Abschlussprüfung in Corona Zeiten - 2. Dezember 2020

Unter erschwerten Bedingungen

Der Ausbruch der immer noch andauernden Pandemie hat das private und berufliche Umfeld der Menschen seit Beginn des Jahres 2020 stark verändert. Die Folgen mit Blick auf die Bilanzierung von Unternehmen sowie die Durchführung der Prüfungen können dabei vielschichtig sein.

Grundsätzlich hat der Abschlussprüfer die Annahmen der gesetzlichen Vertreter zur Unternehmensfortführung unter Beachtung von IDW PS 270 n.F. zu beurteilen. Der Abschlussprüfer sollte sich daher zunächst detailliert damit auseinandersetzen, welche Folgen die Corona-Pandemie für das zu prüfende Unternehmen hat. Mögliche Fragestellungen können dabei sein:

  • Wie haben sich die Umsatzerlöse des Unternehmens entwickelt?
  • Ist das Unternehmen auf staatliche Hilfen angewiesen?
  • Wurden Mitarbeiter entlassen oder wurde Kurzarbeit eingeführt?
  • Sind Restrukturierungen notwendig oder geplant?
  • Bestehen Financial Covenants in Finanzierungsverträgen?
  • Sind die Branche oder wesentliche Kunden beziehungsweise wesentliche Lieferanten durch die Corona-Pandemie beeinflusst?

Für das Unternehmen ergeben sich bei Unsicherheiten in Folge der Corona-Pandemie entsprechende Erläuterungspflichten im Anhang zu den Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie im Lage-, Prognose- sowie Chancen- und Risikobericht, die jeweils durch den Abschlussprüfer zu prüfen sind.

Beurteilung der Going-Concern-Annahmen

Hierbei sind verschiedene Prüfungshandlungen möglich. Zunächst sind die Pläne der gesetzlichen Vertreter, die der Going-Concern-Annahme zugrunde liegen, kritisch zu hinterfragen und durch belastbare Nachweise zu verifizieren. Es ist zu beurteilen, ob das Eintreten beziehungsweise die Umsetzung der Maßnahmen hinreichend sicher ist, wobei stets auf die Aktualität der Annahmen zu achten ist. Es empfiehlt sich daher, kurz vor Erteilung des Testats nochmals eine schriftliche Bestätigung bei den gesetzlichen Vertretern einzuholen, ob sich die Planannahmen geändert haben. Weiterhin sollte eine integrierte Unternehmensplanung für den entsprechenden Prognosezeitraum, bestehend aus Bilanz-, GuV- und Cashflow-Planung, eingeholt und hinsichtlich der zugrundeliegenden Annahmen geprüft werden.

Die Durchführung von Inventurbeobachtungen

In Abhängigkeit vom zu prüfenden Unternehmen kann es notwendig sein, dass der Abschlussprüfer beobachtend an der Inventuraufnahme teilnimmt. Hierdurch soll ein Verständnis über das Vorhandensein, die Vollständigkeit sowie die Beschaffenheit der Vorräte erlangt werden. Aufgrund von möglichen Zugangsbeschränkungen bei den Unternehmen ist eine physische Teilnahme jedoch häufig unmöglich. In diesen Fällen sind alternative Prüfungshandlungen durchzuführen, um geeignete und ausreichende Prüfungsnachweise zu erlangen. Da die Art der Inaugenscheinnahme und Inventurteilnahme berufsrechtlich nicht vorgeschrieben ist, ist es möglich, diese Handlungen mittels Echtzeit-Bildübertragung über ein Smartphone oder einen Tablet-PC durchzuführen, sofern bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Alternativ kann auch die Nutzung von Drohnen in Betracht kommen, sofern sich die Vorräte im Außenbereich befinden. Grundsätzliche Anforderungen an die Nutzung solcher Technologien sind, dass die Bildübertragung vom Abschlussprüfer gesteuert werden kann und eine geeignete Bild- und Tonqualität gewährleistet ist. Die Inaugenscheinnahme von Vorräten und Inventurbeobachtungen durch Einsatz solcher Technologien können jedoch – je nach den Gegebenheiten des Mandanten – mit höheren Risiken hinsichtlich der Verlässlichkeit der Prüfungsnachweise verbunden sein, als eine Inaugenscheinnahme und Beobachtung durch physische Anwesenheit vor Ort. In diesen Fällen wird es erforderlich sein, das Vorratsvermögen mittels alternativer Prüfungshandlungen zu prüfen.

