Vorsteuerabzug - 25. August 2022

Welcher Schlüssel passt?

Bei Vermietung gemischt genutzter Immobilien ist die Vorsteuer grundsätzlich objektbezogen in Ansatz zu bringen. Dies hat zur Folge, dass für jedes Gebäude entweder der Flächen- oder der Umsatzschlüssel in Betracht kommen kann.

Die Frage des Vorsteuerabzugs bei einer Immobilienver­mietung führt immer wieder zu finanzgerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Finanzbehörden und den Steuerpflichtigen. Insbesondere bei gemischt genutzten Gebäuden besteht bei der Aufteilung der abzugsfähigen Vor­steuerbeträge nicht selten ein Dissens über die Anwendung der richtigen Aufteilungsmethode. Eine sogenannte gemischte Nutzung besteht, wenn eine Immobilie nicht nur steuerpflich­tig, sondern auch steuerfrei vermietet wird, etwa bei teils ge­werblicher Vermietung – unter Anwendung der umsatzsteuer­lichen Option gemäß § 9 Umsatzsteuergesetz (UStG) – und teils Vermietung zu Wohnzwecken (§ 9 Abs. 2 UStG, steuer­pflichtige/vorsteuerunschädliche versus steuerfreie/vorsteuer­schädliche Ausgangsumsätze). Wird das Gebäude zumindest teilweise für steuerfreie Umsätze verwendet, kann die Unter­nehmerin beziehungsweise der Unternehmer (Vermieter/in) einen Vorsteuerabzug aufgrund dieser vorsteuerschädlichen Umsätze nicht komplett geltend machen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 UStG).

Grundlagen

Für eine Zuordnung von Vorsteuerbeträgen gilt grundsätz­lich die sogenannte Eintopf-Theorie. Eingangsumsätze für die Nutzung, Erhaltung sowie Unterhaltung werden generell den verschiedenen Ausgangsumsätzen unmittelbar und di­rekt zugeordnet. Wird ein Gebäude angeschafft oder errich­tet und soll es sowohl für vorsteuerunschädliche als auch für vorsteuerschädliche Ausgangsumsätze verwendet werden, sind die gesamten Kosten auf die Anschaffungs- oder Her­stellungskosten des Gebäudes entfallen­den Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Für die Zurechnung die­ser Vorsteuerbeträge ist nach der Recht­sprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die prozentuale Aufteilung der Verwen­dung des gesamten Gebäudes zu vorsteu­erunschädlichen beziehungsweise vor­steuerschädlichen Umsätzen maßgebend (vgl. BFH vom 28.09.2006, V R 43/03, BStBl II 2007, 417). So­mit erfolgt regelmäßig eine Ermittlung der nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG im Wege einer sach­gerechten Schätzung. Als sachgerechte Schätzung im Sinne des § 15 Abs. 4 UStG kommt bei Gebäuden regelmäßig die Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen in Betracht. Der Unternehmer kann eine flächenbezogene Vorsteuerauf­teilung aber nur dann beanspruchen, wenn diese tatsächlich auch sachgerecht ist (vgl.BFH vom 12.03.1992, V R 70/87, BStBl II 1992, 755 und vgl. BFH vom 07.07.2011, V R 36/10, BStBl II 2012, 77 und vom 05.09.2013, XI R 4/10, BStBl II 2014, 95). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der BFH haben zur Aufteilung von Vorsteuerbeträgen bei gemischt genutzten Gebäuden eine Konkretisierung vorgenommen, wonach bei der Aufteilung grundsätzlich in zwei Phasen vor­zugehen ist.

