Gewerbeerlaubnis - 25. März 2021

Wer zu spät zahlt, den bestraft das Leben

Steuerrückstände sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Dies kann unter Umständen sogar eine Gewerbeuntersagung zur Folge haben, die dann nur schwer wieder aus der Welt zu schaffen ist.

Die Finanzämter sind zur Offenbarung erheblicher Steuerrückstände gegenüber den Ordnungsbehörden gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5 der Abgabenordnung (AO) befugt und machen von dieser Möglichkeit vielfach Gebrauch. Dem Gewerbetreibenden droht dadurch eine (erweiterte) Gewerbeuntersagung, deren sofortige Vollziehung die Ordnungsbehörden zumeist anordnen. Mit anderen Worten: Von einem auf den anderen Tag ist der Laden dicht! Welche Voraussetzungen eine (erweiterte) Gewerbeuntersagung hat und wie man ihr effektiv begegnen kann, soll der Beitrag zeigen.

Rechtsgrundlagen

Die Rechtsgrundlagen für die Gewerbeuntersagung in steuerlichen Sachverhalten unterscheiden sich danach, ob es sich um ein erlaubnispflichtiges oder ein nicht erlaubnispflichtiges Gewerbe handelt. Bei einem erlaubnispflichtigen Gewerbe erfolgt der Widerruf der Gewerbeerlaubnis nach den jeweils einschlägigen Spezialnormen, beispielsweise gemäß § 15 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Gaststättengesetz (GastG). Bei einem nicht erlaubnispflichtigen Gewerbe richtet sich die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO). Gravierende Unterschiede ergeben sich daraus bei steuerlichen Sachverhalten zunächst nicht. Sowohl der Widerruf der Gewerbeerlaubnis als auch die Untersagung des Gewerbes setzen jeweils die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden voraus. So ist gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GewO die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.

Schlüsselbegriff Unzuverlässigkeit

Notwendige Voraussetzung einer jeden Gewerbeuntersagung ist somit stets die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Frage der Zuverlässigkeit ist immer eine Prognoseentscheidung. Die Prognose ist anhand einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu treffen. Das Ergebnis einer solchen Gesamtbetrachtung ist naturgemäß schwer abzusehen. Die Rechtsprechung hat jedoch Fallgruppen herausgebildet und so dem Begriff der Unzuverlässigkeit Konturen verliehen.

Beurteilungszeitpunkt

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine Person unzuverlässig ist, ist der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Die letzte behördliche Entscheidung ist entweder der Erlass der Verfügung mit der Untersagung oder der Erlass des Widerspruchsbescheids. Treten später, also während des gerichtlichen Verfahrens, Tatsachen auf, die eine Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden begründen, berücksichtigt das Gericht diese nicht mehr. Dem Gewerbetreibenden verbleibt allein die Möglichkeit, einen Antrag auf Wiedergestattung des Gewerbes bei der Behörde zu stellen (§ 35 Abs. 6 GewO). Daher hat eine erfolgreiche Verteidigung schon vor Erlass der Gewerbeuntersagung zu beginnen. Hat der Mandant Steuerschulden, sollte schnellstmöglich ein Sanierungskonzept mit dem Finanzamt ausgearbeitet werden.

Unzuverlässigkeit in steuerlichen Sachverhalten

Grundsätzlich ist die Prognose der Unzuverlässigkeit durch Betrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu treffen. In steuerlichen Sachverhalten werden jedoch häufig zwei Argumente für die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ins Feld geführt.

Erhebliche Steuerschulden

Erhebliche Steuerschulden sind ein gewichtiger Anhaltspunkt für die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Nicht pauschal beantwortet werden kann die Frage, wann Steuerschulden erheblich sind. Nach der Rechtsprechung kommt es nicht auf feste Grenzwerte, sondern auf eine Gesamtbetrachtung im Einzelfall an. Kriterien sind die Höhe der Steuerschuld, die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen Verpflichtungen nicht oder nur unzureichend nachgekommen ist, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gewerbetreibenden und ob es sich um gewerbebezogene Steuern handelt. Jedenfalls ist bei hohen Steuerschulden im unteren bis mittleren fünfstelligen Bereich eine Verteidigung mit dem Argument, die Schulden seien nicht erheblich, aussichtslos.

Steuerstraftaten

Eine gewerbebezogene Steuerstraftat kann, jedenfalls nach einem bemerkenswerten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, ganz ohne weitere Anhaltspunkte zu einer Unzuverlässigkeit führen. Maßgeblich ist allein, ob sich aus dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt, dass der Gewerbetreibende sein Gewerbe auch in Zukunft nicht ordnungsgemäß führen wird. Infrage kommt eine solche negative Prognose nur bei einer gewichtigen Steuerstraftat (im konkreten Urteil: Geldstrafe in Höhe von 300 Tagessätzen), die zudem planvoll und absichtlich begangen wurde und bei der auch das Nachtatverhalten des Beschuldigten nicht auf Reue und Einsicht schließen ließ. Entscheidend dürfte damit sein, ob sich der Beschuldigte bereits im Ermittlungsverfahren reuig zeigt und tatkräftig an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt. In diesem Fall wird man ihm unterstellen müssen, dass er seine Einstellung grundlegend geändert hat und nun in der Lage ist, sein Gewerbe ordnungsgemäß zu betreiben. Gerade an diesem Punkt besteht erhebliches Verteidigungspotenzial. Zwar ist der oben genannte Beschluss eine Einzelfallentscheidung, die bisher (noch) ohne Nachahmer geblieben ist, dennoch sollte er bei der Verteidigung Gewerbetreibender in Steuerstrafsachen nicht unbeachtet bleiben.

