JStG 2020 - 29. Oktober 2020

Von der Justiz getrieben

Die Bundesregierung hat am 25. September 2020 einen Gesetzentwurf für das diesjährige Jahressteuergesetz veröffentlicht. Die Änderungen betreffen in einigen maßgeblichen Aspekten auch das Erb- und Schenkungsteuerrecht, insbesondere als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.

Sollte sich das Jahressteuergesetz (JStG) verwirklichen, werden lebzeitige Planungen der Unternehmens- und Vermögensnachfolge noch wichtiger. Denn es drohen Verschärfungen beim todesfallbedingten Zugewinnausgleich sowie bei der Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten. Die relevanten Neuerungen werden nachstehend in den Kontext der Gesetzesbegründung gestellt und mit Blick auf die Praxis der Nachfolgeplanung kommentiert. Dabei ist zu beachten, dass auch bei einem Gesetzentwurf der Bundesregierung weitere Änderungen und Modifizierungen denkbar und nicht unüblich sind.

Abfindung für ein angenommenes Vermächtnis

In § 3 Abs. 2 Nr. 5 Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) wird eine Abfindung der Erbschaftsteuerunterworfen, die für den Verzicht auf ein Vermächtnis gezahlt wird, das nicht mehr ausgeschlagen werden kann, weil es bereits angenommen wurde. Das Gesetz spricht bisher von Ausschlagungsfrist. Nach dem für das Erbschaftsteuerrecht maßgeblichen Zivilrecht existiert für ein Vermächtnis keine Ausschlagungsfrist. Mit einer Wortlautänderung des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG soll nun klargestellt werden, dass die Abfindung für ein angenommenes Vermächtnis gewährt wird, das wegen der Annahme nicht mehr ausgeschlagen werden kann. Die Änderung bleibt indes ohne materielle Auswirkung.

Ausgleichsforderung bei Zugewinngemeinschaft

§ 5 Abs. 1 ErbStG gewährt im Falle des Todes eines Ehegatten dem überlebenden Ehegatten eine Steuerbefreiung, die wie ein zusätzlicher Freibetrag wirkt, und zwar in Höhe der Ausgleichsforderung, die er als Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB hätte geltend machen können, wenn er nicht Erbe geworden wäre und ihm auch kein Vermächtnis zustünde. Der Gesetzgeber sieht hier die Gefahr einer nicht gerechtfertigten Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten. Sie entstünde dadurch, dass der Zugewinn und die daraus errechnete Ausgleichsforderung nach den zivilrechtlich maßgebenden Verkehrswerten des Anfangs- und Endvermögens ermittelt wird, also ohne Rücksicht darauf, ob für das maßgebende Endvermögen, das sich im Nachlass befindet, Steuerbefreiungen gewährt werden. Erbschaftsteuerrechtlich kann der für die Steuer maßgebende Wert des erworbenen Nachlassvermögens wegen der Anwendung von Befreiungsvorschriften, etwa für das Familienheim, für unternehmerisches Vermögen oder für zu Wohnzwecken vermietete Immobilien beziehungsweise Denkmalschutz, gemindert sein. Um diese Doppelbegünstigung auszuschließen, wird durch den neuen Satz 6 die abzugsfähige fiktive Ausgleichsforderung gemindert. Hierfür wird das Verhältnis zwischen dem um die Steuerbefreiungen geminderten Wert des Endvermögens und dem Wert des Endvermögens zugrunde gelegt. Wird eine Steuerbefreiung rückwirkend gemindert oder entfällt sie, beispielsweise für denkmalgeschützte Erwerbsgegenstände, für Familienheime oder für steuerentlastetes Unternehmensvermögen (§§ 13a bis 13c ErbStG), wird die Steuerfestsetzung geändert und dabei auch die abzugsfähige fiktive Zugewinnausgleichsforderung neu berechnet. Dasselbe gilt für den Fall, dass eine Steuerbefreiung rückwirkend erhöht oder erstmalig gewährt wird.

