IDW PS KMU - 23. Februar 2023

Angepasste Prüfungen

Auf die Entwicklungen im internationalen Kontext hat das Institut der Wirtschaftsprüfer reagiert und insgesamt neun aktuelle Standards zur Prüfung weniger komplexer Einheiten verabschiedet.

Für die Prüfung bestimmter Unternehmen sind die International Standards on Auditing (ISA-Prüfungsstandards) zu komplex und dokumentationsintensiv, da sie für große, kapitalmarktorientierte Unternehmen geschrieben wurden. Auch der vorliegende Entwurf eines Standards für die Prüfung von Abschlüssen von weniger komplexen Unternehmen (ISA for LCE) zeigt keine bessere Skalierbarkeit. Daher hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) eigene Prüfungsstandards zur Prüfung weniger komplexer Einheiten (IDW PS KMU) verabschiedet, die besser auf die Anforderungen mittelständischer Unternehmen zugeschnitten sind. Häufig werden Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer mit der Abschlussprüfung von Unternehmen beauftragt, die – insbesondere im Vergleich zu Unternehmen von öffentlichem Interesse – weniger komplexe Organisationsstrukturen, Prozessabläufe und Geschäftsvorfälle aufweisen. Dabei handelt es sich oftmals um kleinere oder mittelständische Unternehmen (KMU).

Bisherige Grundsätze

Bislang finden bei Abschlussprüfungen in Deutschland – unabhängig von der Größe und Komplexität des zu prüfenden Unternehmens – die vom IDW festgestellten deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA) Anwendung. Die GoA konkretisieren die gesetzlichen Anforderungen an eine Abschlussprüfung, vor allem die Pflicht zur Wahrung der kritischen Grundhaltung gemäß § 43 Abs. 4 Wirtschaftsprüferordnung (WPO). Zur Sicherstellung einer internationalen Akzeptanz der in Deutschland durchgeführten Abschlussprüfungen finden seit vielen Jahren die Prüfungsanforderungen des International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) Eingang in die GoA. Bislang wurden die Anforderungen der vom IAASB herausgegebenen ISA in den IDW-Prüfungsstandards transformiert.

Künftige Entwicklungen

Demnächst leiten sich bei allen Abschlussprüfungen die vom IDW festgestellten deutschen GoA grundsätzlich sowie unmittelbar aus den ISA ab. Besonderheiten, die sich aus dem deutschen oder europäischen Recht ergeben, werden gesondert in den sogenannten ISA [DE] berücksichtigt. Sollten die deutschen oder europäischen Besonderheiten so umfangreich sein, dass diese in einem ISA [DE] nur schwer verständlich für den Adressaten berücksichtigt werden können, werden die Prüfungsanforderungen weiterhin in einem entsprechenden IDW Prüfungsstandard formuliert. Dies gilt insbesondere für die Formulierung des Bestätigungsvermerks, dessen Anforderungen in der IDW-PS-400er-Reihe dargelegt sind. IDW Prüfungsstandards gelten auch dann weiterhin, wenn für bestimmte Bereiche keine ISA existieren, etwa zur Prüfung des Lageberichts oder zur Berichterstattung im Prüfungsbericht. Die ISA [DE] sind bei der Prüfung von Unternehmen des öffentlichen Interesses (PIE) im Sinne des § 316a S. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) bereits ab der kommenden Prüfungssaison verpflichtend anzuwenden, also für die Prüfung von Abschlüssen und Lageberichten des kalenderjahrgleichen Geschäftsjahrs 2022. Für alle anderen Prüfungen ist die Erstanwendung der ISA [DE] nach einem Beschluss des IDW-Hauptfachausschusses (HFA) im Frühjahr 2022 grundsätzlich für das kalenderjahrgleiche Geschäftsjahr 2023 vorgesehen.

