Geht ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über, sind die betroffenen Arbeitnehmer zuvor darüber zu unterrichten. Nur auf den ersten Blick erscheint dies unproblematisch, tatsächlich aber gehört dies zu den schwierigsten Aufgaben beim Betriebsübergang.
Die Unterrichtung der Arbeitnehmer ist in § 613a Abs. 5 BGB geregelt. Obwohl dort die wesentlichen Punkte genannt sind, birgt das Unterrichtungsschreiben in der Praxis erhebliche, auch finanzielle Risiken für die beteiligten Arbeitgeber. Grund dafür ist, dass der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 6 BGB zwar nur innerhalb eines Monats nach der Unterrichtung widersprechen kann, jedoch nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung diese Frist in Gang setzt. Sofern es nicht verwirkt ist, kann der Arbeitnehmer bei fehlender, unrichtiger oder unvollständiger Unterrichtung sein Widerspruchsrecht zunächst unbegrenzt ausüben mit der Konsequenz, dass er gegebenenfalls auch noch nach mehreren Monaten oder gar Jahren zum Veräußerer zurückkehrt. Außerdem kann eine Verletzung der Unterrichtungspflicht Schadensersatzansprüche begründen. Die Gefahr, dass sich diese Risiken verwirklichen, ist für die betroffenen Arbeitgeber hoch, weil die Rechtsprechung sehr strenge Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben stellt.
Konkrete, betriebsbezogene Darstellung
Obwohl ein Standardschreiben genügt, darf sich dieses nicht auf die reine Wiederholung des Gesetzeswortlauts beschränken.
Der Arbeitnehmer soll durch die Unterrichtung in die Lage versetzt werden, sich ein Bild über die mit dem Betriebsübergang verbundenen Folgen und möglichen Veränderungen machen zu können sowie Erkundigungen über den Betriebserwerber einzuholen. Nur dann hat er eine hinreichende Basis für die Entscheidung, ob er dem Betriebsübergang widersprechen möchte oder nicht. Das Unterrichtungsschreiben muss daher juristisch einwandfrei und präzise, aber auch in einer für den juristischen Laien verständlichen Sprache abgefasst sein. Obwohl ein Standardschreiben genügt, darf sich dieses nicht auf die reine Wiederholung des Gesetzeswortlauts beschränken. Erforderlich ist eine konkrete, betriebsbezogene Darstellung, die auch etwaige Besonderheiten des einzelnen Arbeitsverhältnisses (z. B. im Hinblick auf eine etwaige Tarifbindung oder unterschiedliche Bezugnahmeklauseln) erfassen muss. Die Unterrichtungspflicht trifft sowohl den bisherigen als auch den neuen Betriebsinhaber, wobei es zulässig ist, wenn nur einer von beiden unterrichtet. Dennoch sollte das Unterrichtungsschreiben möglichst gemeinsam verfasst werden, weil dadurch beide Betriebsinhaber Einfluss auf den Inhalt des Schreibens haben und durch diese Abstimmung das Haftungsrisiko minimiert werden kann.
Formvorschriften
Das Gesetz sieht für die Unterrichtung keine Schriftform vor, sondern lediglich Textform (§ 126b BGB). Das Schreiben muss somit nicht eigenhändig unterzeichnet sein, ausreichend ist grundsätzlich auch eine eingescannte Unterschrift. Auch die Unterrichtung der einzelnen Arbeitnehmer per E-Mail genügt, ein bloßer Aushang jedoch nicht. Da das Unterrichtungsschreiben die einmonatige Widerspruchsfrist in Gang setzt, ist von einer Unterrichtung per E-Mail allerdings abzuraten. Das Unterrichtungsschreiben sollte so zugestellt werden, dass ein eindeutiger Zugangsnachweis vorliegt, beispielsweise durch persönliche Übergabe und Bestätigung des Zugangs oder Übergabe per Boten. Entspricht die Unterrichtung zunächst formal den Anforderungen des Gesetzes, kommt es darauf an, dass die erteilten Informationen inhaltlich zutreffend und vollständig sind und eine korrekte Darstellung der rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer enthalten. Maßgeblich ist der Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Mitgeteilt werden muss neben dem Zeitpunkt des geplanten Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 5 Nr. 1 BGB) nicht nur, wer der neue Arbeitgeber ist, sondern dieser ist auch ganz genau mit Firmenbezeichnung, Rechtsform, Sitz, Anschrift und gegebenenfalls Handelsregisternummer zu bezeichnen. Auch die Gründe für den Betriebsübergang (§ 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB), insbesondere die Gründe, die sich im Falle eines Widerspruchs auf den bisherigen Arbeitsplatz auswirken können, müssen mitgeteilt werden.