Lebzeitiger Zugewinnausgleich

Die Regelung erscheint sachgerecht, dürfte aber dazu führen, dass der lebzeitige Zugewinnausgleich noch attraktiver wird. Während bei einem Pflichtteilsanspruch, der zwingend erst mit dem Tod entsteht, keine Gestaltungen möglich sind, kann der steuerfreie Zugewinnausgleich gestaltet werden. Dafür ist keine Scheidung notwendig. Es genügt, wenn die Eheleute vertraglich vereinbaren, in den Güterstand der Gütertrennung zu wechseln. Auch dann kommt es zum steuerfreien Zugewinnausgleich und Vermögen wechselt steuerfrei von einem Ehepartner auf den anderen. Für diesen Fall gilt die Gesetzesänderung nicht. Eine Kürzung kommt also nicht in Betracht. Der lebzeitige Güterstandswechsel ist dabei keine Einbahnstraße; ein Rückwechsel in die Zugewinngemeinschaft ist möglich. Ein lebzeitiger Zugewinnausgleich hat zudem weitere Vorteile:

• Das Vermögen wird zwischen den Eheleuten zu Lebzeiten gleicher und gerechter verteilt.

• Die Vertragsfreiheit zu Lebzeiten garantiert eine Anpassung des Güterstands an die individuelle Ehewirklichkeit.

• Schenkungen, die einmal unerkannt zwischen den Eheleuten erfolgt sind, können grundsätzlich steuerfrei rückwirkend geheilt werden. Zu denken ist hier an den vermeintlich gemeinsamen Erwerb von Immobilien, die nur von einem Ehepartner bezahlt wurden. Aber auch das Gemeinschaftskonto, auf das beide Eheleute zugreifen können, obwohl es nur von einem Ehepartner befüllt wird, gehört zu dieser Fallgruppe.

• Zivilrechtlich gilt von Todes wegen die sogenannte EU-Erbverordnung. Der Zugewinnausgleich unterliegt damit nach neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) grundsätzlich dem Recht am letzten Aufenthalt (keine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit), was oft zu Abwicklungsschwierigkeiten führen kann.

Steuererstattungsansprüche und Steuerschulden

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs fallen Einkommensteuererstattungsansprüche, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, nicht in den steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahrs entstehen. Vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr sollen nach der Rechtsprechung des BFH als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig sein. Infolge dieser Systematik wurden Steuererstattungsansprüche und Steuerschulden, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, unterschiedlich behandelt. Diese Ungleichbehandlung wird durch die Neufassung des § 10 Abs. 1 S. 3 ErbStG beseitigt. Die Neuregelung führt dazu, dass sowohl die das Todesjahr des Erblassers betreffenden Steuererstattungsansprüche anzusetzen als auch die Steuerschulden abzuziehen sind.

Systembruch des Gesetzgebers

Die Neuregelung ist für den Steuerpflichtigen ungünstig, weil sich der Wert des Nachlasses erhöht, während die Nachlassverbindlichkeiten unverändert bleiben. Gestaltungsspielraum besteht nicht. Die Neuregelung ist auch nicht sachgerecht, weil der gesetzliche Entstehungszeitpunkt von Steuererstattungsansprüchen und die Fälligkeit von Steuerschulden nicht vergleichbar sind. Der Systembruch des Gesetzgebers wird in der eigenen Formulierung offenbar: Die Erstattungsansprüche sollen zu berücksichtigen sein, auch wenn sie rechtlich noch nicht entstanden sind.

