Im vergangenen Jahr sind neue Vorschriften in Kraft getreten, um die illegale Beschäftigung sowie den Missbrauch von Sozialleistungen einzudämmen. Fraglich ist, ob hierbei auch eine weitere Anklagebehörde entstanden ist.
Das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11. Juli 2019 (BGBl. I 19, S. 1066) trat in Deutschland am 18. Juli 2019 in Kraft. Die Stärkung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) steht im Vordergrund der Gesetzesänderung. Ziel des Gesetzes ist zudem, die Bekämpfung von illegaler Beschäftigung, Sozialleistungsmissbrauch sowie Schwarzarbeit mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen wirkungsvoller und effektiver auszugestalten. Insbesondere wurden die Aufgaben und Befugnisse der FKS in einem umfangreichen Maßnahmenpaket sowie in strafrechtlicher Hinsicht erheblich erweitert.
Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung
Bisher wurde Schwarzarbeit lediglich in § 1 Abs. 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) definiert. Danach leistet gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes derjenige Schwarzarbeit, der Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt. Dagegen war der Begriff illegale Beschäftigung bisher im SchwarzArbG gesetzlich nicht definiert. Nach gesetzgeberischer Intention wurde dieser Begriff aber als Sammelbegriff für eine Vielzahl von verschiedenen Tatbeständen (Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten) von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder zum Leistungsmissbrauch angesehen (vgl. Begründung des Entwurfs des SchwarzArbG 2002, Gesetzentwurf, BT-Drucks. 14/8221, S. 11). Die höchstrichterliche Rechtsprechung und vor allem das Bundessozialgericht (BSG) verstanden unter dem Begriff illegales Beschäftigungsverhältnis alle Erscheinungsformen einer illegalen Schattenwirtschaft beziehungsweise einer illegalen Beschäftigung (vgl. BSG-Urteil vom 09.11.2011 – B 12 R 18/09 R). Nun wurde in § 1 Abs. 3 SchwarzArbG die illegale Beschäftigung definiert. Danach übt derjenige eine illegale Beschäftigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 aus, der als Arbeitgeber Ausländer unerlaubt beschäftigt oder als Entleiher unerlaubt tätig werden lässt.
Illegale Beschäftigung
Im Sozialversicherungsrecht ist das Bruttoarbeitsentgelt als Berechnungsgrundlage entscheidend. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen werden aber keine Brutto-, sondern Nettoarbeitsentgelte vereinbart. Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern sowie der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung. Durch die Hinzurechnung dieser Steuern (Lohnsteuer, gegebenenfalls auch Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag), Sozialabgaben sowie Arbeitsförderungsabgaben (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile) wird ein fiktives Bruttoarbeitsentgelt für den Beschäftigten ermittelt (sogenanntes Abtastverfahren, BSG-Urteil vom 22.09.1988 – 12 RK 36/86 – BSGE 64, S. 110). Dieses fiktive Bruttoarbeitsentgelt führt, verglichen mit dem gesetzesgemäß ermittelten Bruttoarbeitsentgelt, zu einem Mehrbetrag, von dem nun nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung abzuführen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Steuern und Beiträge tatsächlich abführt.
Auslegungsprobleme
Durch die Legaldefinition der illegalen Beschäftigungsverhältnisse in § 1 Abs. 3 SchwarzArbG ist rechtlich nicht nachvollziehbar, ob bei der Schwarzarbeit nun ein Netto- oder ein Bruttoarbeitsgehalt als vereinbarter Arbeitslohn herangezogen wird. Denn § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV regelt ausdrücklich, dass ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart nur dann gilt, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung nicht entrichtet worden sind, unabhängig davon, ob überhaupt Arbeitsentgelt gezahlt wurde. Dass bei Schwarzarbeit auch ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart gilt, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. In Fällen, in denen in der Praxis Steuern, Sozialversicherungs- und Arbeitsförderungsbeiträge vorenthalten wurden, ist nach jetziger Gesetzeslage also kein Fall einer illegalen Beschäftigung nach § 1 Abs. 3 SchwarzArbG gegeben, denn insoweit ist ein Verstoß gegen die Abführung von Steuern, Sozialversicherungs- und Arbeitsförderungsbeiträgen gesetzlich nicht geregelt. In derartigen Fällen liegt ausschließlich Schwarzarbeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SchwarzArbG vor. Nach dem aktuellen Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt bei der Schwarzarbeit das Bruttoarbeitsentgelt als vereinbart, da nach dieser Vorschrift ein Nettoarbeitsentgelt nur bei illegaler Beschäftigung zur Anwendung kommt. Diese Unklarheiten müssen rechtlich geklärt werden. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere die des BSG, fehlt allerdings noch. Sofern einem Mandanten Schwarzarbeit und/oder das Vorenthalten von Steuer- und Sozialbeiträgen vorgeworfen wird, ist das zuständige Gericht auf diese Auslegungsproblematik unbedingt hinzuweisen.
