Häufig liest man, die Corona-Krise habe den steuerlichen Beratern ein deutliches Mehr an Arbeit beschert. Hat unsere Branche von der Pandemie also profitiert? Oder sind diejenigen Kollegen, die massive Kritik übten, einfach nur undankbar und nicht mehr belastbar? Wie geht es uns also jetzt nach etwas mehr als eineinhalb Jahren Krisenmanagement beziehungsweise dabei, wenn wir die Worte schnell, einfach und unbürokratisch hören?
Bücher begleiten mich bereits mein ganzes Leben. Lesen ist eines meiner Hobbys und passt perfekt zum Metier des Steuerberaters. Aber seit mehr als eineinhalb Jahren ist alles anders. Das Steuerrecht wird landläufig als Dschungel bezeichnet, im Vergleich zu den Corona-Hilfen und deren Umsetzung ist es aber ein lichter Kiefernwald. In jeder Situation konnte man Bezüge zur Literatur finden, das Denken in Bildern hilft, sich auch unlogische Sachverhalte zu merken – und davon gab es in diesen Zeiten ein ganzes Füllhorn. Aber der Reihe nach.
Der Steuerberater als Helfer in der Not
Im ersten Quartal 2020 zeichneten sich dunkle Wolken am Horizont ab – eine Erkrankung, die ganze Volkswirtschaften zum Erliegen brachte. Das Gespenst Corona tauchte in Europa auf und kam immer näher. Die Mandanten wurden zunehmend unruhiger, der erste Lockdown war zu bewältigen. Es gab die ersten Hilfsprogramme. Soforthilfen und Darlehen, Bund und Länder rührten einen Zaubertrank zusammen, der es in sich hatte. Jedes Bundesland machte seine eigenen Regeln, änderte diese manchmal stündlich und die Länderportale hielten dem Ansturm nicht stand. Diese Hilfen konnten die Mandanten selbst beantragen, manche fragten aber uns – der Steuerberater als Helfer in der Not. Ich fing an zu recherchieren, zu lesen, auf Facebook zu chatten und Posts zu verfassen sowie unsere Kanzlei zu füttern. Damit verbrachte und verbringe ich Stunden, Tage, Wochen, Monate, an mehr als ein Jahr dachte ich damals nicht. Auf diese Art und Weise wurde ich zur Corona-Beauftragten. Was es so alles gibt im Leben.
Fragen und Maßnahmen
Überall wo der Buchstabe C auftauchte, kamen Fragen auf, die zu lösen waren, dank zweimal Hochwasser in Sachsen war ich bereits krisengestählt. Weitere Wellen begannen sich am Horizont abzuzeichnen. Stundungs- und Anpassungsanträge, Anzeige von Kurzarbeitergeld (KuG), Quarantäneberechnungen und Aufstockung. In diesen Runden waren die FIBU- und Lohnabteilungen bis an die Grenze der Belastbarkeit gefordert, flankiert von Selbstauskünften bei den Hausbanken für Kreditanfragen. Daneben galt es, die eigene Kanzlei vorzubereiten. Das war die Wochenendarbeit, so nebenbei. Die Vorräte in der Kanzlei für Desinfektionsmittel, Hygieneartikel, Büromaterial, Technik und Kaffee waren bereits seit Januar 2020 auf den üblichen Bestand eines halben Jahres aufgestockt worden und das ist bis heute so geblieben.
Die Überbrückungshilfen
Dann kamen die Überbrückungshilfen I bis II, die November- und Dezemberhilfen, die Überbrückungshilfe III. Und wieder hieß es seitens der Politik: einfach, schnell und unbürokratisch. Der Registrierungsprozess war eigentlich simpel, leider aber waren Doppelnamen wie meiner nicht vorgesehen. Bitte warten Sie! Gott sei Dank gibt es mehrere Berufsträger in unserer Kanzlei – Registrierungsversuch Nummer zwei funktionierte dann, nur stand der Name der betreffenden Kollegin nicht am Briefkasten und der PIN-Brief ist heute noch irgendwohin unterwegs. Mittlerweile waren mehrere Wochen ins Land gezogen und nun konnte das Programm auch Doppelnamen. Für uns in der Kanzlei war von Anfang an klar: Registriert sind mehrere, aber einer übernimmt die Verantwortung, denn das Thema Subventionen und Strafrecht sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Schulungen und genervte Mandanten
Die ersten Anfragen schlugen auf, Fragen ergaben sich. Was soll es kosten? Brauchen wir eigene Auftragserteilungen? Sind wir versichert? Nach den ersten organisatorischen Hürden waren Schulungen gefragt, natürlich online. Schulungen wurden gebucht, da wir auf Basis von FAQ und Vollzugshinweisen arbeiten sollten. Dieses Spiel wiederholte sich bei jeder Hilfe aufs Neue, zumindest konnten wir Dank der Platzhalter Daten übernehmen sowie Prozesse aufbauen und entwickeln, DATEV Pro Check war dabei sehr hilfreich. Verärgert standen wir beim Thema Fälligkeit da. Noch frustrierender war es, wenn bei den Hilfen der Antrag eines Mandanten hochgeladen werden sollte und sich zwischenzeitlich und völlig überraschend Änderungen im Programm ergeben hatten, sodass es unweigerlich zu Fehlermeldungen kam. Noch einmal alles von vorne, was man den Mandanten nur schwer oder kaum noch erklären konnte.
