Das Jahressteuergesetz führt auch zu umsatzsteuerlichen Gesetzesänderungen. Diese sollen vor allem an europäisches Recht und höchstrichterliche Rechtsprechung angepasst werden.
Für die umsatzsteuerrechtlichen Regelungen sind fünf Artikel und zwar Art. 20, 21, 22, 23 und 24 im Gesetzesentwurf vorgesehen, wobei Art. 23 und 24 die Änderungen der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) betreffen. Art. 20 soll am Tag nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten, Art. 21 und 23 am 1. Januar 2025 und Art. 22 und 24 am 1. Januar 2026.
Art. 20 Jahressteuergesetz (JStG)
Nach § 29 Umsatzsteuergesetz (UStG) wird ein neuer § 30 UStG eingefügt, der den Austritt Großbritanniens (UK) aus der Europäischen Union (EU) umsatzsteuerrechtlich regelt. Nach § 30 UStG wird das Gebiet Nordirlands wie übriges Gemeinschaftsgebiet für nach dem 31. Dezember 2020 ausgeführte Lieferungen und innergemeinschaftliche Erwerbe behandelt. Eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) mit dem Präfix XI gilt als eine von einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-ID. Eine durch das UK erteilte individuelle ID gilt als von einem Mitgliedstaat der EU erteilte individuelle ID. Eine Werklieferung liegt laut Bundesfinanzhof (BFH) vor, wenn die Werkherstellerin oder der Werkhersteller einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet und dafür selbstbeschaffte Stoffe verwendet, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2013 – V R 37/10, BStBl II 2014 S. 128). In der Regelung zur Werklieferung in § 3 Abs. 4 S. 1 UStG wird vor dem Wort „Gegenstand“ das Wort „fremd“ eingefügt, da eine Werklieferung die Beoder Verarbeitung eines fremden Gegenstands voraussetzt, was sowohl der BFH-Rechtsprechung als auch der Auffassung der Finanzverwaltung entspricht. In § 13c Abs. 1 UStG wird ein neuer Satz angefügt, dass mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Umsatzsteuer im Sinne des Satzes 1 auf abgetretene Forderungen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung eine Insolvenzforderung darstellt und noch nicht fällig geworden sind, im Verhältnis zum Abtretungsempfänger als fällig gilt. Es handelt sich dabei um Fälligkeitsfiktion. Dies entspricht der BFH-Rechtsprechung. In § 14c Abs. 2 S. 2 UStG wird ergänzend geregelt, dass eine Person den zu Unrecht ausgewiesenen Betrag auch dann schuldet, wenn der Steuerausweis in einer Gutschrift erfolgt, und zwar auch dann, wenn eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht von einem Unternehmer oder sonst wie ausgeführt wird. Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UStG gilt eine Gutschrift allerdings nur dann als Rechnung, wenn über eine Lieferung oder sonstige Leistung eines Unternehmers abgerechnet wird und dies vorher vereinbart wurde. Ist die Leistung nicht von einem Unternehmer erbracht worden, liegt keine Gutschrift vor, die einer Rechnung gleichsteht. Somit kann der Gutschriftsempfänger keine Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 S. 1 UStG schulden (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2019 – V R 23/19, BStBl II 2021, S. 542). Wenn dagegen über eine nicht erbrachte Leistung zwischen Unternehmern durch Gutschrift abgerechnet wird, greifen die Rechtsfolgen des § 14c Abs. 2 UStG ein. Entgegen der gefestigten BFH-Rechtsprechung und entgegen dem Wortlaut des Gesetzes des § 14 Abs. 2 S. 2 UStG wird mangels einer Unternehmereigenschaft in Fällen der Gutschrift dennoch eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründet. In einem solchen Fall würde es sich um ein sogenanntes Nichtanwendungsgesetz handeln und eine widersprüchliche gesetzliche Regelung wäre rechtlich äußerst bedenklich. Mit Satz 3 des § 15 Abs. 4 UStG wird die Vorsteueraufteilung im Sinne des § 15 Abs. 4 UStG klarstellend geändert. Klargestellt wird, dass im Fall einer Vorsteueraufteilung eine Berechnung der nicht abzugsfähigen Vorsteuern nach dem Gesamtumsatzschlüssel erst dann möglich ist, wenn dieser der einzig mögliche Aufteilungsmaßstab ist. Damit sind die anderen, präziseren Aufteilungsmethoden vorzuziehen.
Art. 21 und 23 JStG
Bei der Leistungsortsbestimmung wird § 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG in Nr. 3 und Nr. 3a geändert. Der Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 S. 1 UStG bei kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Leistungen, wie solche im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen, an einen Leistungsempfänger, der kein Unternehmer ist, ist dort, wo diese vom Unternehmer tatsächlich erbracht werden. Werden die Leistungen per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht, gilt abweichend von Satz 1 nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 S. 2 UStG als Ort der sonstigen Leistung der Ort, an dem der nichtunternehmerische Leistungsempfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Mit den Gesetzesänderungen der Leistungsortbestimmung werden insbesondere Leistungen, die per Streaming übertragen oder anderweitig virtuell verfügbar gemacht werden, dort besteuert, wo der nichtunternehmerische Leistungsempfänger ansässig ist beziehungsweise seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Bei § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG wird Satz 2 neu eingefügt: „Dies gilt nicht im Falle einer virtuellen Teilnahme.“ Die Einräumung der Eintrittsberechtigung zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen, wie Messen und Ausstellungen, sowie die damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen an einen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine USt-ID erteilt worden ist, werden an dem Ort nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG erbracht, an dem die Veranstaltung tatsächlich durchgeführt wird. Der Veranstaltungsort wird nun für virtuelle Teilnahme im B2B-Geschäft nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 S. 2 n. F. UStG nicht gelten. Hier gilt als Leistungsort, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 UStG), wenn die Eintrittsberechtigung eine virtuelle Teilnahme ermöglicht (§ 3a Abs. 3 Nr. 5 S. 2 UStG-E). Der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG wird angepasst, indem öffentliche und private Einrichtungen gleichgesetzt werden. Außerdem wird der Sport- und Hochschulunterricht von Privatlehrern in der Steuerbefreiungsvorschrift ausdrücklich erfasst.
