Ein neues Gesetz zu den Finanzdienstleistungen soll dafür sorgen, dass der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnt. Tatsächlich aber treffen die nun geltenden Regeln vor allem kleine und mittelständische Berufsträger, die mit dem zugrunde liegenden Vorfall absolut nichts zu tun hatten.
Das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) ist Folge eines individuellen Versagens der Berufsträger einer Prüfungsgesellschaft sowie der staatlichen Aufsichtsorgane für Dax-Konzerne. Nun könnte man sich damit abfinden und sagen: „Geschieht dem Berufsstand ja recht, wieder einmal ist eine Erwartungslücke entstanden, die der Gesetzgeber schließen musste.“ Tatsache ist aber, dass mit den neuen Vorschriften in erster Linie nicht die Verursacher des Vorfalls getroffen werden, sondern sich der gesamte Berufsstand, auch der kleinen und mittelständischen Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer, erheblich verschärften Straf- und Haftungsvorschriften ausgesetzt sieht. Vor allem die Anwendung eines zehnjährigen Rotationsprinzips wird im Bereich kleiner und mittelständischer Prüfer zu Mandatsverlusten führen. Wir empfinden das als eine Art Enteignung von Mandaten, für die wir über viele Jahre hinweg ein vertrauensvoller Ansprechpartner waren. Als mittelständische Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wollen wir uns diesen Schuh nicht anziehen – wir müssen anders als die Verursacher des gemeinhin bekannten Vorfalls bei unseren Mandanten und der Öffentlichkeit kein verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Wir haben auch nicht die Möglichkeit, Mandatsverluste im Rahmen des Rotationsprinzips zu kompensieren, wie das bei großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung der Fall ist. Im Ergebnis hat der Gesetzgeber nicht mit Augenmaß gehandelt, sondern quasi per Schnellschuss undifferenzierte Vorschriften und Regeln auf den Weg gebracht. Die deutlich ausgeweiteten zivilrechtlichen Haftungssummen für einfache und grobe Fahrlässigkeit, wie sie nun in § 323 Handelsgesetzbuch (HGB) verankert sind, waren bei großen Gesellschaften, die Dax-Konzerne und PIE-Unternehmen betreuen, längst die Regel beziehungsweise eingepreist. Bei mittelständischen Wirtschaftsprüfern führen sie zu einer deutlichen Erhöhung der Versicherungsprämien und einem Anstieg der Kosten, was kaum auf deren Mandanten umgelegt werden kann. Die verschärften Haftungsregelungen des § 323 HGB bei betriebswirtschaftlichen Prüfungen, etwa nach Umwandlungs- oder Aktiengesetz, führen also in erster Linie beim mittelständischen Wirtschaftsprüfer zu einer massiv erschwerten Auftragslage.
Kritische Grundhaltung
Durch das FISG wurde zudem die sogenannte Kritische Grundhaltung, bisher berufsrechtlich erwartet, nun auch in der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) gesetzlich kodifiziert (§ 43 Abs. 4 WPO). Das hat eine neue, andere Qualität, die in Richtung forensische Grundhaltung geht und dazu führt, dass beispielsweise auch bei langjährigen Mandanten, bei denen es keinerlei negative Vorfälle gab, nun ein stetiges Inbetrachtziehen von unrichtigen Darstellungen durch Irrtümer oder vorsätzliche dolose Handlungen erfolgen muss. Damit bezweckt man, dem Wirtschaftsprüfer bei einem Haftungsfall leichter einen rechtlichen Verstoß nachweisen zu können. Letztlich aber wurde die Messlatte für kleine und mittelständische Prüfer höher gelegt, obgleich das nicht notwendig gewesen wäre, weil bei uns ja bisher schon ein risikoorientierter Prüfungsansatz galt. Im Ergebnis wird dadurch das Vertrauensverhältnis zu unseren Mandanten unnötig belastet.
Konsequenzen in der Praxis
Vertrauen gewinnt man nicht dadurch zurück, dass man Haftungsregeln für Wirtschaftsprüfer verschärft und neue Tatbestände schafft – dies führt gewollt oder ungewollt nur zu einer Verdrängung von kleineren Prüfern aus dem Markt. Für diese wird es bald nicht mehr zumutbar beziehungsweise attraktiv sein, noch Prüfungsmandate anzunehmen. Außerdem ist es nicht die Aufgabe des Wirtschaftsprüfers, Auftraggeber mit krimineller Energie zu ermitteln und ihrer gerechten Strafe zuzuführen – dafür hat unser Staat andere Institutionen und Einrichtungen. Insoweit ist bemerkenswert, dass für die staatlichen Aufsichtsorgane, die bei besagtem Vorfall involviert waren, wie etwa die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), nun deutlich weniger strenge Maßstäbe ohne persönliche Haftung für eigenes Versagen zur Anwendung kommen als für unseren Berufsstand. Aber sowohl die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) als auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) konnten sich im Rahmen der Gesetzgebung nicht das nötige Gehör verschaffen. Das ist mehr als bedauerlich, weil das nun geltende FISG – da sind sich alle Interessenvertreter des Berufsstands einig – den Wirecard-Skandal auch nicht hätte verhindern können.
Fazit
Das FISG ist ein reines Haftungsverschärfungsgesetz. Es sollte eigentlich die Prüfer kapitalmarktorientierter Unternehmen (PIE) reglementieren, nimmt in seiner Ausgestaltung jedoch den gesamten Berufsstand in Haftung, also auch diejenigen Berufsträger, die sich in der Vergangenheit nichts zuschulden kommen ließen. Das neue Gesetz führt zu einer weiteren Konzentration des Prüfungsgeschäfts zulasten kleiner und mittelständischer Prüfer, bedingt durch das Rotationsprinzip, das vor allem im Bereich Finanzdienstleistungen (Leasing und Factoring) negative Auswirkungen hat. Eine Folge der verschärften Haftungsregeln sind höhere Versicherungsprämien, die kleine und mittelständische Wirtschaftsprüfer viel stärker treffen als die Prüfer großer Gesellschaften. Die gesetzlich kodifizierte Kritische Grundhaltung führt schließlich zu einer forensischen Ausrichtung der Prüfung, die den Auftraggeber unter präventiven Generalverdacht doloser Handlungen stellt. Für Mandatsverhältnisse im überwiegend inhabergeführten Mittelstand ist das schlichtweg eine Zumutung. So fällt einem zum FISG nur eines ein: vielleicht gut gedacht, aber sicher schlecht gemacht. Wirecard-Skandal auch nicht hätte verhindern können.
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