Noch immer gibt es Unternehmen, die der Ansicht sind, sie bräuchten in die Gesundheit ihrer Beschäftigten nicht zu investieren. Dabei sind entsprechende Maßnahmen relativ einfach und mit geringem Aufwand in die Tat umzusetzen.
Die Organisation der Ersten Hilfe sowie die arbeitsmedizinische Betreuung in einem Unternehmen sind durch einen gesetzlichen Rahmen vorgegeben. Darüber hinaus können sich zusätzliche Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit und damit der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten lohnen. Eingangs stellt sich eine zentrale Frage: Betriebsärztliche Betreuung im Büro – muss das sein? Ob fest angestellt oder regelmäßig für einige Stunden als externer Ansprechpartner – jedes Unternehmen ab einem Beschäftigten muss für eine ausreichende Betreuung durch einen Betriebsarzt sorgen. Der Umfang der betriebsärztlichen Betreuung ergibt sich aus der Unternehmensgröße sowie den im Betrieb vorliegenden Gefährdungen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Typische Fragen, bei denen der Betriebsarzt hilft, sind:
- Wer unterstützt bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen? Und welche arbeitsmedizinische Vorsorge ist erforderlich?
- Wie können Arbeitsplätze ergonomisch und barrierefrei gestaltet werden?
- Wie lässt sich die betriebliche Wiedereingliederung von Langzeiterkrankten organisieren?
- Wie kann das Unternehmen mit Suchtproblemen von Beschäftigten umgehen?
- Welche Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung sind für die Beschäftigten und das Unternehmen sinnvoll?
Bei Tätigkeiten an PC-Arbeitsplätzen ist beispielsweise eine angemessene Untersuchung der Augen beziehungsweise des Sehvermögens anzubieten. Den Beschäftigten sind im erforderlichen Umfang spezielle Sehhilfen für ihre Arbeit an PC-Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen, wenn die Vorsorge zeigt, dass eine spezielle Sehhilfe notwendig ist oder normale Sehhilfen nicht geeignet sind. Darüber hinaus ist eine regelmäßige Vorsorge auf Wunsch der Beschäftigten zu ermöglichen. Ergibt sich bei den betriebsärztlichen Aktivitäten der begründete Verdacht auf eine vorliegende oder drohende Berufskrankheit, hat der Betriebsarzt beziehungsweise das Unternehmen bei seiner Berufsgenossenschaft eine Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige zu erstatten.
Was ist im Fall des (Un-)Falls zu tun?
Betriebsärztlicher Rat ist bei einem weiteren Aspekt präventiver Natur hilfreich: der Organisation der Ersten Hilfe, die bei betrieblichen Unfällen lebensrettend sein kann. Zur Ersten Hilfe und zur Rettung aus Gefahr müssen die erforderlichen Meldeeinrichtungen, Mittel zur Ersten Hilfe, Rettungsgeräte, Transportmittel und gegebenenfalls Erste-Hilfe-Räume sowie das erforderliche Personal wie Ersthelfer oder Ersthelferinnen zur Verfügung stehen. Was gelegentlich übersehen wird: Auch wenn Arbeiten von einer Person allein durchgeführt werden, hat das Unternehmen die Erste Hilfe durch die genannten Maßnahmen sicherzustellen. Als Meldeeinrichtung reicht meist das Telefon mit Angabe der Notrufnummer aus. Meldemöglichkeiten müssen auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeiten erhalten bleiben. Natürlich ist im Vorfeld zu organisieren, dass nach einem Unfall unverzüglich Erste Hilfe geleistet und eine optimale ärztliche Versorgung veranlasst wird; diese ist Grundlage für eine erfolgreiche Heilbehandlung. In jedes Unternehmen gehören ein Notfall-Rufnummern-Verzeichnis sowie die Anleitung zur Ersten Hilfe bei Unfällen als Broschüre und als Plakat. Über das Verhalten bei Unfällen sind die Beschäftigten regelmäßig zu informieren und darin zu unterweisen. Was ist zu tun, wenn ein Unfall passiert? Zunächst müssen alle Beschäftigten die Rettungskette kennen:
