Bargeldintensive Unternehmen - 27. August 2020

Eskalation der Maßnahmen

Da die Kassensysteme trotz aller gesetzlichen Verschärfungen immer noch manipulierbar sind, steht vor allem die Gastronomie weiterhin im Fokus der Finanzbehörden. Bei konkretem Anfangsverdacht kann aus einer Betriebsprüfung dann schnell eine Steuerfahndung werden.

Die Prüfung bargeldintensiver Betriebe steht seit einigen Jahren im Mittelpunkt von Betriebsprüfungen. So sollen nach der 2. Kassenrichtlinie vom 26. November 2010 alle Kassen – spätestens nach der Übergangsfrist für nicht mehr technisch aufrüstbare Kassen bis zum 31. Dezember 2016 – fiskalisiert sein. Das bedeutet, dass alle Kassen jede einzelne Buchung unlöschbar festschreiben. Muss doch noch einmal korrigiert werden, ist der gebuchte Umsatz nicht einfach zu stornieren, sondern es wird eine entsprechende Stornobuchung ihrerseits festgeschrieben. Damit ist jeder einzelne, gebuchte Umsatz unlöschbar im Kassenjournal enthalten. Die Betriebsprüfer sammeln einzelne Belege, die sie entweder von Kollegen bekommen oder aber selbst während eines Restaurantbesuchs erhalten haben. Im Rahmen einer Kassennachschau oder bei einer Betriebsprüfung wird überprüft, ob diese einzelnen Umsätze noch vorhanden oder ob sie verschwunden sind. Da jeder Umsatz für sich festgeschrieben sein muss, sollte er bei der Prüfung auch noch vorhanden sein. Wegen der Einzelaufzeichnungsverpflichtung nach § 146 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) muss daher jedes Glas Cola oder Wasser, jedes Bier und jede Pizza, die gebucht wurde, natürlich auch noch Jahre später in den Umsatzlisten enthalten sein. Geht der Betriebsprüfer also beispielsweise für ein Probeessen in ein Restaurant, bestellt dort eine Cola und eine Pizza und hebt den Kassenbon auf, muss dieser Umsatz natürlich auch noch Jahre später im Kassenjournal mit den Angaben genau für diesen Tag und genau zu dieser Uhrzeit noch vorhanden sein. Fehlt er, stimmt etwas nicht. Dann muss er nachträglich gelöscht worden sein.

Manipulationsprogramme

Die Kassenprogramme lassen eine Löschung eigentlich nicht zu. Jedoch gibt es Kassenmanipulationsprogramme, mit denen die Kassenjournaldaten verändert werden können.

Diese Manipulationsprogramme, sogenannte Zapper, werden nicht von den originären Kassenherstellern oder Kassenaufstellern vertrieben, sondern sind Programme auf Sticks, die aus Russland, China oder sonst wo her – vielleicht auch vom kleinen Programmierer hier um die Ecke – für ein paar Hundert Euro bis zu ein paar Tausend Euro zu erhalten sein sollen. Findet also der Betriebsprüfer seinen Umsatz nun gemäß seines Kontrollmaterials, seines eigenen Kassenbons oder dem des anderen Finanzbeamten, den er bekommen hat (derartige Bons werden im Finanzamt in aufgestellten Sammelboxen gesammelt) nicht, spricht dies für eine Manipulation. Er wird in der Journal-Datei diese Stelle, an der jener ursprüngliche Umsatz stand, besonders genau untersuchen. Wie reagiert die ursprüngliche Buchungsliste auf nachträgliche Veränderungen? Gibt es hier Einträge oder Auffälligkeiten? Wenn also der Kontrollkassenbon beispielsweise vom 10. Mai 2017, 20:35 Uhr, stammt, stellt sich die Frage, ob man erkennen kann, dass an dieser Stelle manipuliert wurde? Sind hier Auffälligkeiten zu erkennen, wird der Prüfer klären, wie häufig diese Auffälligkeiten sonst noch vorkommen beziehungsweise nicht auch an weiteren anderen Stellen manipuliert wurde.

