Psychologie des Wandels - 28. Juli 2016

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Warum tun sich Menschen oft so schwer, etwas um­zu­setzen, von dem sie ei­gent­lich über­zeugt sind? Warum ge­schehen Dinge einfach nicht, die of­fen­sicht­liche Vor­teile bieten? Aus psycho­lo­gischer Sicht gibt es dafür einige Gründe.

Umsetzung ist vor allem eine Frage des Verhältnisses von Motivation und Ausreden. „Aller Anfang ist schwer“ weiß der Volksmund, was gern als Ausrede verwendet wird. Bei Hermann Hesse hingegen wohnt jedem Anfang ein Zauber inne, der als Motivation dienen kann.
Um den Zauber des Neuen zu entfachen und sich seine Chancen bewusst zu machen, muss erst einmal die Trägheit, die Bequemlichkeit, die in alten aus­ge­fah­re­nen Gleisen bleiben will, überwunden werden. Das ist nicht einfach, denn das Alte stützt sich auf stabile Felder. Dem Neuen gilt es, erst ein Feld zu bauen. Wie das funktioniert, konnte man an der letzten Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland sehen. „Zu Gast bei Freunden“ war das Motto, das sich das österreichische Kunst- Allround-Talent André Heller ausgedacht hatte. Nicht gerade ein Slogan, der einem spontan zu Deutschland einfällt. Den Ver­an­stal­tern aber gelang es mit viel Geschick, dieses neue Feld zu inszenieren. Zum Schluss passte in diesem Sommermärchen alles bis hin zum Wetter. Nicht einmal das Ausscheiden des Gastgebers im Halbfinale konnte das neue Feld (zer)brechen. Dies zeigt: Wer einer neuen Idee ein Feld schafft, hat schon fast gewonnen.

Zurück zum Ursprung

Um allerdings von der Motivation zur Umsetzung zu kommen, ist es wichtig, sich zurück auf die Quelle zu besinnen. Dass eben tatsächlich der Anfang entscheidend ist, belegt inzwischen auch die moderne Wissenschaft. Dieser liegt beim Thema Motivation, wie der Name schon sagt, im Motiv, also im Bild. Für nachhaltigen Erfolg ist es also zwingend, sich ein Bild zu machen und sich dieses so auszumalen, wie das Ergebnis sein soll. Wer also Ordnung schaffen will, sollte sich ein Bild vom jeweiligen Büro, Schreibtisch oder Aktenschrank in ideal durchstrukturiertem und geordnetem Zustand ausmalen. Diese Zeit zu investieren lohnt sich immer, denn dem ersten Bild folgt die Wirklichkeit. Dass dies funktioniert, zeigt sogar schon die Schöpfungsgeschichte. Am Anfang war ein Bild, nämlich das von Gott. Nach diesem Ebenbilde schuf er Adam Kadmon, den ersten Menschen. Vor dem Bild aber gab es die Idee: „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott.“ Erst danach ging es an die Umsetzung.

Der Weg ist das Ziel

Auch bei großer Motivation wird nichts passieren, wenn die Ausreden noch mächtiger sind.

Nach der ersten Idee gilt es, eine Affinität be­zie­hungs­weise Re­so­nanz zum Pro­zess des Wegs und zum Er­reichen des End­er­geb­nis­ses zu schaf­fen. In unserem Bei­spiel fragen wir uns also, ob es beim Ordnen etwas gibt, was uns an­spricht, Freude macht, zum Bei­spiel das Aus­mus­tern von Altem. Dabei müssen na­tür­lich et­waige Hin­der­nis­se und Aus­re­den von An­fang an ins Auge ge­fasst werden. Steine, die uns in den Weg ge­legt werden, sind das beste Bau­ma­te­rial für das Ziel. Was die Motivation angeht, ist zu bedenken, dass es nur Ergebnisse geben kann, wenn die Motivation das Niveau der Ausreden übersteigt. Auch bei großer Motivation wird nichts passieren, wenn die Ausreden noch mächtiger sind. Andererseits braucht es nicht viel Motivation, wenn es keine Ausreden gibt. Selbst anfänglicher Widerstand, also eine gleich­sam negative Motivation, kann noch zu Er­geb­nis­sen führen, wenn Ausreden fehlen. Am konkreten Beispiel: Ein Mann stand der von seiner Frau initiierten Er­näh­rungs­um­stel­lung auf Peace Food, also pflanzlich-vollwertige Kost unter Fleisch­ver­zicht, mehr als skep­tisch gegenüber. Er hatte jedoch keinerlei Lust, eigene Er­näh­rungs­wege zu gehen und selbst zu kochen. Also aß er wider­willig, aber für ihn auch alter­na­tiv­los mit und nörgelte nach eigenen Aussagen kräftig am Essen herum. Ein Dreivierteljahr später hatten sich seine Blutwerte deutlich verbessert, Ri­si­ko­fak­toren waren ver­schwun­den. Er selbst hatte zwar den sukzessiven Verlust seines Übergewichts bemerkt, aber kein großes Thema daraus gemacht. Als nach über einem Jahr seine Fortschritte im Hinblick auf Lebensenergie und -freude nicht mehr zu leugnen waren, stellte er sich positiver zur neuen Kost und teilte seine Begeisterung seinen Kollegen mit. Hier hatte also der Mangel an Alternativen und Ausreden die Motivation völlig ersetzt. Sie entstand sozusagen nachträglich, als der Mann anfing, seinen Kollegen von der wundersamen Wandlung auf so vielen Ebenen erst vorsichtig und dann immer engagierter zu erzählen.