Skalierte Prüfung

Das IDW hat sich stets für eine sogenannte skalierte Prüfung, also eine situationsspezifische Auslegung und verhältnismäßige Anwendung von Prüfungsstandards, eingesetzt. Die skalierte Prüfung dient dem Ziel einer gleichwertigen Urteilsqualität vor dem Hintergrund des Facettenreichtums, auf den die Abschlussprüfung trifft, die maßgeblich durch Größe, Komplexität und Risikolage der zu prüfenden Unternehmen beeinflusst wird. Damit wird es dem Abschlussprüfer im Rahmen seiner Eigenverantwortlichkeit ermöglicht, planvoll und problemorientiert auf Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu reagieren, ohne dass dies einen übermäßig hohen Dokumentations- und Begründungsaufwand auslöst. Zunehmend ergibt sich die Herausforderung, dass die vom IAASB herausgegebenen ISA vor allem vom Bedarf der internationalen Regulatoren, vornehmlich der Kapitalmarkt-, Banken- und Versicherungsaufsichten, geprägt sind. Damit einhergehend werden die Anforderungen in den ISA einerseits zunehmend detaillierter, komplexer und dokumentationsintensiver. Andererseits ist eine im Zeitablauf abnehmende Skalierbarkeit der internationalen Prüfungsanforderungen zu beobachten. Dies zeigt sich insbesondere in dem neuen ISA 315 (Revised 2019) zur Risikoidentifikation und -beurteilung wesentlicher falscher Darstellungen sowie in der Neufassung des ISA 540 (Revised) zur Prüfung geschätzter Werte in der Rechnungslegung. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.

Anwendung der Prüfungsstandards

Mit Veröffentlichung des Entwurfs eines ISA for LCE im Juli 2021 verdeutlicht auch das IAASB, dass die Anforderungen an eine ISA-konforme Abschlussprüfung gleichwohl künftig verstärkt von dem Leitbild der Prüfung eines PIE geprägt sein werden. Auf die Entwicklung im internationalen Standardsetting hat der HFA reagiert und Ende September insgesamt neun IDW Prüfungsstandards zur Prüfung weniger komplexer Einheiten (IDW PS KMU) verabschiedet. Der Aufbau der Standards orientiert sich am Prozess der Abschlussprüfung. Damit für solche Prüfungen ein Übergang auf die ISA [DE] nicht erforderlich ist, wurde einerseits deren verpflichtende Erstanwendung im Non-PIE-Bereich auf die Prüfung der Geschäftsjahre 2023 verschoben. Andererseits dürfen die IDW PS KMU direkt für Abschlussprüfungen des Geschäftsjahrs 2022 sowie für alle noch nicht beauftragten Abschlussprüfungen vorheriger Geschäftsjahre angewendet werden, sofern der sachliche Anwendungsbereich der Standards eröffnet ist. Die Anwendung der IDW PS KMU scheidet aus, wenn das zu prüfende Unternehmen erhöhten Risiken ausgesetzt ist. Explizit wird die Prüfung von PIE aus dem Anwendungsbereich ausgenommen. Ebenso darf die Prüfung von Unternehmen mit komplexen Sachverhalten oder Umständen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit insgesamt sowie von Unternehmen mit großen oder komplexen IT-Anwendungen nicht mit den IDW PS KMU erfolgen. Um den typischen Umständen der Prüfung einer weniger komplexen Einheit Rechnung zu tragen, beruhen die in den IDW PS KMU 1 bis 8 enthaltenen Anforderungen auf einer angenommenen Risikosituation. Sollten nicht sämtliche der in IDW PS KMU 1 dargelegten Typisierungsmerkmale bei dem zu prüfenden Unternehmen vorliegen, steht das einer Anwendung der IDW PS KMU nicht grundlegend entgegen. Vielmehr hat der Abschlussprüfer in einer solchen Situation auf die abweichenden Gegebenheiten gerichtete Prüfungshandlungen zu planen und durchzuführen, die es ihm ermöglichen, ausreichende geeignete Prüfungsnachweise zu erlangen. Für bestimmte Typisierungsmerkmale sind die ergänzend durchzuführenden Prüfungshandlungen bereits in IDW PS KMU 9 enthalten. Gemeint sind Erstprüfungen des Abschlussprüfers oder wenn er Arbeiten eines Sachverständigen oder einer etwaigen Internen Revision der Einheit nutzen möchte beziehungsweise die Einheiten Geschäftsprozesse auf einen Dienstleister ausgelagert haben oder der Bestätigungsvermerk zu widerrufen ist. In den verbleibenden, sehr seltenen Fällen, beispielsweise wenn das zu prüfende Unternehmen sogenannte sonstige Informationen herausgibt, liegt die Planung und Durchführung ergänzender Prüfungshandlungen im pflichtgemäßen Ermessen des Abschlussprüfers.