Direkte und unmittelbare Zuordnung

In der ersten Phase sind die auf der Eingangsstufe erworbe­nen Gegenstände und Dienstleistungen zunächst den ver­schiedenen Ausgangsumsätzen zuzuordnen. Das ist bei Auf­wendungen für die Nutzung, Erhaltung sowie Unterhaltung des gemischt genutzten Gebäudes meist unproblematisch (BFH vom 10.08.2016, XI R 31/19, BFHE 254, 461, BFH/NV 2016, 1654, Rz 39 ff.). Für die Herstellungskosten ist jedoch davon auszugehen, dass nicht ein bestimmter Gebäudeteil, sondern ein bestimmter Prozentsatz des Gebäudes für steu­erpflichtige/steuerfreie Umsätze genutzt wird. Eine räum­lich-gegenständliche Zuordnung scheidet hier grundsätzlich aus. Denn bei einer späteren anderen Nutzung der Räume – die zu keiner prozentualen Änderung der Quote führt – be­steht keine Möglichkeit zur Vorsteuerberichtigung (BFH vom 10.08.2016, XI R 31/19, BFHE 254, 461, BFH/NV 2016, 1654, Rz 37).

Vorsteueraufteilung der restlichen Kosten

In der zweiten Phase, der Aufteilung der im ersten Schritt nicht direkt und unmittelbar zugeordneten Vorsteuerbeträge, ist bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes grundsätzlich eine Vorsteueraufteilung nach dem objektbezogenen Flächenschlüs­sel vorzunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt der BFH durch eine richtlinienkon­forme Auslegung des § 15 Abs. 4 UStG. Bei Herstellung und Erwerb von gemischt ge­nutzten Gebäuden findet nach Auffassung der Rechtsprechung und der Finanzverwal­tung grundsätzlich der Flächenschlüssel Anwendung (BFH vom 16.11.2016, XI R 31/09; vgl. auch Abschn. 15.17 Abs. 7 S. 4, Abs. 7 Beispiele UStAE). Bestehen jedoch erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiede­nen Zwecken dienenden Räume oder ist eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze aus sonstigen Gründen präziser als der Flächenschlüssel, sind die Vorsteuerbeträge nach einem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen (BFH vom 10.08.2016, XI R 31/19, BFHE 254, 461, BFH/NV 2018, 1205, Rz 46, 48 ff.; BFH vom 27.03.2019, V R 43/17, BFH/NV 2019, 719, Rz 9). Zu den Unterschieden bei der Aus­stattung zählen beispielsweise unterschiedliche Deckenhö­hen, Wand- und Deckendicken oder Innenausstattungen [BFH vom 10.08.2016, XI R 31/19, BFHE 254, 461, BFH/NV 2018, 1205, Rz 46, 48 ff.; BFH vom 11.11.2020, XI R 7/20 (DStR 2021, 417 ff.)].

Nationales Recht kontra Unionsrecht

Während gemäß nationalem Recht (§ 15 Abs. 4 S. 3 UStG) der sogenannte Umsatzschlüssel nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn keine andere wirtschaftliche Zurech­nung möglich ist, sieht das Unionsrecht hingegen als Grund­satz den globalen Umsatzschlüssel vor [Art. 173 Abs. 1 U Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL)]. In seiner Grundsatzentscheidung vom 8. No­vember 2012 (BLC Baumarkt GmbH & Co. KG – C-511/10) löste der EuGH dieses Spannungsverhältnis wie folgt auf: Die Anwendung des Flächenschlüssels ist zulässig, wenn dieser eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes als der Um­satzschlüssel ermöglicht. In seiner Rechtsprechung drängt der BFH den Flächenschlüssel vor diesem Hintergrund fak­tisch zurück. Dieser ist nach der BFH-Rechtsprechung jeden­falls dann nicht die genauere Aufteilungsmethode, wenn er­hebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen (vgl. auch Abschn. 15.17 Abs. 7 S. 6 UStAE). In diesem Fall verteilen sich die Eingangsleistungen gerade nicht gleichmäßig auf die Fläche. Bei zeitlich abwechselnder Nutzung derselben Flächen kann allerdings auch eine Aufteilung nach Nutzungszeiten in Be­tracht kommen (vgl. BFH, vom 26.04.2018, V R 23/16, BFHE 261, 444, Rz 22 f.).