- Sofortmaßnahmen am Unfallort (gegebenenfalls Herausholen von Verunglückten aus der Gefahrenzone, Anrufen der Notrufnummer)
- Erste Hilfe einleiten durch Ersthelfer
- Rettungsdienst
- Krankenhaus
Beim Arbeitsunfall zum D-Arzt
Wenn nach einem Arbeitsunfall mit einer Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist, muss die verletzte Person einen Durchgangsarzt oder eine Durchgangsärztin aufsuchen. Durchgangsärzte und -ärztinnen verfügen über eine besondere Zulassung durch die Berufsgenossenschaften. Gemäß dem berufsgenossenschaftlichen Auftrag, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen, sichern sie die bestmögliche medizinische Behandlung. Die Adressen der am schnellsten erreichbaren Durchgangsärzte müssen im Betrieb ausgehängt sein. Jeder Unfall ist betrieblich aufzunehmen – zum Beispiel im Verbandbuch. Übrigens: Auch wenn nur ein Pflaster aus dem Erste-Hilfe-Kasten entnommen wird, ist eine Eintragung in das Verbandbuch erforderlich: Bei einer späteren Verschlechterung des Gesundheitszustands kann sich womöglich niemand mehr erinnern, ob sich die Verletzung bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignet hat. Und dann ist dieser Eintrag im Verbandbuch ein Beweis, dass es sich bei dem Geschehen um eine versicherte Tätigkeit gehandelt hat und damit die Berufsgenossenschaft Leistungen erbringen darf. Jedes Ereignis, bei dem Erste Hilfe geleistet wurde, ist aufzuzeichnen und diese Dokumentation fünf Jahre lang verfügbar zu halten. Hat ein Arbeits- oder ein Wegeunfall eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen oder den Tod eines Menschen zur Folge, ist bei der Berufsgenossenschaft eine Unfallanzeige zu erstatten. Mitgliedsunternehmen der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) können einen Arbeitsunfall direkt online auf www.vbg.de melden.
Erste-Hilfe-Material – nicht erst lange suchen!
In jedem Unternehmen müssen Mittel zur Ersten Hilfe jederzeit schnell erreichbar sein sowie rechtzeitig ergänzt und erneuert werden. Das sind zum Beispiel Verbandmaterial, Hilfsmittel und Rettungsdecke. Arzneimittel, die nicht für die Erste-Hilfe-Leistung notwendig sind, wie etwa Kopfschmerztabletten, gehören nicht zum Erste-Hilfe-Material und damit auch nicht in den Verbandkasten. Geeignetes Erste-Hilfe-Material enthalten zum Beispiel der kleine Verbandkasten nach DIN 13157 sowie der große Verbandkasten nach DIN 13169. Welche und wie viele Verbandkästen abhängig von Unternehmensart und -größe vorhanden sein müssen, ist in der Regel der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) 100-001 „Grundsätze der Prävention“ geregelt. Für Verwaltungs- und Handelsbetriebe mit bis zu 50 Beschäftigten genügt danach zum Beispiel ein kleiner Verbandkasten. Erste-Hilfe-Material soll auf Arbeitsstätten so verteilt sein, dass es von ständigen Arbeitsplätzen höchstens 100 Meter Wegstrecke oder höchstens ein Stockwerk entfernt ist. Erste-Hilfe-Räume oder vergleichbare Einrichtungen sind zweifellos sinnvoll, müssen jedoch erst bei Betriebsstätten mit mehr als 1.000 Personen zur Verfügung stehen. Hinweise zu den baulichen Anforderungen und der Ausstattung von Erste-Hilfe-Räumen enthält das Arbeitsstättenrecht.
