Nach Einführung des Mindestlohns in der Leiharbeit greifen immer mehr Unternehmen auf Werkvertragsarbeit zurück und nutzen dabei Scheinwerkverträge, die faktisch aber eine Form der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung sind.
Seitdem Gesetzgeber und Rechtsprechung die Leiharbeit erschwert haben, setzen Arbeitgeber wieder verstärkt auf Werk- und/oder Dienstverträge. So kommen in deutschen Betrieben – fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit – neben Leiharbeitnehmern zunehmend auch vermeintlich externe Werkvertragsarbeitnehmer zum Einsatz. Anstatt das Personal selbst einzustellen oder weiter zu beschäftigen, werden Dritte (Firmen oder Einzelpersonen) beauftragt, bestimmte Arbeiten zu erledigen. Vielfach werden diese Vertragsformen missbräuchlich verwendet – die Selbstständigkeit der Firmen oder Personen besteht nur zum Schein.
Scheinwerkverträge
Zu prüfen ist, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert sind und von diesem arbeitsvertragliche Weisungen erhalten.
Tatsächlich wird das Instrument Werkvertrag in der betrieblichen Praxis insoweit missbraucht, weil der Einsatz von Fremdarbeitskräften im eigenen Unternehmen betriebswirtschaftlich kaum sinnvoll auf Werkvertragsbasis organisiert werden kann. Dennoch bieten nicht wenige Berater ihren Mandanten vermeintlich rechtssichere Vertragsgestaltungen an, die jedoch in Wirklichkeit einem Damoklesschwert mit zum Teil massiven straf- und bußgeldrechtlichen Gefahren sowie finanziellen Risiken gleichen. Die Auslagerung von Arbeiten auf Fremdfirmen wird jedenfalls von der Justiz zunehmend als Scheinwerkvertrag und damit rechtlich als unerlaubte Arbeitnehmerüberlassungen angesehen – mit der Folge, dass die Unternehmen die betroffenen Arbeitnehmer in ihren Betrieb eingliedern müssen [Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg – Urteil vom 1.8.2013 (2 Sa 6/13); LAG Hamm – Urteil vom 24.7.2013 (3 Sa 1749/12)]. Für die Gerichte ist bei der rechtlichen Abgrenzung von Werk- oder Dienstvertrag gegenüber einer Arbeitnehmerüberlassung nicht nur die vertragliche Gestaltung, sondern vor allem auch die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend. Zu prüfen ist, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten eingegliedert sind und von diesem arbeitsvertragliche Weisungen erhalten. Ist das der Fall, gehen die Gerichte selbst dann von einer Arbeitnehmerüberlassung aus, wenn der Vertrag selbst keine derartige Weisungsbindung oder Eingliederung vorsieht. Es kommt also nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen angeblichem Werkunternehmer und Auftraggeber an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich anders gelebt werden.
Abgrenzungsprobleme
Die Abgrenzung ist schwierig, aber nicht unmöglich. Für einen Werkvertrag spricht, wenn etwa Mitarbeiter eines IT-Dienstleisters im Rahmen eines vereinbarten Ticketsystems EDV-spezifische Aufträge von Arbeitnehmern der Drittfirma erhalten und diese Aufträge nach Eröffnung des Tickets tatsächlich bearbeiten. Werden die Beschäftigten des IT-Dienstleisters hingegen von Arbeitnehmern des Dritten außerhalb des Ticketsystems in größerem Umfang direkt beauftragt und erhalten sie unter zeitlich-örtlichen Vorgaben auch personenbezogene Anweisungen, spricht das wiederum für Arbeitnehmerüberlassung. Handelt es sich bei diesen Direktbeauftragungen nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Formen einer durchgehend geübten Vertragspraxis, ist zwingend von einem Scheinwerkvertrag auszugehen.
Fragen zur Beweislast
Will der in einem Drittbetrieb eingesetzte Arbeitnehmer geltend machen, zwischen ihm und dem Inhaber des Drittbetriebs sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen [§ 10 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 9 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)], und ist streitig, ob sein Einsatz im Betrieb aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags oder eines Dienst- bzw. Werkvertrags erfolgt, muss er diejenigen Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ergeben könnte. Er kann sich allerdings nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast zunächst auf die Darlegung solcher Umstände beschränken, die seiner Wahrnehmung zugänglich sind und auf Arbeitnehmerüberlassung hindeuten (Eingliederung, Weisungsstruktur usw.). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, die für das Gegenteil sprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, wonach die Abgrenzungskriterien Eingliederung und Weisungsstruktur auch in der gelebten Vertragsdurchführung werkvertragstypisch ausgestaltet sind.
Gesetzesinitiative
Die Bundesländer wollen nun stärker gegen den Missbrauch von Werkverträgen sowie die Umgehung von arbeitsrechtlichen Verpflichtungen vorgehen. In einem am 20. September 2013 beschlossenen Gesetzentwurf schlagen sie entsprechende Änderungen des AÜG sowie des Betriebsverfassungsgesetzes vor. So soll gesetzlich geregelt werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über den beabsichtigten Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten zu unterrichten. Der Gesetzentwurf wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der Bundesregierung zugeleitet, die ihn innerhalb von sechs Wochen an den neuen Bundestag weiterleiten muss. Mit einer Novelle der genannten Gesetze ist somit in der anstehenden Legislaturperiode zu rechnen.