Abgrenzungsprobleme und Fehlinterpretationen

Die EuCaSoft Kassen haben zumindest bis zu einer bestimmten Versionsnummer Zwischenschritte erfasst, die aussehen wie Manipulationen, aber keine sind. Da sind auf einmal Leerbuchungszeilen im Journal, die den Betriebsprüfer natürlich stutzen lassen. Sind das nachträgliche Manipulationen? Sind hier Umsätze illegal storniert worden oder handelt es sich um einen regulären Umzug von Tisch zu Tisch? Denkbar ist, dass Gäste von einem Tisch auf einen anderen umziehen, wobei der Umsatz dann mit umgebucht wird und die Kasse für diesen Umzug sowie die Leerung des alten Tisches, für den es ja keinen Umsatz gibt, automatisch eine Nullzeile einbucht. Ein solcher Vorgang kann naturgemäß zu einer Verwirrung beim Prüfer führen.

Oder wenn an einem Tisch ein Pärchen getrennt bezahlt und die Rechnung dann entsprechend gesplittet werden muss. Wenn hier der eine Kunde am Tisch sitzen bleibt, während beim anderen kassiert wird, muss man die Speisen und Getränke für den einen Gast gedanklich auf einen anderen Tisch umziehen, wo sie dann abgerechnet werden. In Wirklichkeit aber ist der Gast nie umgezogen, sondern immer an demselben Tisch sitzen geblieben, er wollte nur eine getrennte Rechnung haben. Auch in einem solchen Fall vergibt das Kassensystem zeitweise eigene Nummern, die natürlich aus steuerlicher Sicht inhaltsleer sind, aber für das Splitting der Rechnung benötigt werden. Auch derartige Leerzeilen könnten als nachträgliche Löschungen fehlinterpretiert werden. Für zahlreiche andere Schritte im Kassensystem sind immer wieder vorübergehende Zwischenschritte erforderlich, sodass hier Nullzeilen vorhanden sind, die jedoch keine Manipulationen darstellen. Wenn derartige Nullzeilen in einem angemessenen Verhältnis zu den gebuchten Umsätzen stehen, spricht nichts für eine Manipulation. Gleichwohl missverstehen manche Prüfer solche Nullzeilen als Beweis einer Manipulation und schon wird aus einer Betriebsprüfung ein Anfangsverdacht, der an die Steuerfahnder gemeldet wird mit dem Hinweis, es sei manipuliert worden und die Steuerfahndung müsse das Manipulationsprogramm suchen.

Von der Prüfung zur Steuerfahndung

Schnell wird hier aus einer normalen Betriebsprüfung eine Fahndung mit entsprechender Durchsuchung. Aus Sicht des Prüfers, der einen Anfangsverdacht bejaht und will, dass der Stick mit dem Manipulationsprogramm gefunden wird, ist das eine schwierige Situation. Schließlich kann er den Steuerpflichtigen ja schlecht auf seinen Verdacht ansprechen, weil dieser den Stick dann sicherlich verschwinden lassen würde. Der Steuerpflichtige jedoch ist in einer noch viel schwierigeren Situation, wenn auf einmal bei ihm während der üblichen Geschäftszeiten mit Kunden eine Reihe von Steuerfahndern (15 bis 20 Personen) auftauchen, alles lahmlegen, die Kunden mehr oder weniger hinauskomplimentieren und alles durchsuchen, alles beschlagnahmen und meistens auch die Kassensysteme sowie die angeschlossenen PCs mitnehmen. Insoweit staunt man natürlich immer wieder, dass alle PC-Kassen mitgenommen werden, wo doch alle Daten auch auf den Rechnern beziehungsweise dem Server vorhanden sind. Im Anschluss daran werden die Kassen analysiert und bleiben bei der Steuerfahndung in den Regalen als Asservate stehen, wo sie so langsam vor sich hin verstauben. Der Steuerpflichtige hingegen muss sich reorganisieren, einen neuen Server beziehungsweise neue Kassen anschaffen oder zumindest mieten und hoffen, dass er irgendwann sein Elektronikequipment wiederbekommt. Für die Dauer des Ermittlungsverfahrens und des Strafverfahrens bekommt er jedenfalls diese Beweismittel nicht – jedenfalls dann nicht, wenn Kassenmanipulationen unterstellt werden. Häufig schalten die Fahnder auch Gutachter ein, die meistens selbst Kassenaufsteller sind und die Kassen sowie die Programmierung begutachten sollen.