Die Prüfung des internen Kontrollsystems

Die Aufnahme und Prüfung des internen Kontrollsystems eines Unternehmens bildet die Basis der Abschlussprüfung. Infolge der Corona-Krise kann es jedoch sein, dass die implementierten Kontrollen des Unternehmens nicht während des ganzen Jahres wirksam durchgeführt worden sind, was sich entsprechend auf das Kontrollrisiko auswirkt. Mögliche Fragestellungen hierbei sind:

  • Wurden Kontrollmechanismen ins Homeoffice verlagert?
  • Ist eine Funktionstrennung noch in allen Bereichen möglich, wenn Zugriffsrechte verändert wurden?
  • Gab es Änderungen in den Schlüsselkontrollen und wurden gegebenenfalls neue Kontrollmechanismen eingeführt?
  • Kann weiterhin eine ausreichend hohe Sicherheit aus den Kontrollen gewonnen werden?
  • Ist das Fraud-Risiko aufgrund einer negativen Geschäftsentwicklung gestiegen?

Im Rahmen der Abschlussprüfung sollte daher zunächst eine entsprechende Befragung durchgeführt werden, ob es Veränderungen in Bezug auf die bestehenden Kontrollmechanismen gab und wie das Unternehmen sichergestellt hat, dass die beschriebenen Kontrollen „gelebt“ wurden.

Live-Bildübertragung, Web-Meetings und Daten-Fernzugriff

Bei der Prüfung der internen Kontrollen gibt es trotz Zutrittsbeschränkungen mehrere Möglichkeiten, ausreichende Prüfungshandlungen durchzuführen. Möglich ist eine Einsichtnahme im System oder in Unterlagen mittels Echtzeit-Bild-Übertragung, durch das Einscannen von Aufzeichnungen und Zuleitung durch den Mandanten oder durch einen externen Zugriff auf das IT-System des Unternehmens. Notwendige Beobachtungen der von den Mitarbeitern durchgeführten Tätigkeiten können auch mittels Live-Bildübertragung, Videoaufzeichnungen oder Web-Meetings durchgeführt werden. Weiterhin können die Kontrollen mittels Daten-/System-Fernzugriff oder anhand von Datenanalysen nachvollzogen werden. Daneben bietet sich die Teilnahmen an Besprechungen in Form von Videokonferenzen mit den Verantwortlichen im Unternehmen an. Die Möglichkeit, die oben genannten Prüfungshandlungen durchzuführen, hängt immer von den technischen Möglichkeiten des zu prüfenden Unternehmens ab. Es sollte jedoch im Interesse des Abschlussprüfers liegen, trotz etwaiger Zutritts- und Kontaktbeschränkungen, angemessene und ausreichende Prüfungsnachweise zu erlangen, da die Anforderungen an die Prüfungsdokumentation nach IDW PS 460 n.F. weiterhin gelten.

Fazit

Anhand der dargestellten Prüfungsschritte wird deutlich, dass die Abschlussprüfung aufgrund der Corona-Pandemie mitunter deutlich aufwendiger und zeitintensiver werden kann. Zudem können sich unterschiedliche Folgewirkungen für den Jahresabschluss sowie den Lagebericht ergeben, die durch den Abschlussprüfer zu prüfen sind. Es sollte daher frühzeitig bereits im Vorfeld einer Prüfung mit dem Unternehmen abgesprochen werden, welche Einschränkungen bei dem zu prüfenden Unternehmen zu erwarten sind und welche Prüfungshandlungen möglich sind. Ebenso kann der geänderte Prüfungsprozess zu höheren Kosten für den Abschlussprüfer führen, was eine Honoraranpassung zur Folge haben kann.

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Die DATEV Arbeitspapiere Referenzmodell unterstützen Sie mit speziellen Fragestellungen, die Auswirkungen zu COVID-19 transparent zu dokumentieren. Diese Feststellungen werden innerhalb der Arbeitspapiere weitergeleitet und helfen Ihnen bei der Ableitung der risikoorientieren Prüfungsstrategie und bei der Berichtsschreibung.

Ausblick: Die Broschüre Wirtschaftsprüfung in der Praxis 01/2021 (Artikel-Nr.: 31290, Versand Ende Februar) behandelt schwerpunktmäßig die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Abschlussprüfung.

Zum Autor

PJ
Philipp Jahn, M.A.

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und CVA sowie Partner der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München. Er ist schwerpunktmäßig in der Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen nach HGB und IFRS von mittelständischen sowie international ausgerichteten Unternehmensgruppen tätig. Daneben begleitet er regelmäßig Unternehmenstransaktionen sowie Börsengänge und führt Unternehmensbewertungen durch.

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