Soziale und wirtschaftliche Folgen
Außerdem ist der Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs (§ 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB) und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen (§ 613a Abs. 5 Nr. 4 BGB) zu unterrichten. Dieser Punkt bereitet in der Praxis häufig die größten Schwierigkeiten, da die Hinweise nicht nur verständlich, vollständig und präzise sein müssen, sondern auch keine juristischen Fehler beinhalten dürfen. Als besondere Herausforderung stellt sich dies gerade in Betrieben dar, in denen sich die Bedingungen der Arbeitsverhältnisse nicht nur nach den zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber getroffenen Vereinbarungen, sondern auch nach Tarifverträgen und mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen richten.
Wie fehleranfällig die Mitteilungspflichten sind, zeigt beispielsweise die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. Juli 2006 (8 AZR 305/05) zu dem – im Grundsatz eigentlich noch recht unproblematischen – Hinweis darauf, dass der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis eintritt. In dem vom BAG als fehlerhaft erachteten Unterrichtungsschreiben hieß es, der Erwerber habe sich verpflichtet, alle vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten zu übernehmen. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse ergibt sich jedoch unmittelbar aus dem Gesetz, sodass es keiner (freiwilligen) Übernahme einer Verpflichtung bedarf. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts könne diese Formulierung den Eindruck erwecken, die Fortgeltung der Vertragsbedingungen stehe im Belieben des Erwerbers, sodass die Information nicht ordnungsgemäß sei.
Haftungsregelung
Auch über die Haftungsregelung nach § 613a Abs. 2 BGB muss umfassend informiert werden, wofür ein bloßer Hinweis auf die gesetzliche Regelung noch nicht ausreicht. Wichtig ist vor allem der Hinweis, dass der Veräußerer für Ansprüche, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind und fällig wurden, weiterhin Gesamtschuldner bleibt. Wann ein Anspruch entstanden ist und fällig wurde, ist dabei ebenfalls zu erläutern. Darüber hinaus umfasst die Unterrichtungspflicht auch Angaben über das Widerspruchsrecht selbst und dessen Folgen sowie über das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 BGB. Es empfiehlt sich zudem der Hinweis, dass sich der Arbeitnehmer durch die Ausübung seines Widerspruchsrechts gegebenenfalls dem Risiko einer betriebsbedingten Kündigung aussetzt.
Verspätete Unterrichtung
Grundsätzlich soll die Unterrichtung zwar vor dem Betriebsübergang erfolgen, sie kann aber dennoch nachgeholt werden.
Angesichts dieses weitgehenden Umfangs der Unterrichtungspflicht und der dafür von der Rechtsprechung entwickelten strengen Vorgaben überrascht es kaum, dass Unterrichtungsschreiben bisher nur selten höchstrichterlicher Kontrolle standgehalten haben. Aus den wenigen Entscheidungen, in denen das BAG Unterrichtungsschreiben billigte, ergeben sich zwar wichtige und hilfreiche Hinweise für die Praxis. Dennoch bleiben die Anforderungen an ein fehlerfreies Unterrichtungsschreiben gerade für den juristischen Laien kaum zu überblicken. Mitursächlich für Mängel im Unterrichtungsschreiben ist zudem häufig, dass es mit Blick auf die gesetzliche Vorgabe einer Unterrichtung vor dem Betriebsübergang vielfach überstürzt und unter Zeitdruck erstellt wird. Grundsätzlich soll die Unterrichtung zwar vor dem Betriebsübergang erfolgen, sie kann aber dennoch nachgeholt werden. Zwar beginnt die Widerspruchsfrist dann erst mit dem Zugang des verspäteten Unterrichtungsschreibens. Der verzögerte Beginn der Widerspruchsfrist aufgrund eines etwas verspäteten, aber ordnungsgemäßen und vollständigen Unterrichtungsschreibens ist allerdings im Ergebnis häufig eher hinnehmbar als das Risiko, dass die Widerspruchsfrist von vornherein nicht beginnt, weil eine unter Zeitdruck unvollständig oder fehlerhaft erstellte Information erfolgte.
