Leasing - 15. Dezember 2017

Von Fall zu Fall

Die jüngst ergangene Grundsatzentscheidung des Bundes­finanz­hofs schließt eine Lücke bei der Beurteilung der wirt­schaft­lichen Zurechnung von Leasinggegenständen.

Die Finanzierung betriebsnotwendigen Vermögens durch Leasing erfreut sich in der Unternehmenspraxis großer Beliebtheit. Dies gilt insbesondere bei bilanzschonender Ausgestaltung des Leasingvertrags (Off-Balance), die etwa 85 Prozent des gesamten Leasingvolumens ausmacht.

Im Zentrum der Bilanzierung von Leasing steht die Frage der personellen (subjektiven) Zurechnung des Leasingguts zum Leasinggeber (Operate Lease) oder zum Lea­sing­nehmer (Finance Lease). Diese Entscheidung bestimmt sich im Handels- und Steuer­recht nach den Grundsätzen wirtschaftlichen Eigentums [§ 246 Abs. 1 Satz 2 Han­delsgesetzbuch – HGB, § 39 Abgabenordnung – AO], die indes – wie die jüngste Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 13.10.2016 – IV R 33/13) belegt – nicht immer zu einer einheitlichen Zurechnung des Leasingguts führen muss.

Grundsatzentscheidung des BFH

Im Streitfall hatte der BFH zwei Sale-and-Lease-back-Leasingverträge zu beurteilen. Die Besonderheit der beiden Leasingverträge bestand darin, dass – nach Ablauf der Grund­mietzeit, die kürzer als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer war (mit der Folge, dass der Herausgabe­anspruch des zivilrechtlichen Eigentümers nach Ablauf der Grundmietzeit einen wirtschaftlich relevanten Wert hat) – nur der Käufer-Leasinggeber (nicht aber der Verkäufer-Leasingnehmer) ein Optionsrecht (hier: ein Andienungsrecht zum Kauf des Leasingguts) hatte. Beide Leasingverträge unterschieden sich lediglich darin, dass ein Vertrag als Spezialleasing qualifiziert war. Der BFH hatte bereits in seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass ein Leasinggut dem Leasingnehmer zuzurechnen ist, wenn

  • der Leasinggegenstand speziell auf seine Verhältnisse zugeschnitten ist und nach Ablauf der Grundmietzeit nur noch beim Leasingnehmer eine sinnvolle Verwendung finden kann (Spezialleasing),
  • sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes und die Grundmietzeit annähernd decken oder
  • die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zwar länger als die Grundmietzeit ist, dem Leasingnehmer aber ein Recht auf Verlängerung der Nutzungsüberlassung oder eine Kaufoption zu so günstigen Konditionen zusteht, dass bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen ist.

Dagegen war bislang höchstrichterlich nicht entschieden, ob wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers auch besteht, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer länger als die Grundmietzeit ist, allerdings nicht dem Leasingnehmer ein Optionsrecht (zum Beispiel Ver­längerungs- oder Kaufoption), sondern nur dem Leasinggeber ein günstiges Andienungsrecht eingeräumt ist.

Der BFH vereint dies unter Hinweis auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO. Dieser fordere für wirtschaftliches Eigentum, dass ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer diesen für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen könne. Aus dem Wortlaut des § 39 AO (kann) ergebe sich mithin, dass der andere diesen Ausschluss bewirken können müsse. Sei die Grundmietzeit kürzer als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasingguts, könne der Leasingnehmer (der andere) den Leasinggeber indes nur dann für die verbleibende Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den Leasinggegenstand ausschließen, wenn ihm (und nicht – wie im Streitfall – dem Leasinggeber) eine entsprechende Rechtsposition (zum Beispiel Ver­längerungs- oder Kaufoption) zustehe. Dabei komme es – so der BFH (entgegen der Vorinstanz, dem Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 03.07.2013 – 4 K 188/11) – nicht darauf an, ob die Ausübung der Option für den Leasinggeber wirtschaftlich vor­teil­haft sei. „Für Wahrscheinlichkeitserwägungen ist an dieser Stelle kein Raum.“ Denn in diesem Fall sei der Leasingnehmer rechtlich nicht in der Lage, den Leasinggeber im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO für die gesamte Nutzungsdauer von der Ein­wir­kung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich auszuschließen. Vielmehr sei (allein) der Leasinggeber in der Lage, nach Ablauf der Grundmietzeit nach seinem Belieben mit dem Wirtschaftsgut zu verfahren.