Ordnungswidrigkeiten
In § 8 Abs. 1 bis 5 SchwarzArbG werden Ordnungswidrigkeiten definiert. Neu sind die Absätze 3 bis 5. Ordnungswidrig handelt derjenige Arbeitgeber, der eine in § 266a Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) bezeichnete Handlung leichtfertig begeht und dadurch der Einzugsstelle Sozialbeiträge sowie Beiträge der Arbeitsförderung leichtfertig vorenthält (§ 8 Abs. 3 SchwarzArbG). Ordnungswidrig handelt auch, wer einen Beleg manipuliert, ihn in Verkehr bringt, das Erbringen oder Ausführenlassen einer Leistung vorspiegelt, und dadurch Schwarzarbeit oder illegale Beschäftigung ermöglicht (§ 8 Abs. 4 SchwarzArbG). Ordnungswidrig handelt schließlich, wer durch Handlungen nach § 8 Abs. 5 SchwarzArbG Vermögensvorteile großen Ausmaßes erlangt oder als gewerbsmäßiges Bandenmitglied handelt. Zu beachten ist, dass diese Ordnungswidrigkeiten je nach der Schwere der begangenen Tat mit einer Geldbuße von 1.000 bis zu 500.000 Euro geahndet werden können (§ 8 Abs. 6 SchwarzArbG). In § 8 Abs. 9 Nr. 1 bis 3 SchwarzArbG ist ähnlich wie in § 266a Abs. 6 Nr. 1 bis 2 StGB die sogenannte tätige Reue geregelt, die eine straffreie Rückkehr in die Legalität ermöglicht, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 9 Nr. 1 bis 3 SchwarzArbG kumulativ erfüllt sind.
Gerichtliches Bußgeldverfahren
Durch den neuen § 12 Abs. 5 SchwarzArbG hat die FKS als zuständige Verwaltungsbehörde im Ordnungswidrigkeitsverfahren nun die Möglichkeit, mit ihrer Sachkenntnis die Hauptverhandlung zu fördern. Damit wird die FKS viel effizienter in gerichtliche Ordnungswidrigkeitsverfahren eingebunden. In § 12 Abs. 5 SchwarzArbG ist weiter geregelt, dass das Gericht der FKS Gelegenheit gibt, Gründe vorzubringen, die aus ihrer Sicht für die Entscheidung von Bedeutung sind, sofern die Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung nach § 75 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) nicht teilnimmt. Das gilt auch, wenn das Gericht in Erwägung zieht, das Verfahren einzustellen. Vertreter der FKS erhalten in der Hauptverhandlung auf Verlangen das Wort.
Ihnen ist gestattet, Fragen an Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu richten. § 75 Abs. 2 OWiG regelt, dass es der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens (§ 47 Abs. 2 OWiG) sowie zur Rücknahme des Einspruchs durch den Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht bedarf, sofern die Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung eines gerichtlichen Ordnungswidrigkeitsverfahrens nicht teilnimmt.
Durchführung von Ermittlungsverfahren
Ganz neu ist auch § 14a SchwarzArbG. Diese Vorschrift sieht insbesondere vor, dass die FKS selbstständige Ermittlungsbefugnisse hat, wenn es sich ausschließlich um eine Straftat nach § 266a StGB handelt und die Staatsanwaltschaft die Strafsache an die FKS abgegeben hat. Der Vorschrift ist zu entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft nach wie vor die Herrin des Verfahrens ist, weil sie als erste Ermittlungsbehörde für strafrechtliche Ermittlungen ursprünglich zuständig ist. Dem eindeutigen Wortlaut des § 14a Abs. 1 SchwarzArbG nach muss die Staatsanwaltschaft die Strafsache an die FKS abgegeben haben, wobei der Vorschrift nicht zu entnehmen ist, dass die Staatsanwaltschaft dies zwingend tun muss. Zudem regelt § 14a Abs. 4 SchwarzArbG ausdrücklich, dass die Staatsanwaltschaft die Strafsache jederzeit wieder an sich ziehen kann. In § 14a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 8 SchwarzArbG ist außerdem geregelt, dass in besonderen Fällen, wenn etwa eine Freiheitsstrafe zu erwarten oder die Strafsache von besonderer Schwierigkeit ist, die Ermittlungsbehörde für § 266a StGB nach wie vor die Staatsanwaltschaft bleibt. Durch § 14a Abs. 2 SchwarzArbG wird daher die Abgabebefugnis der Staatsanwaltschaft an die FKS begrenzt. In § 14a Abs. 3 SchwarzArbG ist schließlich geregelt, dass bei Gefahr im Verzug die Ermittlungen und Anordnungen nach wie vor durch die Staatsanwaltschaft erfolgen müssen.
Rechte und Pflichten der FKS
Ebenfalls neu ist die Einführung von § 14b SchwarzArbG. Abs. 1 dieser Vorschrift ermöglicht es der FKS, Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahrzunehmen, die jener Behörde im Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung (StPO) zustehen. Nach § 14b Abs. 2 SchwarzArbG kann die FKS jedoch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nicht damit beauftragen, die Ermittlungen für sie vorzunehmen. Die FKS kann nach § 14b Abs. 3 SchwarzArbG einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten beim Amtsgericht (Strafgericht) nur über die Staatsanwaltschaft stellen, wenn die Ermittlungen ausreichend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten. Dieses Antragsverfahren wird meines Erachtens das Strafbefehlsverfahren in der Praxis zusätzlich verkomplizieren, denn es sind drei Behörden (FKS, Staatsanwaltschaft und Strafrichter) involviert, die über den Gang des Strafbefehlsverfahrens zu entscheiden haben. Zudem ist unklar, ob die Staatsanwaltschaft nach einem Antrag der FKS als zwischengeschaltete Institution noch selbstständig in dieses Verfahren eingreifen kann, bevor der Antrag der FKS den Strafrichter erreicht hat. Außerdem kann die FKS Geldbußen gemäß § 444 Abs. 3 der Strafprozessordnung gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung selbstständig festsetzen.
Fazit
Das neue SchwarzArbG bringt enorme Rechtsunsicherheit für die Bürger hinsichtlich der unklaren Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV mit Blick auf die Schwarzarbeit. Zudem wurde mit den erheblich erweiterten Befugnissen der FKS quasi eine neue Anklagebehörde geschaffen, denn die FKS kann über die Staatsanwaltschaft selbstständig Strafbefehle beantragen beziehungsweise Geldbußen gegen juristische Personen sowie Personenvereinigungen festsetzen.