Elternunterhalt - 17. März 2014

Uns lieb und teuer

Reicht das Einkommen und Vermögen der Eltern nicht aus, um den eigenen Lebens­bedarf zu decken, können unter gewissen Umständen auch die eigenen Kinder zur Unter­halts­leistung verpflichtet sein.

Die zunehmende Lebenserwartung der Menschen, nicht zuletzt eine Auswirkung der modernen Medizin, hat zu einem drastischen Anstieg der Alterspflegefälle geführt. Da die Rente sowie das lebzeitig erarbeitete Vermögen oft nicht mehr ausreichen, um die Unterbringungs- und Pflegekosten in den Alten- und Pflegeheimen zu finanzieren, ist das Thema Elternunterhalt allgegenwärtig. Es stellt sich einerseits als eine gesellschaftliche Aufgabe, andererseits aber auch als familiäre Verpflichtung dar.
Da der Staat nicht auf das Verantwortungsbewusstsein oder die Dankbarkeit der Kinder setzen kann, zudem eine gelebte solidarische Familienstruktur – wie früher in ländlichen Gebieten üblich – heute nicht mehr existiert, ist das erwachsene Kind von Gesetzes wegen – unter Voraussetzung der Bedürftigkeit des Elternteils sowie eigener Leistungsfähigkeit – verpflichtet, für den Elternunterhalt aufzukommen. Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat kürzlich in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung geurteilt, dass ein vom Unterhaltsberechtigten ausgehender einseitiger Kontaktabbruch gegenüber seinem volljährigen Sohn für eine Verwirkung seines Anspruchs auf Elternunterhalt allein regelmäßig nicht ausreicht. Dieses Urteil bedeutet in seiner Konsequenz, dass erwachsene Kinder selbst dann für die Heimkosten ihrer Eltern aufkommen müssen, wenn sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zueinander hatten.

Teil des Verwandtenunterhalts

Zum Thema wird Elternunterhalt oft erst dann, wenn die Eltern in erheblichem Umfang gepflegt werden müssen und die Kosten dafür nicht mehr aus der eigenen Rente, dem Pflegegeld oder den eigenen Ersparnissen tragen können.
Bevor der Staat in Erfüllung des verfassungsrechtlich verankerten Sozialstaatsgebots in Form der Sozialhilfe eintritt, geht er allerdings auf die Kinder zu. Es wird geprüft, ob sie in der Lage sind, den Unterhalt der Eltern zumindest teilweise zu finanzieren. Selten wird Elternunterhalt in der Praxis von den Unterhaltsberechtigten selbst geltend gemacht.

Wer nun prüfen möchte, ob er zu Elternunterhalt herangezogen werden kann, muss wissen, nach welchem Schema vorgegangen wird. Da Elternunterhalt ein Teil des Verwandtenunterhalts ist, entspricht das Prüfungsschema auch demjenigen im Bereich des Verwandtenunterhaltsrechts und enthält folgende Prüfungsschritte:

  1. Prüfung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten,
  2. Prüfung der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten,
  3. Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen,
  4. Angemessenheitskontrolle.

Der Lebensbedarf

Leben Vater oder Mutter im Pflegeheim, wird der Bedarf durch ihre Unterbringung in einem Heim bestimmt und entspricht den dort anfallenden, nicht durch eigenes Einkommen gedeckten Kosten.
Neben Heimkosten gehört auch das sogenannte Taschengeld zum notwendigen Bedarf. Dieser Anspruch beläuft sich auf rund 100 Euro im Monat und hat den Sinn, die persönlichen Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten zu befriedigen, die von der Einrichtung nicht gedeckt werden. Dazu gehören Friseurbesuche oder Fußpflege eben-
so wie Zeitschriften, Schreibmaterial und sonstige Kleinigkeiten des täglichen Lebens.

Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten

Die Eltern müssen ihr gesamtes Einkommen und Vermögen zur Finanzierung des eigenen Lebensbedarfs einsetzen.

Die Eltern müssen ihr gesamtes Einkommen und Vermögen zur Finanzierung des eigenen Lebensbedarfs einsetzen. Nur wenn beides zusammen nicht ausreicht, um ihren Bedarf zu decken, können sie von ihren Kindern Unterhalt verlangen. Außerdem ist der Unterhaltsberechtigte gehalten, vorrangige Unterhaltsansprüche gegen Ehepartner oder Exehepartner geltend zu machen.
Die Eltern müssen also zunächst Renten und Pensionen, die sie während ihres Erwerbslebens erwirtschaftet haben, grundsätzlich in voller Höhe zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs einsetzen. Hiervon abzuziehen sind Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherungen. Anzusetzen sind auch Mieteinkünfte sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Neben dem Eigeneinkommen des Unterhaltspflichtigen sind Leistungen aus der Pflegekasse das vorrangigste Finanzierungsinstrument der pflegebedürftigen alten Menschen. Die Höhe der Leistungen staffelt sich dabei nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit.