Weitere Umstände

Erhebliche Steuerschulden beziehungsweise -straftaten sind jedoch nur einzelne Gesichtspunkte im Rahmen einer weitergehenden Gesamtbetrachtung. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus einem Zusammentreffen beider Aspekte ergeben. Außerdem gibt es weitere Gesichtspunkte, die gerade im Zusammenhang mit steuerlichen Sachverhalten häufig auftreten und zusätzliche Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit sein können. Zu nennen sind beispielsweise Schulden gegenüber Sozialversicherungsträgern, Berufsgenossenschaften, Kammern, erfolglose Vollstreckungsversuche des Finanzamts oder der Versuch, solche zu vereiteln.

Erweiterte Gewerbeuntersagung

Kommt die Behörde zu dem Schluss, dass der Gewerbetreibende auch in Bezug auf andere Gewerbe unzuverlässig ist und gilt als wahrscheinlich, dass er nach der konkreten Untersagung eines Gewerbes ein anderes Gewerbe ausüben wird, so kann sie eine erweiterte Gewerbeuntersagung erlassen. Dies wird sie in steuerlichen Sachverhalten in der Regel tun, weil steuerliche Pflichtverletzungen stets zu einer gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit führen. Anders kann dies bei erlaubnispflichtigen Gewerben sein. Bei diesen richtet sich der Widerruf regelmäßig nach Spezialvorschriften, die keine § 35 Abs. 1 S. 2 GewO vergleichbare Regelung vorsehen. Eine Anwendung des § 35 Abs. 1 S. 2 GewO soll neben diesen Spezialvorschriften dann ausscheiden (vgl. § 35 Abs. 8 GewO). Die Folge ist, dass es beispielsweise im Gaststättenrecht keine erweiterte Gewerbeuntersagung gibt. Abgesehen von diesem Ausnahmefall trifft eine Gewerbeuntersagung denjenigen, der steuerliche Pflichten verletzt hat, stets besonders hart. Ihm wird nicht nur sein gegenwärtig ausgeübtes Gewerbe, sondern auch zukünftig jedes weitere Gewerbe untersagt.

Sanierungskonzept und Tilgungsplan

Hat ein Gewerbetreibender Steuerrückstände, läuft er Gefahr, Adressat einer (erweiterten) Untersagungsverfügung zu werden. Dieser Gefahr entgeht er nicht schon dadurch, dass er weitere Steuerschulden vermeidet. Es gibt dennoch ein probates Verteidigungsmittel, nämlich den Tilgungsplan. Möchte der Gewerbetreibende trotz Steuerrückständen der Gefahr einer Untersagungsverfügung entgehen, so empfiehlt es sich, möglichst frühzeitig mit dem Finanzamt einen Tilgungsplan auszuarbeiten. Spätestens wenn die Ordnungsbehörde den Erlass einer Untersagungsverfügung ankündigt und den Gewerbetreibenden anhört, sollte dieser ein tragfähiges Sanierungskonzept präsentieren können. Ein Gewerbetreibender ist trotz erheblicher Steuerschulden nämlich dann zuverlässig, wenn er ein tragfähiges Sanierungskonzept mit dem Finanzamt ausgearbeitet hat. Tragfähig ist ein Sanierungskonzept, wenn es die Befriedigung aller Gläubiger ermöglicht und erwarten lässt, dass die Verbindlichkeiten innerhalb überschaubarer Zeit auf einen Stand zurückgeführt werden, der keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit mehr gibt. Überschaubar dürfte jedenfalls ein Tilgungszeitraum von zwei Jahren sein. Zu erwähnen ist an dieser Stelle jedoch, dass die durch den Tilgungsplan (wieder) hergestellte Zuverlässigkeit entfällt, wenn der Gewerbetreibende diesen oder seine übrigen steuerlichen Pflichten nicht (ordnungsgemäß) erfüllt.

Fazit

Auch im Hinblick auf die Gewerbeerlaubnis empfiehlt es sich, Steuerrückstände nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und möglichst früh ein Sanierungskonzept mit dem Finanzamt zu erarbeiten. Tut man das nicht, droht eine (erweiterte) Gewerbeuntersagung, der nach ihrem Erlass sehr schwer beizukommen ist. Schwieriger ist die Gemengelage in einem Steuerstrafverfahren. Eine umfassende Kooperation ist – je nach Verteidigungskonzept – nicht in jedem Fall angezeigt. Handelt es sich bei der im Raum stehenden Steuerhinterziehung jedoch um eine gewerbebezogene Tat und ist das Gewerbe für den Beschuldigten von existenzieller Bedeutung, sollte schon während des Verfahrens auf die Vermeidung einer Gewerbeuntersagung hingearbeitet werden. Nach Abschluss des Verfahrens ist diese kaum noch zu verhindern.

Zu den Autoren

Dr. h.c. Michael Bärlein 

Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei DANCKERT BÄRLEIN SÄTTELE Rechtsanwälte in Berlin. Er ist zudem Ehrendoktor der Mongolian University of Arts and Culture.

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Nicholas Brenner

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kanzlei Danckert Bärlein Sättele, Berlin

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