Betriebsprüfung - 23. Februar 2023

Vorgelagertes Verfahren

Bei Umsetzung der sogenannten DAC 7-Richtlinie kommt es auch zu Änderungen im Rahmen der Betriebsprüfungen. Die Finanzverwaltung kann im Zuge einer Prüfungsanordnung nun auch Buchführungsbelege anfordern und in der Behörde eine Prüfung durchführen.

Auch im Rahmen der Betriebsprüfung gibt es seit dem 1. Januar 2023 Neuregelungen. Dies folgt aus dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rats vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts.

Hintergrund

Die Finanzverwaltung ist eine Massenverwaltung. Eine Vielzahl an Fällen soll mit möglichst wenig Personal geprüft werden. Eine Vollprüfung aller Steuerpflichtigen ist aufgrund des massenhaften Erklärungsaufkommens gar nicht zu bewältigen. Folglich kommen Systeme zum Einsatz, die vermeintliche oder tatsächliche Auffälligkeiten, wie etwa Abweichungen zum Vorjahr oder von der statistischen Erwartung, herausfiltern. Damit die menschliche Ressource nicht unnötig stark belastet wird, sucht man sich die scheinbar oder tatsächlich, statistisch auffälligen oder jedenfalls nicht auf den ersten Blick plausiblen Fälle zur genaueren Überprüfung durch eine menschliche Prüferin beziehungsweise einen menschlichen Prüfer heraus [Summarische Risikoprüfung (SRP)]. Insgesamt gesehen soll das neue Vorgehen für die Finanzverwaltung zu einer schnellen und raschen Prüfung führen.

Vorverlagerte und beschleunigte Prüfung

Neu ist zunächst der § 197 Abs. 3 Abgabenordnung (AO), wonach die Finanzbehörde dann bereits mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung auch Buchführungsunterlagen anfordern kann. Damit wird die Prüfung praktisch schon ins Finanzamt vorverlagert. Denn die angeforderten Buchführungsunterlagen können so bereits vorab geprüft werden. Zudem können nach § 197 Abs. 4 AO Prüfungsschwerpunkte festgelegt werden. Zunächst wird also ein Betrieb ausgesucht, etwa weil es einen Prüfungsanlass gibt. Danach ergeht eine Prüfungsanordnung und mit ihr werden zugleich Buchführungsunterlagen angefordert. Diese werden durchgesehen und überprüft, um zu entscheiden, ob sich der bisherige Prüfungsanlass erledigt hat oder weiter, dann vertieft, geprüft werden soll. Nach Durchsicht der Buchführungsunterlagen werden die Prüfungsschwerpunkte festgelegt. Sie stehen aufgrund der Vorprüfung beziehungsweise wegen Unklarheiten intern also bereits fest und werden dem Steuerpflichtigen schließlich mitgeteilt. Dieser soll dann dazu noch Stellung nehmen beziehungsweise den Sachverhalt erläutern, obwohl er doch schon alle Unterlagen vorgelegt hat. Schließlich wird die Prüfungsanordnung nach § 197 Abs. 5 AO grundsätzlich bis zum Ablauf des Kalenderjahrs erlassen, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Steuerbescheid, der aufgrund der Steuererklärung erlassen wurde, durch Bekanntgabe wirksam geworden ist. Im Ergebnis führt dies zu einer beschleunigten und zeitnahen Prüfung.

Gründe für eine Prüfungsanordnung

Woraus kann sich nun ein Prüfungsanlass ergeben? Nach der elektronisch eingereichten Steuererklärung werden angeblich Zufallsprüfungen durchgeführt. Wahrscheinlicher ist, dass die Systeme der Finanzverwaltung Steuererklärungen herausfiltern, die aus Sicht der Behörden nicht plausibel sind. Die so identifizierten Auffälligkeiten in den entsprechenden Erklärungen werden anschließend einer manuellen Bearbeitung, sprich einem Sachbearbeiter, zugewiesen. Im Regelfall handelt es sich bei den Auffälligkeiten um Abweichungen von statistisch erwarteten Normgrößen, stochastischen Erwartungen oder aber um Auffälligkeiten oder Abweichungen im Verhältnis zum Vorjahr. Wird etwa erstmals eine neue Einkunftsart erklärt, weil eine bislang selbst genutzte Wohnung nunmehr fremdvermietet ist, entstehen so erstmals Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Gleichgültig, ob diese positiv oder negativ sind, führen sie natürlich zu einer Abweichung im Vergleich zum Vorjahr und sorgen dafür, dass hier eine solche Auffälligkeit vorliegt. Gleiches gilt, wenn man den Arbeitsplatz wechselt und nunmehr deutlich mehr verdient. Das ist zwar eigentlich erfreulich, führt aber in den Systemen der Finanzverwaltung zu einer Auffälligkeit. Sofern sich hier etwa erhebliche Differenzen zum Vorjahr, beispielsweise 5.000 Euro mehr Verdienst pro Jahr, ergeben, ist dies im System des Finanzamts nicht nachvollziehbar und könnte daher zwecks einer genaueren Überprüfung ausgesondert werden.

Neue Einkünfte oder deren Wegfall

Gleiches gilt für Kapitaleinkünfte. Sofern man bislang keine erklärt hatte, nun aber aufgrund des Zuflusses einer kapitalbildenden Lebensversicherung erstmals Geld angelegt und Kapitaleinkünfte vereinnahmt und dies auch ordnungsgemäß erklärt hat, führt das zu Auffälligkeiten im Verhältnis zum Vorjahr, die einen Hinweis und damit einen Prüfungsvorschlag aus Sicht der Behörde ergeben können. Warum wurden im Vorjahr keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt? Woher kommt diese neue Einkunftsart? Umgekehrt kann sich aber auch aus dem Wegfall der Einkünfte ein Prüfungsanlass ergeben. Wird beispielsweise ein Betrieb eingestellt oder eine bisher vermietete Eigentumswohnung verkauft, führt dies zu einer Abweichung im System der Behörde. Was passiert mit dem erhaltenen Geld? Unabhängig davon ist zudem bei jeder Betriebseinstellung oder Betriebsaufgabe ohnehin ein Prüfungsvorschlag vorgesehen.