Neuordnung des Nettoprinzips

Im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz gilt das in § 10 manifestierte Nettoprinzip. Der Besteuerung unterliegt der Wert des Zuwendungsgegenstands (Nachlassgegenstands), stets gemindert um Schulden und Lasten. Der BFH hat in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber ein allgemeines Abzugsverbot anordnen könne. Aktuell gilt: Nach § 10 Abs. 6 ErbStG sind Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die ganz oder teilweise von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit sind. Um einen ungerechtfertigten steuerlichen Vorteil durch den unbegrenzten Abzug von Schulden und Lasten zu vermeiden, soll es nun zur Neuregelung des Nettoprinzips kommen. Es gilt künftig folgende Systematik:

• Richtig gelesen heißt die Neuformulierung von § 10 Abs. 6 S. 3 ErbStG: Schulden und Lasten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen stehen, sind vollständig nicht abzugsfähig. Schulden und Lasten, die mit nicht steuerbefreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind vollständig abzugsfähig.

• § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG wird durch die Sätze 5 bis 10 ersetzt. Die Neuregelung führt dazu, dass Schulden und Lasten, die nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerbefreitem Vermögen stehen („wirtschaftlich nicht direkt zurechenbare Schulden“), dennoch anteilig zu kürzen sind, also nur noch anteilig abzuziehen sind. Hintergrund für diese Verschärfung ist jüngere Rechtsprechung des BFH, wonach Pflichtteilsansprüche, Zugewinnausgleichsforderungen und Untervermächtnisse nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den einzelnen Gegenständen des Nachlasses stehen und damit bisher voll abzugsfähig waren.

• § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG bleibt unverändert. Kommt es zur Verschonung von unternehmerischem Vermögen, werden Schulden und Lasten, die im Zusammenhang mit diesem unternehmerischen Vermögen stehen, nur anteilig zum Abzug zugelassen. Der Anteil bemisst sich nach dem Verhältnis des Wertes des unternehmerischen Vermögens mit Steuerbefreiung zum Wert des unternehmerischen Vermögens ohne Ansatz der Steuerbefreiung. Die Neuregelung stellt in diesem Zusammenhang klar, dass es für die Berechnung des Anteils abzugsfähiger Schulden und Lasten auf die Summe des begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG) ankommt. § 10 Abs. 6 S. 9 und 10 sichern zu, dass spätere Korrekturen bei der Steuerbefreiung sich auch auf den Schulden- und Lastenabzug auswirken. Die Gesetzesbegründung gibt ein ausführliches Berechnungsbeispiel.

Unsystematische Regelung

Der Gesetzgeber hat die Chance genutzt, den Abzug von Schulden und Lasten weiter erheblich einzuschränken. Für den Steuerpflichtigen bedeutet diese Änderung, dass – insbesondere bei der steuerlich optimierten Planung von Nachfolgen – dafür Sorge zu tragen ist, eine wirtschaftliche Zuordnung von Schulden und Lasten zu erreichen. Dass wirtschaftlich nicht zuzuordnende Schulden und Lasten sich nachteiliger auswirken können als Schulden und Lasten, die zugeordnet werden können, begegnet einigem Unverständnis und ist unsystematisch.

Fazit

Mit dem JStG 2020 versucht der Gesetzgeber einige Änderungen einzufügen, die bereits im JStG 2019 enthalten waren, bisher aber nicht umgesetzt wurden. Mit den Verschärfungen bei § 5 ErbStG (Zugewinnausgleich) sowie dem Abzug von Schulden und Lasten verschlechtert sich die Situation für den Steuerpflichtigen erheblich. Während die Änderung bei § 5 ErbStG gerade noch als sachgerecht angesehen werden kann, verlässt der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 10 Abs. 6 ErbStG den Bereich einer gesetzesübergreifend abgestimmten Rechtsordnung und begibt sich auf den Weg alleiniger Fiskalpolitik.

Zum Autor

IC
Dr. Iring Christopeit, LL. M.

Rechtsanwalt, Steuerberater sowie Fachanwalt für ­Erb- und für Steuerrecht, zertif. Berater für ­Unternehmensnachfolge und zertif. Testamentsvollstrecker; Partner bei Peters, Schönberger & Partner, München; Spezialist für Vermögens- und Unternehmens­nachfolgen.

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