Sanierungsgewinne - 23. April 2015

Verwaltung gleicht Urteil aus

Sanierungsgewinne führen häufig zu zusätzlichen Steuer­lasten, die den erzielten Sa­nie­rungs­erfolg wieder zu­nichte­machen. Ob diese Steuer­lasten er­lassen oder ge­stundet werden, liegt im Er­messen der Fi­nanz­ver­waltung.

Sanierungsgewinne können Sanierungen gefährden. Das klingt ­widersprüchlich, ist aber grundsätzlich eine zu berücksichtigende Gefahr. Krisenbehaftete Unternehmen werden häufig in vorinsolvenzlichen Verfahren oder mithilfe eines Insolvenzplans (auch) durch ­Erlass- oder Vergleichsverfahren saniert. Diese führen zwangsläufig zu außerordentlichen Erträgen und werden in der Regel mit den meist vorliegenden Verlustvorträgen verrechnet. Allerdings ist es möglich, dass diese Verrechnung den außerordentlichen Ertrag nicht aufzehrt und der Ertrag beziehungsweise der daraus resultierende Gewinn zu einer oftmals hohen Steuerschuld führt.

Finanzverwaltung ignoriert Urteile

Die Finanzverwaltung hat nun durch eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 19. Juni 2013 (S 2140-8-St 248; ­LEXinform 5234525) erklärt, dass sie die vom Bundesfinanzhof vertretene Meinung nicht teilt. Dieser hatte nämlich entschieden, dass Steuern auf Sa­nie­rungs­ge­winne mangels gesetzlicher Grundlagen nicht erlassen oder gestundet werden dürfen.
Die Finanzverwaltung will (weiterhin) unter abzuwägenden Billigkeitsgründen Steuerstundungen oder sogar Steuererlasse gewähren. Dies ist grundsätzlich eine zu befürwortende Sicht der Dinge. Bis 1997 war diese Handhabung sowieso im Gesetz verankert.
Leider ist diese Verfügung der Finanzverwaltung aber mit Vorsicht zu behandeln. Eine Verfügung ist kein (gesetzlicher) Anspruch. Bei jeder Sanierung, die dem betroffenen Unternehmen einen außerordentlichen Ertrag und gegebenenfalls einen Gewinn ausweist, muss ein Antrag auf Erlass oder Stundung der Steuern mit möglichst überzeugenden Billigkeitsgründen gestellt werden. Dies hat schon vor einem Vergleichs- oder Erlassverfahren mit der Finanzbehörde zu erfolgen und muss per Antrag fixiert werden. Schon in der Planungsphase und bei der Konzept- beziehungsweise Insolvenzplanerstellung sind diese potenziellen Steuerschulden, soweit absehbar, als Even­tual­ver­bind­lich­keiten zu ­be­rück­sich­tigen, um einer Plausibilitätsprüfung standzuhalten.
Wurde der Antrag mit entsprechenden Billigkeitsgründen versehen, liegt es also im Ermessen der Finanzbehörden, ob dem Antrag entsprochen wird. Durch die Verfügung der Finanzverwaltung kann keine Finanzbehörde in Anspruch genommen werden, geschweige denn dieser ver­meint­liche Anspruch vor den Finanzgerichten eingeklagt werden. Selbst wenn offensichtliche Billigkeitsgründe vorliegen und das Unternehmen ohne Erlass oder Stundung der Steuerschuld trotz erfolgreicher Sanierung wieder insolvenzantragspflichtig werden ­würde, liegt die Entscheidung im Ermessen der Entscheider der ­zuständigen Finanzbehörde.

Praxis und Ausblick

Zuständig für Steuerschulden bis 20.000 Euro sind die örtlichen ­Finanzämter. Bei Steuerschulden bis 100.000 Euro wird die Zustimmung der Oberfinanzdirektionen benötigt, für noch höhere Beträge werden die obersten Finanzbehörden der Länder angesprochen. Ist keine Ober­fi­nanz­di­rek­tion eingerichtet, ist bei Überschreiten der für die Vorlage an die Ober­fi­nanz­di­rek­tion maßgeblichen Grenzen die ­Zustimmung der obersten Landesfinanzbehörde einzuholen.
In der Praxis sind Anträge vollständig, korrekt und möglichst sachlich im Vorfeld zu stellen. Es sind die Billigkeitsgründe aufzuzeigen, und gegebenenfalls ist in einem persönlichen Gespräch mit den Entscheidern die Situation des zu sanierenden Unternehmens darzustellen. Diese Aufgaben sollten von den Sanierungsberatern in Zusammenarbeit mit dem Steuerberater übernommen werden. Nicht nur, dass die entsprechenden Zahlenwerke und Planungen erklärt werden müssen. (Steuer-)Berater sind im Vergleich zur Geschäftsführung schlicht und einfach besser in der Lage, die Situation sachlich und nüchtern zu bewerten und mit ihr umzugehen.
Druck auf die Entscheider der Finanzbehörden ist an dieser Stelle nicht nur unsinnig, sondern aus benannten Gründen auch sehr gefährlich.

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In Körperschaftsteuer classic/­comfort besteht die Mög­lich­keit, einen Sa­nie­rungs­ge­winn gemäß dem BMF-Schreiben vom 27. März 2003 „Er­trag­steuer­liche Be­hand­lung von Sa­nie­rungs­ge­winnen; Steuer­stun­dung und Steuer­er­lass aus sach­lichen Bil­lig­keits­grün­den“ (§§ 163, 222, 227 AO; GZ IV A 6 – S. 2140 – 8/03; LEXinform 0577370) mit vor­han­denen Ver­lusten zu ver­rechnen.

Zum Autor

Thomas Uppenbrink

Ge­schäfts­führer der Thomas Uppen­brink & Collegen GmbH in ­Hagen. Schwer­punkt seiner Tätig­keit ist die Unter­nehmens­sanierung und -re­struk­tu­rierung mit dem Ziel, In­sol­venzen zu ver­meiden. Seit 1990 ist er in den Bereichen Sanierung und Restrukturierung tätig sowie spezialisiert auf Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung.

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