Hochrechnungen

Auf die vermeintlich sowie heimlich gelöschten Umsätze werden schließlich in der Regel astronomische und tatsächlich nicht hinterzogene Umsätze hochgerechnet. Zumeist fehlt es an den entsprechend logischen Verprobungen solcher Hochrechnungen. Die Steuerfahndung scheint dann ein Optimum an Hinterziehungsvolumen hochzurechnen, ohne zu überlegen, wo die angeblichen Gäste gesessen haben könnten, weil etwa so viele Stühle und Tische gar nicht vorhanden sind, so viel Personal gar nicht angestellt war und auch so viel Lebensmittel und Getränke gar nicht eingekauft wurden, in der Küche gar nicht genügend Platz ist, diese ganzen Lebensmittel zu verarbeiten und auch keine Speicherkapazitäten in Form von Kühlhallen oder Kühlschränken vorhanden sind, um die Ware einzulagern. Gerade zu absurd ist es, wenn gar unterstellt wird, man habe diese riesigen Mengen natürlich einfach irgendwo in einer schwarz angemieteten Garage deponiert – ohne dort eine Kühlung verwenden zu können. Entsprechendes gilt für den Bereich der Getränke. Meistens wird hier ein Konsum im Verhältnis von etwa 30 zu 70 hochgerechnet, nicht zuletzt deshalb, weil eine bestimmte Bierquote in den meisten Gaststätten sehr konstant konsumiert wird und ohne wirklich zu hinterfragen, wie hier ein Mehr an Umsätzen zustande gekommen sein könnte. Wenn die Ware nicht gelagert werden kann, wenn sie mangels Platz in der Küche nicht verarbeitet werden kann, wenn Töpfe, Pfannen und Pizzaöfen sowie Feuerstellen fehlen, wie soll dann die Fülle an Essen zubereitet worden sein? Und wie sollen die Getränke beziehungsweise auch das Bier im üblichen Verhältnis ausgeschenkt worden sein, wenn es keine weiteren Bierleitungen gibt und keine weiteren Anschlussmöglichkeiten und kein weiterer Platz für diese Biermengen zur Lagerung oder zum Ausschank vorhanden ist? Darüber hinaus werfen solche Hochrechnungen häufig auch die Frage auf, wo denn die ganzen Millionen geblieben sind, die angeblich schwarz umgesetzt wurden. Wenn es keine Mehrfamilienhäuser, keine teuren Autos oder exklusiven Hobbys, keine Luxusyachten oder Sportflieger gibt, wenn nirgendwo ein prall gefülltes Konto gefunden wird und auch sonst weder Gold noch andere werthaltige Wirtschaftsgüter gefunden werden, stellt sich die Frage, wo die hochgerechneten Millionen Euro geblieben sind. Tatsächlich aber macht die Steuerfahndung derartige Kontrollrechnungen nicht selbst. Es ist dann Aufgabe der Verteidigung, die Widersprüche in den Hochrechnungen und Kalkulationen herauszuarbeiten und nachzuweisen.

Fazit

Den berechtigten Kontrollinteressen der Finanzverwaltung stehen berechtigte Schutzinteressen der Steuerpflichtigen gegenüber. Die Kassen sind noch lange nicht völlig sicher und sie werden daher trotz aller denkbaren Sicherheitseinrichtungen sowie anderen, künftig noch zu erwartenden Maßnahmen auch nach 2020 ein Dauerbrenner einer Kassennachschau, von Betriebsprüfungen und Verfahren der Steuerfahndung sein.

Mehr dazu

Lesen Sie dazu auch die beiden Titelthemen „Steuerfahndung – Im Fokus der Finanzbehörden“ (DATEV magazin 10/2019) sowie „Unter der Lupe – Die Betriebsprüfung“ (DATEV magazin 12/2019). \lsdlocked0

Zum Autor

JB
Dr. Jörg Burkhard

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Wiesbaden

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