Die Entscheidung des BFH, die in der Literatur überwiegend begrüßt wird (zum Beispiel Pöschke, DB 2017, S. 625), orientiert sich erkennbar an den Zivilrechtsstrukturen des Leasingvertrags. Sie dürfte freilich die Fantasie der Leasingbranche beflügeln, da sich Leasingverträge zwanglos entsprechend des Streitfalls (Optionsrecht nur beim Lea­sing­geber) ausgestalten lassen, die zu wirtschaftlich gleichen Zahlungsströmen wie typische Leasingverträge mit Optionsrechten des Leasingnehmers führen (vgl. hierzu Hoff­mann/­Lüdenbach, Freiberg, BB 2017, S. 874), aber eine bilanzschonende Off- Balance-Ab­bildung beim Leasingnehmer ermöglichen. Mit Spannung abzuwarten bleibt, ob die Finanzverwaltung die Entscheidung des BFH im Bundessteuerblatt veröffentlichen wird.

Spezialleasing

Die Entscheidung des BFH orientiert sich an den Zivilrechtsstrukturen des Leasingvertrags.

Anderes gilt – so der BFH für den zweiten Leasingvertrag im Streitfall – beim Spe­zial­lea­sing, da insoweit eine wirt­schaft­liche Ein­wir­kungs­mög­lich­keit des Leasinggebers ohne Rücksicht auf das Verhältnis zwischen Grundmietzeit und betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer abzulehnen ist. Der Herausgabeanspruch des (Eigentümer-)Leasing­gebers sei beim Spezialleasing stets (wirtschaftlich) wertlos.

Dies gelte unabhängig davon, ob dem Leasinggeber und/oder dem Leasingnehmer ein Optionsrecht zustehe.

Vor diesem Hintergrund scheidet bilanz(steuer)rechtlich beim Spe­zial­leasing ein gewinn­realisierender Abgang des Leasinggegenstands beim Verkäufer-Leasingnehmer respektive ein Zugang beim Käufer-Leasingeber aus. Gleichermaßen resultiert aus dem – auf den Kaufvertrag folgenden – Leasingvertrag weder ein erneuter gewinn­reali­sie­render Umsatzakt (mangels Rückübertragung des wirtschaftlichen Eigentums durch den Leasinggeber) noch eine Gebrauchsüberlassung (mangels Verbleibs des wirtschaftlichen Eigentums beim Leasinggeber).

Auswirkungen auf die Handelsbilanz

Fraglich ist, ob das BFH-Urteil auch für die Handelsbilanz anwendbar ist. Grundsätzlich ist jede Entscheidung des BFH im An­wendungs­bereich des Maßgeblichkeitsgrundsatzes ( § 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG) handelsrechtlich vertretbar (IDW PS 201, Tz. 8). Im Streitfall ist indes zu beachten, dass der BFH nicht zu § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB, sondern zu § 39 AO entschieden hat und beide nicht zwingend zu einer einheitlichen Zurechnung des Leasinggutes führen müssen. Auch die Gesetzesmaterialien zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), mit dem § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB ins HGB eingeführt wurde, sind insoweit nicht eindeutig (vgl. Wendt, FR 2017, S. 531).

Die Entscheidung des BFH ist für die Handelsbilanz vertretbar, aber nicht zwingend. Im Lichte des Primats der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist – unter Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeitserwägungen, die der BFH insoweit indes nicht gelten lässt – eine Zurechnung des Leasingguts beim Leasingnehmer durchaus begründbar und nicht zu beanstanden (etwa durch eine Einschränkung des Bestätigungsvermerks).

Blick in die internationale Rechnungslegung

Der für die internationale Rechnungslegung (noch) anzuwendende IAS 17 dürfte im Streit­fall – entgegen dem BFH – zu einer Zurechnung des Leasingguts beim Lea­sing­neh­mer führen, da das günstige Andienungsrecht des Leasinggebers bei der Höhe der Mindestleasingzahlungen des Leasingnehmers im Rahmen des Barwerttests (IAS 17.10d) zu berücksichtigen ist. Ganz andere Wege beschreitet IFRS 16 mit seinem Right-of- Use-Ansatz, der einer Off-Balance-Bilanzierung beim Leasingnehmer ein Ende bereitet. So muss ein Leasingnehmer für Geschäftsjahre, die ab dem 1. Januar 2019 beginnen, stets einen Vermögenswert aktivieren. Bilanzierungsobjekt ist indes nicht das Leasinggut (das gegebenenfalls beim Leasinggeber bilanziert wird), sondern das Recht, dieses nutzen zu dürfen (Rightof- Use).

Fotos: OstapenkoOlena / Getty Images

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Programm Finanzanalyse (www.datev.de/finanzanalyse)

Anlage von Leasingfinanzierungen (Dok.-Nr. 9218107)

Nutzer von LEXinform Steuern oder LEXinform Steuern/Recht/Wirtschaft-Abos finden mehr dazu im Literaturbeitrag Umsatzsteuer beim Sale-and-Lease-Back (LEXinform Dok.-Nr. 4073827)

Zum Autor

PO
Prof. Dr. Peter Oser

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Stuttgart

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