Kleinunternehmerregelung
Die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG wird reformiert. Außerdem werden ein neuer § 19a UStG und ein neuer § 34a UStDV eingefügt. Die im Inland ansässigen Unternehmer können die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG nicht nur im Inland, sondern auch nach § 19a n. F. UStG in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch nehmen. Dazu muss man an dem besonderen Meldeverfahren für Kleinunternehmer beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) teilnehmen. Das BZSt erteilt für die Teilnahme eine Kleinunternehmer- Identifikationsnummer. Weitere Voraussetzungen für die Teilnahme am besonderen Meldeverfahren sind in § 19a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis Nr. 4 n. F. UStG geregelt. Eine der Voraussetzungen ist, dass der ermittelte Jahresumsatz des Unternehmers im Gemeinschaftsgebiet im vorangegangenen Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet und dass der Unternehmer die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer des Mitgliedstaats, der die Steuerbefreiung gewährt, erfüllt. Der am besonderen Meldeverfahren teilnehmende Unternehmer muss nach § 19a Abs. 3 n. F. UStG für jedes Kalendervierteljahr eine Umsatzmeldung abgeben. Diese muss er innerhalb eines Monats nach Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres ausschließlich auf elektronischem Weg mittels amtlich vorgeschriebenem Datensatz an das BZSt übermitteln. Die Regelung nach § 19 Abs. 4 n. F. UStG ermöglicht es auch im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern, die Kleinunternehmerregelung in Deutschland anzuwenden. In § 19 Abs. 1 n. F. UStG werden von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer befreit. Dadurch wird im Gegensatz zum bisherigen § 19 Abs. 1 n. F. UStG eine echte Steuerbefreiung eingeführt. Nach dem bisherigen § 19 Abs. 1 n. F. UStG wurde die geschuldete Umsatzsteuer lediglich nicht erhoben. Befreiungsvoraussetzung des § 19 Abs. 1 n. F.UStG ist, dass der inländische Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 2 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschreitet. Außerdem wird in der UStDV ein neuer § 34a UStDV für vereinfachte Rechnungen von Kleinunternehmern eingeführt. In § 34a Nr. 1 bis Nr. 6 UStDV sind die zwingenden inhaltlichen Vorgaben bei der Ausstellung der Rechnungen von Kleinunternehmern geregelt. Diese Regelung ähnelt stark der von § 14 Abs. 4 UStG. Wegen der Änderungen der Kleinunternehmerregelungen werden Vorsteuerabzugsvorschriften nach §§ 15, 15a UStG angepasst. Danach wird ein neuer § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 n. F. UStG mit dem kursiven Text angefügt: Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet: „Umsätze im übrigen Gemeinschaftsgebiet, die aufgrund der Sonderregelung für Kleinunternehmer des jeweiligen Mitgliedstaates steuerfrei sind.“ Entsprechend wird § 15 Abs. 3 UStG folgender Satz angefügt: „Satz 1 gilt nicht für Umsätze, die auch unter Abs. 2 S. 1 Nr. 3 oder § 19 fallen.“ Dies bedeutet, dass der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG in den Fällen § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 n. F. UStG oder § 19 n. F. UStG eintritt. In § 27 Abs. 22a S. 1 UStG sollen die Angabe „1. Januar 2023“ durch die Angabe „1. Januar 2025“ und die bisherige Angabe „1. Januar 2025“ durch die Angabe „1. Januar 2027“ ersetzt werden. Hierdurch soll die Übergangsfrist für die zwingende Anwendung der Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand nach § 2b UStG erneut um weitere zwei Jahre bis einschließlich 31. Dezember 2026 verlängert werden.
Art. 22 JStG
Die steuerfreien Umsätze nach § 4 Nr. 4a UStG und die zugehörige Anlage 1 sollen aufgehoben werden. Die Vorsteuer ist nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 n. F. UStG abziehbar, wenn der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt und soweit eine Zahlung auf eine ausgeführte Leistung erbracht worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) berechnet. Damit soll der Vorsteuerabzug bei Leistungsbezug von einem Ist-Versteuerer geregelt werden. Dadurch soll gleichzeitig eine neue Rechnungspflichtangabe „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ im § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6a n. F. UStG eingeführt werden, was auch entsprechend für Kleinbetragsrechnungen nach § 33 UStDV und Fahrausweise nach § 34 UStDV umgesetzt werden soll.
Fazit
Das Umsatzsteuerrecht ist seit Jahren wegen seiner enormen Komplexität sehr unüberschaubar. Abgesehen von den Änderungen der Kleinunternehmerregelung, deren gesetzliche Notwendigkeit in dem gegebenen Umfang zu hinterfragen ist, ist dem Gesetzgeber durch das JStG 2024 kein großer Wurf gelungen. Denn es handelt sich dabei überwiegend um punktuelle, kosmetische Gesetzesmaßnahmen.
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