Handlungsempfehlungen
Auch der Grundsatz „Keep it short and simple“ kann für das Unterrichtungsschreiben bei einem Betriebsübergang leider nicht (immer) gelten. Häufig sind Unterrichtungsschreiben fehlerhaft oder unvollständig, weil in dem gut gemeinten Bemühen, ein möglichst übersichtliches und verständliches Schreiben zu erstellen, auf wichtige Informationen verzichtet wurde. Auch wenn dies leider zur Konsequenz hat, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer dadurch häufig mit mehrseitigen rechtlichen Ausführungen konfrontiert sehen, was auch bei klarster Formulierung vielfach dem Zweck einer gut verständlichen Information zuwiderlaufen dürfte, kann aufgrund der derzeitigen Rechtslage dennoch nur dazu geraten werden, im Zweifel eher zu viel als zu wenig mitzuteilen. Da trotz der bereits umfangreichen Rechtsprechung des BAG nicht alle Fragen rund um das Unterrichtungsschreiben geklärt sind, bleibt letztlich auch bei größter Sorgfalt immer ein Risiko. Die Möglichkeiten, dieses zu beschränken, sind gering. Üblich und empfehlenswert ist eine Regelung zwischen Veräußerer und Erwerber dazu, wie sich die Folgen möglicher unrichtiger Unterrichtungsschreiben und darauf beruhender Widersprüche von betroffenen Arbeitnehmern auswirken. Nicht unüblich ist es auch, dass die betroffenen Arbeitnehmer mit dem Unterrichtungsschreiben gebeten werden, für den Fall ihres Einverständnisses mit dem Betriebsübergang einen Widerspruchsverzicht zu erklären, um schnell Rechtssicherheit zu erhalten. Vielfach wird diese Verzichtserklärung zusätzlich noch mit der Erklärung des Arbeitnehmers verbunden, dem Betriebsübergang zuzustimmen, das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortzusetzen und/oder auf (weitere) Informationen über den Betriebsübergang zu verzichten. Grundsätzlich wird ein Verzicht auf das Widerspruchsrecht zwar für zulässig gehalten. Absolute Rechtssicherheit bietet allerdings auch dieser nicht, weil die Voraussetzungen, die an eine wirksame Verzichtserklärung gestellt werden, noch nicht abschließend geklärt sind. In der Rechtsprechung werden dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten, die teilweise so weit gehen, dass auch für einen wirksamen Widerspruchsverzicht zunächst eine vorausgegangene ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB Voraussetzung ist.
Verwirkung des Widerspruchsrechts
Beginnt der Lauf der Widerspruchsfrist wegen einer fehlerhaften oder unvollständigen Unterrichtung nicht, behält der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht im Grundsatz zunächst unbefristet. Eine Begrenzung ergibt sich aber aus den Grundsätzen der Verwirkung, wobei eine Verwirkung aber nicht schon dann angenommen werden kann, wenn der Arbeitnehmer längere Zeit von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch macht. Zwar ist dieses sogenannte Zeitmoment ein wesentliches Indiz, für das jedoch keine festen Grenzen gelten. Zudem müssen für die Annahme einer Verwirkung immer auch Umstände hinzukommen, die den Eindruck erwecken, dass der Arbeitnehmer von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch mehr machen möchte (sogenanntes Umstandsmoment). Allein die widerspruchslose Weiterarbeit beim Betriebserwerber über längere Zeit begründet daher noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts, ebenso wenig die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung durch den Betriebserwerber. Umstände, die das Vertrauen in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts rechtfertigen und somit zur Verwirkung dieses Rechts führen können, werden dann angenommen, wenn der Arbeitnehmer über sein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber disponiert, beispielsweise einen Änderungs- oder Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber schließt, oder eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat. Liegen solche Umstände vor, besteht bei einem Zeitraum von zwei Jahren zwischen Unterrichtung und Widerspruch in der Regel eine große Wahrscheinlichkeit, dass Verwirkung angenommen wird. In Einzelfällen hat das BAG aber auch bereits nach 15 Monaten oder sogar nach knapp sechs Monaten eine Verwirkung angenommen. Fehlt es am sogenannten Umstandsmoment, kann das Widerspruchsrecht jedoch gegebenenfalls auch mehrere Jahre bestehen.
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