampf gegen Steuertricks international tätiger Konzerne werde durch ein Übermaß an Transparenz sogar behindert. „Vollständige Transparenz ist das Gegenteil von hinreichender Effizienz“. „Deswegen werden wir alles tun, um diesen Weg nicht weiterzugehen“.
Der Finanzminister warnte vor einem Scheitern der Erbschaftsteuerreform. Sollte die Besteuerung von Unternehmenserben nicht wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt bis zum 30.06.2016 neu geregelt werden, drohe weitere Verunsicherung. Er hofft aber immer noch, dass der Gesetzgeber dazu in der Lage ist. „Eigentlich sind die Arbeiten fertig. Jetzt müssten nur noch die Parteivorsitzenden sich irgenwie einigen“.
Über die Abschaffung der umstrittenen Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge kann nachgedacht werden. Allerdings müssen nach Meinung des Finanzministers die Unternehmenssteuern auf den Prüfstand gestellt werden. In einer globalisierten Wirtschaft sollte ein großes Maß Skepsis gegenüber einer Substanzbesteuerung bestehen. Darüber müsse man sorgfältig nachdenken, sagte Schäuble mit Blick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen und Investitionen. Andere Länder tendieren dazu, die Substanzbesteuerung abzuschaffen.
An die Banken richtete Schäuble den Appel „Ihr müsst nicht alles machen, was vielleicht machbar ist“. Insbesondere die Cum-Ex-Geschäfte sind rechtswidrig und die Cum-Cum-Geschäfte zumindest fragwürdig. Auch an die Steuerberater richtete er die Warnung, da das Ausreizen sämtlicher Möglichkeiten letztlich zur Selbstzerstörung führt. Einen Seitenhieb auf die Länderpolitik konnte Schäuble sich nicht verkneifen: Einig sind sich die Länder nur, wenn es darum geht, Forderungen an den Bund zu richten.
Beliebte Anlaufstelle
Auch dieses Jahr war der DATEV-Messestand wieder der Anlaufpunkt für zahlreiche gute Bekannte aus dem Berufsstand. Hier konnten die Kontakte zu den Kammer-Funktionären und manche Kundenbeziehung gepflegt werden. Aber auch die Konditionen für neue Mitglieder wurden häufig nachgefragt – ein gutes Zeichen für zukünftige Geschäfte. An den vier DATEV-Arbeitsplätzen ließen sich die Kunden zu den DATEV-Produkten und dem Angebot von Teletax und Telelex beraten.
Eldorado für den Berufsträger
Die folgenden eineinhalb Veranstaltungstage waren geprägt von hochkarätig besetzten Arbeitskreisen und Workshops. Behandelt wurden Aktuelles aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung, internationale Steuerplanung für KMU, Brennpunkte im Umsatzsteuerrecht, Businessmodelle der Steuerberaterkanzlei, das neue Verfahrensrecht, um nur einige Themen zu nennen.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Veranstaltung sich mit beeindruckenden Referenten und komplexen Themen als Eldorado für den am Steuerrecht interessierten Praktiker (und Theoretiker) präsentiert hat. Nicht umsonst ist das DATEV magazin bei solchen Veranstaltungen dabei. So haben wir schon viele Referenten als Autoren gewinnen können, die spannend und qualifiziert für den Berufsstand schreiben.
Fotos: Bundessteuerberaterkammer