Ersthelfer und Ersthelferinnen in der Not
Damit im Ernstfall sofort Erste Hilfe geleistet werden kann, müssen in jedem Unternehmen stets genügend Ersthelfer und Ersthelferinnen zur Verfügung stehen, und zwar ab zwei anwesenden Personen eine Ersthelferin beziehungsweise ein Ersthelfer. Nehmen Beschäftigte an einer Grundausbildung einer zugelassenen Ausbildungsorganisation teil, trägt die VBG die Kosten der Lehrgänge und Trainings. Die Ersthelfer-Ausbildung erfolgt in einem neun Unterrichtseinheiten umfassenden Erste-Hilfe-Lehrgang (Grundausbildung). Nach ihrer Ausbildung müssen sich Ersthelfer und Ersthelferinnen regelmäßig fortbilden (in der Regel alle zwei Jahre). In der Unfallverhütungsvorschrift ist die erforderliche Anzahl an Ersthelferinnen und Ersthelfern festgelegt, die von der Unternehmensgröße abhängig ist:
- bei 2 bis zu 20 anwesenden Versicherten ein Ersthelfer beziehungsweise eine Ersthelferin
- bei mehr als 20 anwesenden Versicherten
a) in Verwaltungs- und Handelsbetrieben fünf Prozent der anwesenden Versicherten
b) in sonstigen Betrieben (zum Beispiel Produktions- oder Handwerksbetriebe) zehn Prozent der anwesenden Versicherten
Die erforderliche Anzahl an Ersthelfern und Ersthelferinnen im Betrieb muss zu jeder Zeit gewährleistet sein. Dabei ist der Abwesenheit von Ersthelferinnen und Ersthelfern, zum Beispiel durch Urlaub, Krankheit oder Schichtdienst, Rechnung zu tragen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat festgelegt, dass seit dem 1. April 2015 für Führerscheinbewerber eine Erste-Hilfe-Ausbildung im Umfang von neun Unterrichtseinheiten gilt. Die Erste-Hilfe-Ausbildung von Führerscheininhabern kann daher für die betriebliche Erste Hilfe anerkannt werden, sofern es sich bei der Ausbildungseinrichtung um eine zugelassene Ausbildungsorganisation gehandelt hat.
BGM – wenn es gut werden soll
Die Wirksamkeit eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) ist inzwischen durch eine Vielzahl an Studien und wissenschaftlichen Untersuchungen nachgewiesen. Dennoch gibt es immer noch Unternehmen, deren Führungskräfte der Meinung sind, sie bräuchten der Gesundheit beziehungsweise Motivation – und damit der Zufriedenheit – ihrer Beschäftigten keine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei sind die erforderlichen Maßnahmen vergleichsweise einfach und mit geringem Aufwand in die Tat umzusetzen. Mit dem Beratungsangebot „GMS – Gesundheit mit System“ unterstützt die VBG ihre Mitgliedsunternehmen bei der Einführung eines BGM. Ziele von GMS sind, einerseits eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeit und der betrieblichen Organisation sowie andererseits die Befähigung zum gesundheitsfördernden Verhalten der Beschäftigten zu erreichen. Konkrete Themen sind zum Beispiel Ergonomie, Stressprävention, Nichtraucherschutz oder Suchtprävention. Die Beratung des VBG-Expertenteams zu GMS ist für Mitgliedsbetriebe der VBG im Mitgliedsbeitrag enthalten. Auch für die Unterstützung bei einer Begehung oder einer Beurteilung der Arbeitsbedingungen, die Teilnahme an VBG-Seminaren oder die Durchführung einer VBG-Gesundheitsbefragung fallen keine zusätzlichen Kosten an. Die Experten der VBG beraten bei der Umsetzung von „Gesundheit mit System“. Grundlage der Beratung ist ein siebenstufiger GMS-Prozess. Durch GMS ist es möglich, sowohl den Gesundheitszustand als auch die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beschäftigten positiv zu beeinflussen. Studien führen als Vorteile eines BGM folgende Punkte an:
- Führungskräfte und Beschäftigte sind leistungsbereiter.
- Gesundheitskosten durch Fehlzeiten werden gesenkt.
- Die Wiedereingliederung nach Krankheit (Betriebliches Eingliederungsmanagement) ist verbessert.
- Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind besser – auch die zu den Kunden.
- Beschäftigte und Führungskräfte identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen und sind loyaler.
- Die Fluktuation der Beschäftigten ist geringer.
- Produktivität und Wirtschaftlichkeit sind höher.
- Das Image des Unternehmens verbessert sich.
Fazit
Die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements lohnt sich nicht nur für große, sondern auch für kleine Unternehmen. Denn gerade dort, wo man im kleinen Team eng zusammenarbeitet, zählt jeder Kopf. Weitergehende Informationen, zum Beispiel über Seminare zum Thema oder den GMS-Leitfaden der VBG, sind online abrufbar unter www.vbg.de/gms.