Vermeidung von Stress und fahr­lässigen Fehlern - 27. November 2014

Work smart, not hard

In unserer schnell­lebigen Zeit ver­lieren wir schon mal die Orien­tie­rung und lassen uns von ge­stie­ge­nen An­for­de­run­gen treiben. In letzter Kon­se­quenz drohen dann nicht nur uns Nach­teile, bis hin zum Burn-out, sondern auch unseren Kunden. Und doch stellt uns der Aus­stieg aus dem Ham­ster­rad vor nahezu unlösbare Probleme.

Unsere Umwelt lobt uns Freiberufler mehr für ein möglichst pausenloses Zwölf-Stunden-Programm als für die darin erzielte Leistung. Ganz nach dem Motto: Viel hilft viel. Ein geeignetes Sensorium, Leistung und Effektivität zu erkennen und in unsere Einschätzung einzubeziehen, scheint uns zu fehlen. Jedenfalls auf den ersten Blick. Doch mir scheint, mit solch schlichter Logik machen wir es uns zu einfach. Eine Atmosphäre pausenloser Hektik beweist nicht, dass hart, sondern nur, dass völlig falsch gearbeitet wird (vgl. Süddeutsche Zeitung Nr. 126 vom 3. Juni 2014: „Mach mal Pause“). Und das wissen wir alle. Genauso, dass die Produktivität unter Pausenlosigkeit so leidet wie die Fehlerquote steigt. Aber auch unabhängig von der Einschätzung unseres Umfeldes fühlen wir uns selbst – besonders als Freiberufler – erst dann richtig gut, wenn Termin- und Zeitdruck unseren Tag bestimmen. Wer von Hektik getrieben wird, ist gut im Geschäft, oder? Einen ausgefüllten Tag nennt man das wohl auch.

Ralph Binder plant immer an­­ge­mes­se­ne Er­ho­lungs­­­pausen in seinen Ar­beits­­­all­tag ein:
„Der Stress­­­fak­tor sinkt da­­durch er­heb­­­lich. Der Ge­schäfts­­­erfolg nicht.“

Diesem moralisch aufgeladenen Ver­ständ­nis von Arbeit und Leis­tung hat die For­schung längst Paroli zu bieten gesucht: Fünf bis zehn Minuten Pause jede Stunde em­pfeh­len Fach­leute, um Leis­tungs­fähig­keit und Ge­sund­heit zu er­hal­ten. Es geht also um Or­gani­sa­tions­fragen, genauer: um Selbst-Or­gani­sa­tion. Diese bei uns allen vor­han­dene Er­kenn­tnis ist es, die uns wirk­lich daran hindert, der Hektik zu be­ge­gnen, nicht feh­len­des Sen­so­rium für Ef­fek­ti­vi­tät. Es ist so viel einfacher, die Ar­beits­zeit statt das Ar­beits­er­geb­nis zu messen. Schiere ge­dank­liche Be­quem­lich­keit treibt uns so in die Arme der Hektik.
Also doch lieber: Work smart, not hard? Nicht, wenn wir uns des gesellschaftlichen Druckes nicht zu erwehren lernen, der hinter dieser Fehleinschätzung steht. Zu jenem Druck trägt die Übergriffigkeit des Arbeits- in das Privatleben maßgeblich bei. Eine möglichst flächendeckende und permanente Verfügbarkeit ist in den beratenden Berufen zuerst zum Coolness- und danach zum Wettbewerbsfaktor geworden. Wer dies beklagt, flüchtet sich zur Demonstration der eigenen Machtlosigkeit gegenüber den Kräften des Wettbewerbs gerne ins Passiv und spricht von der Freizeit, die vom Arbeitsleben in Beschlag genommen wird. Auch das eine Verharmlosung.

 
Richtig verstanden, beruht diese Über­grif­fig­keit schlech­ter­dings auf unserer eigenen Hand­lungs­weise. Wir selbst nehmen mit unserem kruden Leis­tungs­ver­ständ­nis unsere private Zeit in Beschlag. Dem liegen die Sehn­sucht nach Wich­tig­keit und Un­ent­behr­lich­keit der eigenen Person und der Wunsch, mög­lichst etwas zur Un­sterb­lich­keit unseres Selbst bei­zu­tra­gen, zugrunde.
 
Dieser un­er­wünsch­ten Spät­folge der Auf­klä­rung können auch nur wir selbst, jeder für sich, ent­ge­gen­tre­ten und das Ver­hält­nis von Frei- zur Ar­beits­zeit wieder zu­rechtr­en. Es wird Zeit, etwas dafür be­zie­hungs­weise dagegen zu tun. In unserem und im In­te­res­se unserer Kunden. Aus diesem Grund widmete sich die Ar­beits­ge­mein­schaft Kanzlei­ma­na­ge­ment im An­walt­verein (DAV) diesem Thema auf ihrer dies­jäh­rigen Herbst­tagung unter dem Motto „Work smart, not hard“.

AG Kanzleimanagement

AG Kanzleimanagement

Die Arbeitsgemeinschaft Kanzleimanagement im DAV stellt das „Unternehmen Anwaltskanzlei“ in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Sie will den Erfahrungsaustausch zwischen den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten fördern sowie Hilfestellung leisten. Zudem möchte sie eine große Plattform für alle Aktivitäten bilden, die das wirtschaftliche Rückgrat jedes Anwaltsbüros darstellen. In ihr werden alle Themen behandelt, mit denen sich der Anwalt als Unternehmer beschäftigen muss. Das sind nicht nur betriebswirtschaftliche Fragen wie Büroorganisation und Bürotechnik, sondern alle Themen, die die Arbeit der Anwaltschaft beeinflussen. Auch die Struktur der Kanzlei wird hier behandelt.

Zum Autor

Ralph Binder

Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Arbeits- und Erbrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Binder und Partner, Passau, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeits­gemeinschaft Kanzleimanagement im Deutschen AnwaltVerein.

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