Statistische und stochastische Aspekte

Bei einem Selbstständigen können natürlich auch statistische Erwartungen beziehungsweise Abweichungen davon eine Rolle spielen. Hat der Betrieb Rohgewinnaufschlagsätze, die der Richtsatzsammlung entsprechen? Stimmen die Relationen zwischen Lohnkosten und Umsatz? Hat der Betrieb auffällig viele Fremdarbeiten? Passt der Gewinn zum Umsatz? Welche Relationen hier im Detail geprüft werden und welche Erwartungen die Finanzverwaltung hier als statistisch normal ansieht, wird natürlich nicht veröffentlicht. Vermutlich werden Gewinnsteigerungen weniger ein Problem sein als Gewinnrückgänge oder gar Verluste. Auch überproportional hohe Kosten sorgen vielleicht für Prüfungsvorschläge. Bei solch auffällig hohen Betriebsausgaben könnten schließlich ein privat veranlasster Kostenfaktor als betrieblich gebucht oder bei sinkenden Umsätzen nicht alle Einnahmen ordnungsgemäß verbucht worden sein. Aus solchen Abweichungen und Auffälligkeiten kann sich ein Prüfungsanlass ergeben.

Ablauf und Funktionsweise

Sofern man eine elektronische Steuererklärung eingereicht hat und vorab erst einmal nach Erklärung als selbstständig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO veranlagt wurde, kann es sein, dass diese Steuererklärung ausgesondert wird, weil das System der Behörde Auffälligkeiten im Verhältnis zum Vorjahr oder Abweichungen von einer statistischen Normalverteilung feststellt. Der Fall wird sodann einem Sachbearbeiter zugewiesen. Soweit er nach Prüfung die Veränderungen nicht für plausibel hält, geht er diesen nach und überprüft sie. Für einen Selbstständigen kann danach eine Prüfungsanordnung gemäß § 193 Abs. 1 AO ergehen. Mit dieser Anordnung können zugleich auch Buchführungsunterlagen angefordert sowie Prüfungsschwerpunkte herausgebildet werden. Sofern der Steuerpflichtige nicht selbstständig tätig ist, wird der Sachverhalt womöglich in Form von Nachfragen geklärt werden und notfalls nach § 193 Abs. 2 AO auch eine Prüfungsanordnung ergehen. Letzteres ist der Fall, wenn die Angelegenheit vom Finanzamt nicht in der Amtsstelle geprüft werden kann oder für Nachfragen zu kompliziert beziehungsweise zu umfangreich erscheint. Gleiches gilt, wenn eine Prüfung in der Behörde aus Sicht der Finanzverwaltung als nicht zweckmäßig erscheint.

Ziel der Finanzbehörden

Die Finanzverwaltung hat das Ziel, die von den Systemen identifizierten vermeintlichen oder tatsächlichen Auffälligkeiten durch einen Prüfer vor Ort zeitnah überprüfen zu lassen. Das führt offenkundig zu einer Form der abgekürzten Außenprüfung, indem die konkreten Fragen zügig abgearbeitet werden: zeitnahe Prüfung nach der abgegebenen Steuererklärung, gegebenenfalls nur für das aktuelle Jahr, mithilfe einer Prüfungsanordnung inklusive der Vorlage entsprechender Buchführungsunterlagen zur Bildung von Prüfungsschwerpunkten.

Versteckte Gesetzesänderungen

Die skizzierten Neuerungen ergeben sich relativ versteckt aus einem Gesetz, das gemeinhin unter der DAC 7-Richtlinie sowie einer Modernisierung des Steuerverfahrensrechts in den Fachkreisen besprochen wird. Aber wer von den Steuerpflichtigen weiß schon, dass die DAC 7-Richtlinie beziehungsweise das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rats vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts umfangreiche Änderungen bei der Betriebsprüfung mit sich bringen werden? Dabei ist der voranstehend skizzierte Abschnitt zu § 197 AO nur ein kleiner Teil der vielen Änderungen. Auch das Sanktionssystem bei einer nicht rechtzeitigen Beantwortung von Prüfungsanfragen wird in gleichem Zuge drastisch verschärft. So kommt ein neuer § 200a AO mit der Möglichkeit qualifizierten Mitwirkungsverlangens und von Mitwirkungsverzögerungsgeldern von 75 Euro pro Tag ab dem 1. Januar 2025 in Betracht. Zuschläge von bis zu 25 Euro pro Tag können dann festgesetzt werden. Neu sind auch Änderungen in der Ablaufhemmung bei Festsetzung der Verjährungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO.

Gesetzgebungsverfahren

Der Bundesrat hat am 16. Dezember 2022 dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts zugestimmt. Viele Änderungen greifen seit Januar 2023, manche erst ab dem 1. Januar 2025, so etwa § 200a AO.

Fazit

Betroffene Unternehmen, die Fragen zur Betriebsprüfung oder Probleme mit dem Finanzamt haben, sollten sich an einen Spezialisten im streitigen Steuer- beziehungsweise Steuerstrafrecht wenden. Gleiches gilt, wenn eine Steuer- oder Zollfahndungsprüfung aufgrund vermeintlicher Scheinrechnungen oder des Vorwurfs von Schwarzarbeit droht.

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Zum Autor

JB
Dr. Jörg Burkhard

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Wiesbaden

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