Veränderte FAQ
Und dann wurde in den FAQ eine Woche später der Umsatzbegriff geändert. Alle Novemberhilfe-Anträge im Januar mussten noch einmal gestellt werden. Bei der Dezemberhilfe haben wir dann vier Wochen gewartet, aber unsere Mandanten haben dies mitgetragen, denn die doppelte Arbeit vom November sollte sich nicht wiederholen. Bei jeder neuen Runde wurde es dann schneller, einfacher und unbürokratischer, das sah man bereits anhand der sich ständig ändernden FAQ. Dazu kamen ein wenig Beihilferecht und das Thema verbundene Unternehmen. Sicher erinnern sich alle gerne an die ungedeckten Fixkosten in 4.16, die wir ja nicht richtig gelesen haben und daran, dass es plötzlich mehr Beihilferegime gab.
Ein fester Corona-Tag
Lassen Sie uns nur einen Tag in unserer Kanzlei, vielleicht im März 2021, gemeinsam verbringen. Mittwochs haben eine Mitarbeiterin und ich seit vielen Monaten unseren festen Corona-Tag. Erfreulicherweise halten sich die Mandanten an diese Terminserie, Fragen oder Unterlagen bekommen wir immer bis Dienstag gestellt beziehungsweise zurück. Organisation ist eben alles.
Ein deutliches Mehr an Arbeit
Pro Mandant sind bei der Überbrückungshilfe III im Schnitt jedenfalls 25 Stunden angefallen, bis der Antrag raus ging. Darin sind sechs Stunden für die Schlussrechnung enthalten, von der kein Mensch weiß, wann sie kommt, wie sie aussieht und bis wann alles fertig sein muss. Allerdings haben wir, so wie die Eichhörnchen ihre Haselnüsse, die wichtigsten Dinge gesammelt, wie etwa Rechnungen, Bilder, Nachweise, Hygienekonzepte, und haben diese Dokumente strukturiert abgelegt. Hauptsache schnell, einfach und unbürokratisch. Gewonnen haben wir nur mehr Arbeit, denn zum einen liefen die normalen Aufgaben weiter, garniert mit Homeoffice und drei Bildschirmen sowie einem Convertible, VPN-Zugang und Rufnummernübermittlung wie in der Kanzlei, zum anderen ist noch ein wenig KuG dazugekommen plus Quarantäne.
Weitere Hürden
Und seit April 2021 prüfte das Arbeitsamt alle Anträge. Unser Lohnteam hat sich sehr gefreut, denn sonst wäre es langweilig geworden. Auch das Bundesministerium der Finanzen war fleißig und hat uns beispielsweise Schreiben, wie etwa zum Thema Gutscheinkarte geschenkt. Die Kassensicherungsverordnung wird angepasst. Bei der zertifizierten, Cloud-basierten Technischen Sicherheitseinrichtung (CloudTSE) kommen manche Anbieter nicht vorwärts, sodass Anträge nach § 148 der Abgabenordnung zu stellen waren. Dank des Föderalismus hat jedes Finanzministerium andere Vorstellungen. Ach so, Anpassungs- und Stundungsanträge waren auch noch zu stellen, zum Glück digital. Und die Betriebsprüfung ist ebenfalls wieder aufgetaucht und hat Ankündigungen in einem Umfang rausgeschickt, dass man sich manchmal fragt, was geht da jetzt ab?
Senkung der Umsatzsteuer
Erinnern Sie sich noch an die erste Juniwoche 2020, als in einer Nachtsitzung die Senkung der Umsatzsteuersätze beschlossen und Speisen im Haus gleich auf fünf Prozent gesenkt wurden. Drei Wochen hatten wir Zeit für alle Umstellungsarbeiten. Nun, gesagt, getan. Seit diesem Zeitpunkt schlugen in der Gastronomie jedoch die Risikofilter der Finanzverwaltung an. „Erklären Sie bis zum …, weshalb die Umsatzsteuerzahllast bei vergleichbarem Umsatz so niedrig ist.“ Ähm, weil vielleicht die Steuersätze angepasst worden waren?
Fazit
Mir fällt für die Jahre 2020 und 2021 daher nur eines ein: Verloren haben wir Lebensqualität und strukturiertes Arbeiten. Gewonnen haben wir dafür mehr Arbeit, mehr Überstunden, mehr Risiken und weniger Zeit für uns und unsere Familien. Das allerdings schnell, einfach und unbürokratisch.