Regel-Ausnahme-Verhältnis

Die Wahl des Aufteilungsschlüssels obliegt zunächst grund­sätzlich dem Vermieter. Der gewählte Aufteilungsmaßstab muss aber einer sachgerechten Schätzung im Sinne von § 15 Abs. 4 UStG entsprechen. Im Grundsatz ist zwar von einer An­wendung des Flächenschlüssels auszugehen; wendet der Steuerpflichtige jedoch den Umsatzschlüssel an, so trägt die­ser aber nicht die Beweislast dafür, dass dieser auch tatsäch­lich präziser ist als der Flächenschlüssel. Der Flächenschlüssel ist vielmehr nur anzuwenden, wenn er präziser ist als der Um­satzschlüssel. Laut dem BFH gilt dies aber nur dann, wenn der Flächenschlüssel nicht nur präziser ist als der Gesamtumsatz­schlüssel, sondern auch präziser ist als ein objektbezogener Umsatzschlüssel (BFH vom 10.08.2016, XI R 31/19, BFHE 254, 461, BFH/NV 2018, 1205, Rz 46, 48 ff.; BFH vom 27.03.2019, V R 43/17, BFH/NV 2019, 719, Rz 9).

Keine Bindung an den gewählten Aufteilungsschlüssel

Wurde ein Schlüssel gewählt und stellt sich heraus, dass die­ser nicht sachgerecht war, so besteht an die Wahl des nicht sachgerechten Schlüssels keine Bindung [BFH vom 27.03.2019, V R 43/17, BFH/NV 2019, 719, Rz 12; BFH vom 11.11.2020, XI R 7/20 (DStR 2021, 417 ff.)]; er kann somit auch im Nachhinein gegebenenfalls noch abgeändert werden.

Fazit und Ausblick

Bei gemischt genutzten Gebäuden hat der Vorsteuerabzug grundsätzlich objektbezogen zu erfolgen. Für jedes Gebäude kann somit ein anderer Vorsteuerschlüssel sinnvoll sein. In vielen Fällen weisen verschieden genutzte Räume auch unter­schiedliche Ausstattungsmerkmale auf – wie zum Beispiel un­terschiedliche Deckenhöhen, Wand- und Deckendicken sowie Innenausstattungen. Ist das der Fall und erweist sich der Flä­chenschlüssel im Nachhinein als nicht sachgerecht, kann der Unternehmer auch nachträglich den Umsatzschlüssel wählen. Nicht der Unternehmer muss beweisen, dass dieser im Einzel­fall präziser ist als der Flächenschlüssel, sondern die Finanz­verwaltung ist gehalten, den Flächenschlüssel nur dann anzu­wenden, wenn dieser eine präzisere Aufteilung ermöglicht. Soweit daher Ansatzpunkte für eine unterschiedliche Ausstat­tung bestehen, sollte geprüft werden, welcher Aufteilungs­schlüssel präziser ist, und gegebenenfalls ein Wechsel vom Flächenschlüssel zu einem Umsatzschlüssel in Betracht gezo­gen werden. Ist noch keine materielle Bestandskraft eingetre­ten, lässt sich die ursprüngliche Wahl des Flächenschlüssels jedenfalls noch abändern. Da allerdings eine gesetzliche oder richterliche Definition darüber fehlt, wann die Ausstattungs­merkmale so unterschiedlich sind, dass sie auch tatsächlich erheblich sind, kann die Ansicht der Finanzverwaltung hierzu in der Praxis sicherlich stark variieren. Gegebenenfalls bietet es sich an, dies im Vorfeld mit der Finanzverwaltung zu klären, um Streitigkeiten zu vermeiden.

Zum Autor

JB
John Büttner

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht bei der Kanzlei FPS in Frankfurt am Main

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