Die ideale Motivation

Die Wissenschaft hat inzwischen herausgefunden, dass sogenannte intrinsische (von innen kommende) Motivation weiter reicht und besser trägt als extrinsische (von außen an einen herangetragene) Motivation. Das heißt nicht, dass äußere Motivation nicht wirkt, nur sollten wir die aus unserem Inneren kommende Motivation besonders schätzen und nähren. Aus wis­sen­schaft­licher Sicht erscheint es hier noch wichtig, einerseits Selbstinteresse und Sorge um andere zu unterscheiden, aber andererseits auch beide zu mobilisieren. Idealerweise kommen beide zusammen. Das ist dann gegeben, wenn wir einsehen, wie viel der Schritt ins Neuland uns selbst bringt, aber auch, was für große Vorteile sich für alle anderen daraus ergeben. So kommt die ideale Motivation vor allem aus dem eigenen Inneren, wird von außen verstärkt und ist von der Sorge um das eigene Fortkommen und das anderer getragen. Es stützt sich auf gut definierte und in ein Bild gefasste Prioritäten und Ziele und verfügt über eine starke emotionale Verbindung zum erwünschten Endergebnis.

Umsetzung in Bildern

Für die konkrete Umsetzung ist die Arbeit mit inneren Bildern besonders wichtig. Wer sich das fertige Ergebnis lebhaft und in farbigen Bildern vor seinem inneren Auge vorstellen kann, ist eindeutig im Vorteil. Beispiel Mentaltraining für Sportler: Ein Abfahrer, der die Strecke im Geist 30-mal gefahren ist und zweimal konkret, hat riesige Vorteile gegenüber jenem, der sie nur zweimal konkret gefahren ist. Das lässt sich auch auf Mannschaftssport und generell auf Teams über­tragen. Hier ist natürlich auch die Stimmung innerhalb des Teams von ganz entscheidender Be­deu­tung für die Gesamtwertung. Will heißen, es wäre sehr wünschenswert, wenn jeder Team­player seine Rolle (an)erkennt, schätzt und ihren Wert für den Mannschaftssieg versteht und verinnerlicht.

Die Wichtigkeit von Feldern

Ein Team ergibt sich am besten, wenn das Feld stimmt und alle am gleichen Strang ziehen. Zum Feld gehören viele kleine Symbole, die alle miteinander zusammenhängen. Ein Beispiel: Alle Mitarbeiter eines Unternehmens waren froh, als der Chef sich endlich von seiner Frau trennte, die auch im Betrieb keine richtige Rolle hatte, aber überall mitmischte. Obwohl der Chef nun ungleich besserer Stimmung war, ging es mit der Firma bergab, Sand kam ins Getriebe. Rasch war die Ursache gefunden. Die ausgeschiedene Exfrau hatte zwar keine Funktion bekleidet, aber das Feld gepflegt, indem sie für frische Blumen sorgte, sich an alle Geburtstage erinnerte und einfach jeden in der Firma kannte. Sie fehlte jetzt zwar nirgends richtig, aber in Wirklichkeit doch überall. Weder eine Floristin noch eine Human-Relations-Spezialistin konnten sie ersetzen. Als sie wieder angestellt wurde – ohne speziellen Geschäftsbereich –, kam wieder Öl ins Getriebe. Eines der Schicksalsgesetze, der Spiel­regeln des Lebens, besagt: Im Anfang liegt alles. Also geht es darum, mit frischem Mut zu starten und kleine Zeichen zu setzen und wichtige Symbole zu nutzen, sich also gegenseitig Mut zu machen, das Neue als Zeichen einer neuen Zeit he­raus­zu­stellen. Wesentlich ist auch, dass Entscheidungsträger und Vorgesetzte mit gutem Beispiel vorangehen und selbst beginnen, statt abzuwarten: Eine Treppe kehrt man am besten von oben nach unten.

Zum Autor

RD
Dr. med. Ruediger Dahlke

Der Seminarleiter und Referent entwickelte die ganzheitliche Psychosomatik von „Krankheit als Symbol“ und bildet darin aus. Seine Bücher liegen in 28 Sprachen vor. „Schicksalsgesetze“ und „Schattenprinzip“ vermitteln die Basis, die „Peace Food“-Reihe und „Das Geheimnis der Lebensenergie“ machten den veganen Lebensstil in Deutschland populär. Dahlkes integrale Medizinausbildung führt zum Zusatztitel Arzt für Naturheilverfahren. Seine Fasten(Wander)-, Atem- und Philosophie-Seminare gibt er vor allem im eigenen Zentrum TamanGa in der Südsteiermark.

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