Risikobeurteilung und Kontrollen

Auch eine Abschlussprüfung nach den IDW PS KMU folgt dem bewährten risikoorientierten Prüfungsansatz. Der Risikoidentifikation und -beurteilung kommt damit auch bei der Prüfung von weniger komplexen Einheiten eine besondere Bedeutung zu. Bei diesen Prüfungen ist allerdings zu beachten, dass die wesentlichen Positionen, Transaktionen sowie die relevanten Risiken und deren Ausmaß vom Abschlussprüfer gut überblickt werden können. Eine separate Risikoidentifikation und -beurteilung, so wie sie der internationale Prüfungsstandard vorsieht, ist bei weniger komplexen Einheiten weder erforderlich noch sinnvoll. Dementsprechend sieht IDW PS KMU 4 eine kombinierte Risikoidentifikation und -beurteilung vor. Eine weitere erhebliche Erleichterung der IDW PS KMU betrifft die Befassung mit den internen Kontrollen des zu prüfenden Unternehmens. Nach ISA 315 (Revised 2019) sind sämtliche Kontrollen zu Risiken wesentlicher falscher Darstellungen auf der Aussageebene sowie von Risiken, die mit dem Einsatz von IT verbunden sind, bereits im Rahmen der Erlangung eines Verständnisses des internen Kontrollsystems zu identifizieren – unabhängig davon, ob damit Prüfungssicherheit erlangt werden kann und soll. Im Gegensatz dazu beschränken sich die IDW PS KMU darauf, ein Verständnis für das interne Kontrollsystem, das für die Aufstellung des Abschlusses relevante Kontrollumfeld, den Risikobeurteilungsprozess, den Prozess zur Überwachung des internen Kontrollsystems, das relevante Informationssystem sowie für die zur Aufstellung des Abschlusses notwendige interne Kommunikation zu erlangen.

Prüfungserfordernisse

Aufbauprüfungen sind zudem nur bei Kontrollen zu sogenannten Journalbuchungen durchzuführen, insbesondere bei Jahresabschlussbuchungen, sowie bei Kontrollen, die auf Risiken ausgerichtet sind, bei denen aussagebezogene Prüfungshandlungen allein keine ausreichenden geeigneten Prüfungsnachweise liefern. Gleiches gilt bei Kontrollen, für die der Abschlussprüfer Funktionsprüfungen plant, um die Art, die zeitliche Einteilung sowie den Umfang von aussagebezogenen Prüfungshandlungen festzulegen. Darüber hinaus wurden in den IDW PS KMU die Anforderungen an die Prüfungshandlungen zur Risikobeurteilung, der Beurteilung von Schätzmethoden sowie zu bedeutsamen Annahmen und Daten im Rahmen der Prüfung geschätzter Werte in der Rechnungslegung im Vergleich zu ISA 540 (Revised) mit Blick auf die Erfordernisse bei der Prüfung weniger komplexer Unternehmen angepasst. Durch Anwendung der IDW PS KMU wird der Abschlussprüfer in die Lage versetzt, das von Gesetz und Stakeholdern geforderte Prüfungsurteil mit hinreichender Sicherheit abzugeben, was Voraussetzung dafür ist, einen Bestätigungsvermerk erteilen zu können. Damit dürfen – sofern der sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist – die IDW PS KMU sowohl bei gesetzlich geforderten als auch bei freiwilligen Abschlussprüfungen, die nach Art und Umfang einer gesetzlichen Abschlussprüfung entsprechen, angewandt werden. Um die erforderliche Transparenz herzustellen und den Berichtsadressaten zu vermitteln, dass die Abschlussprüfung in Übereinstimmung mit etablierten Standards durchgeführt wurde, ist im Bestätigungsvermerk die „Beachtung der vom IDW festgestellten deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung unter Anwendung der IDW Prüfungsstandards für weniger komplexe Einheiten“ zu erklären.

Fazit und Ausblick

Da in den IDW PS KMU nur solche Prüfungsanforderungen abgebildet werden, die zur Erlangung hinreichender Sicherheit bei der Prüfung weniger komplexer Einheiten erforderlich sind, brauchen Fortentwicklungen auf internationaler Ebene, die darüber hinausgehend für die Prüfung von PIE künftig von Regulatoren gefordert werden, nicht nachvollzogen zu werden. Damit kann eine deutliche Entlastung der Prüfungspraxen erreicht werden, weil die Änderungsdynamik in den IDW PS KMU von den ISA abgekoppelt und deutlich reduziert wird. Mit den IDW PS KMU besteht nun für Prüfungen weniger komplexer Einheiten eine ISA-basierte Alternative zu den ISA [DE].

Mehr dazu

Präsenzseminar (Workshop), Fachtage Wirtschaftsprüfung, www.datev.de/shop/70064

Zu den Autoren

MS
Melanie Sack

Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin, stellvertretende Sprecherin des Vorstands des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) in Düsseldorf

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TM
Dr. Torsten Moser

Wirtschaftsprüfer, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) in Düsseldorf

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