Einsatz des Vermögensstamms

Reicht das Einkommen des Elternteils nicht aus, um seinen Lebensbedarf zu decken, muss er seinen Vermögensstamm für seinen eigenen Unterhalt einsetzen. Ob Bargeld, Sachvermögen, Immobilien, Geldanlagen oder vermögenswerte Rechte: Alles ist grundsätzlich für den Unterhalt einzusetzen.
Barvermögen muss bis auf einen Notgroschen von 2.600 Euro verbraucht werden. Immobilien gehören zum Vermögen und sind daher gegebenenfalls zu verkaufen, um den Lebensbedarf des Bedürftigen zu sichern.
Einen Sonderfall stellt das Familienheim dar. Sobald der Eigentümer die Immobilie infolge der Unterbringung im Pflegeheim nicht mehr dauerhaft nutzen kann und auch ihre Vermietung und die damit verbundenen Mieteinkünfte den unterhaltsrechtlichen Bedarf nicht beseitigen, ist die Immobilie zu veräußern. Eine solche Veräußerungspflicht ist aber fragwürdig, wenn der Ehegatte noch in der Wohnung lebt. Das unterhaltspflichtige Kind kann sich aber auch für diesen Fall auf eine vorrangige Verwertung der Immobilie berufen, selbst wenn dadurch dem in der Wohnung verbleibenden Elternteil ein Umzug zugemutet wird.

Einsatz geldwerter Forderungen

Auch geldwerte Forderungen, wie etwa Schadensersatzansprüche, Ansprüche aus Darlehensverträgen oder Forderungen gegenüber Versicherungen, müssen geltend gemacht werden, um den Unterhaltsbedarf zu decken.

Zu den geldwerten Forderungen gehören auch solche aus der Rückforderung oder dem Widerruf einer Schenkung.

Zu den geldwerten Forderungen gehören auch solche aus der Rückforderung oder dem Widerruf einer Schenkung. Oft wenden Eltern ihren Kindern mit Blick auf den Ruhestand und im Vorgriff auf den Erbfall Geld oder andere Vorteile zu. Sie unterstützen ihre Kinder beim Hausbau, übertragen Grundstücke oder überschreiben ihr Geschäft. Haben sich die Eltern an den übertragenen Gegenständen vermögenswerte Rechte vorbehalten, wie Wohnrecht oder Nießbrauchrecht, müssen sie damit ihren Bedarf decken, bevor ihre Kinder in Anspruch genommen werden.

Rückforderung von Schenkungen

Sozialämter überprüfen genau, ob in den zurückliegenden Jahren vor Eintritt der Bedürftigkeit Schenkungen gemacht wurden, die dann im Namen des Bedürftigen wieder zurückverlangt werden können. Rückforderungen von Schenkungen wegen Verarmung des Schenkers sind in der Praxis von großer Bedeutung.
Ist jemand nicht mehr in der Lage, seinen notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten, kann er alle Geschenke zurückfordern, die er in den letzten zehn Jahren vor dem Zeitpunkt der Verarmung gemacht hat. Sind seit der Schenkung zehn Jahre vergangen, ist eine Rückforderung ausgeschlossen.
Sofern die Zehnjahresfrist der Schenkung zeitnah abläuft, kann man als möglicher Unterhaltsverpflichteter die Rückforderung verhindern – vorausgesetzt, das Sozialamt hat die Forderung noch nicht auf sich übergeleitet –, indem man freiwillig dem Heim oder dem Sozialamt den Fehlbetrag überweist, bis die zehn Jahre abgelaufen sind. Stellt man danach die Zahlung ein, kann die Schenkung nicht mehr widerrufen werden, denn die Frist ist verstrichen.

Anspruch auf Grundsicherungsleistung

Der Unterhaltsberechtigte ist zudem gehalten, vor Inanspruchnahme des Kindes zu klären, ob gegebenenfalls ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen besteht. Auf sie haben Personen ab dem 65. Lebensjahr Anspruch sowie Volljährige, die dauerhaft erwerbsgemindert sind.
Der Sozialhilfeträger kann die Grundsicherungsleistung grundsätzlich nur dann von den unterhaltspflichtigen Angehörigen zurückfordern, wenn deren jährliches Gesamteinkommen über 100.000 Euro liegt.

Leistungsfähigkeit

Die bei Weitem komplexeste Frage im Unterhaltsrecht ist, ob das Kind leistungsfähig ist. Ob und inwieweit ein Kind zu Unterhaltsleistungen verpflichtet ist, richtet sich grundsätzlich nach dem sogenannten bereinigten unterhaltsrelevanten Nettoeinkommen, denn unterhaltsrelevant ist nur der Teil des Einkommens, der tatsächlich frei für den Lebensunterhalt zur Verfügung steht. Nur mit diesem Teil des Einkommens kann das Kind seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten und auch nur dieser Teil steht für den Elternunterhalt zur Verfügung.
Um klären zu können, ob und in welcher Höhe vom eigenen Kind Unterhalt beansprucht werden kann, müssen im Vorfeld dessen genaue wirtschaftliche Verhältnisse ermittelt werden. Das Kind ist verpflichtet, Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen zu erteilen, soweit es zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Sind mehrere Kinder vorhanden, muss der Unterhaltsberechtigte jedes Kind auffordern, Auskunft zu erteilen.
Gewarnt werden muss davor, falsche oder unvollständige Auskunft zu erteilen. Der Gesetzgeber hat den Trägern der Sozialhilfe ein umfassendes Instrumentarium an die Hand gegeben. Danach sind etwa auch Banken und Sparkassen zur Auskunft verpflichtet.
Wie man die Unterhaltspflicht der Kinder berechnet, wird ausführlich in der nächsten Ausgabe des DATEV magazins erläutert.

Zur Autorin

Ariane Freifrau von Seherr-Thoß

Rechts­an­wältin bei SNP Schlawien Rechtsanwälte in Düssel­dorf mit dem Tätig­keits­schwer­punkt Familien- und Erb­recht sowie Leasing­recht

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