Die steuerliche Komplexität nimmt durch die fortlaufende Rechtsprechung und neue gesetzliche Regelungen zu. Aufgrund immer kürzerer Vorlauf- beziehungsweise Umsetzungszeiten steigen die Anforderungen an die Steuerfunktion, nicht zuletzt auch als Folge der digitalen Transformation.
Die zeitweise Reduzierung der Umsatzsteuersätze war 2020 eines der Themen, das die Unternehmen sowie Steuerberaterinnen und Steuerberater gleichermaßen beschäftigte. Neben der klassischen Sachverhaltsberatung und dem Bereitstellen von Informationen rund um rechtliche Neuregelungen führte die Umsetzung in Webshops und ERP-Systemen zu einem noch größeren Umsetzungsaufwand. Zur Sicherstellung, dass zum Beispiel bestehende offene Aufträge in Systemen das richtige Leistungsdatum und den richtigen Umsatzsteuersatz auf der Rechnung erhalten, waren digitale Kompetenzen gefragt, um die rechtlichen Bestimmungen prozessual in den Systemen zu verankern. Andere Beispiele sind zusätzliche Deklarationsverpflichtungen wie DAC6 und weitere notwendige Angaben in Steuererklärungen, wie zum Beispiel die Umsatzsteuer-Voranmeldung (UStVA) 2021 – Kennzahlen 50 und 37, die immer umfangreichere und gut strukturierte Daten als Grundlage benötigen. Dieser Trend wird Unternehmen mit umsatzsteuerlichen Registrierungen in Ländern wie Spanien, Italien und Polen nicht verwundern, da es dort bereits die Verpflichtung zur frühzeitigen Datenübergabe an die Finanzbehörden gibt (SdI in Italien, SII in Spanien oder SAF-T in Polen). Die Behörden nehmen an den Daten umfangreiche Prüfungen vor und erstatten etwa eine Vorsteuer nur dann, wenn eine korrespondierende Umsatzsteuer entrichtet wurde. Die länderspezifischen Entwicklungen zeigen, dass die Anforderungen an den schon heute umfangreichen Datensammlungs- und Aufbereitungsprozess zunehmen. Dabei muss eine hohe Datenqualität gesichert sein, was präventiv durch digitalisierte Prozesse und detektivisch im Nachgang mit Datenanalysen sichergestellt werden kann. Interne Kontrollsysteme beziehungsweise Tax-Compliance-Management-Systeme werden damit zu einem unerlässlichen Werkzeug für die rechtssichere und effiziente steuerliche Abwicklung. Zudem benötigen heterogen gewachsene Systemlandschaften steuerlich-technische Querschnittskompetenzen. Das betrifft ERP-Systeme, aber auch individuelle Software-Tools für die Bearbeitung in den verschiedenen Steuerarten. Ohne einen strukturierten Lösungsansatz werden unzählige Datensilos geschaffen und es können bereits Aufgaben wie eine Organschaftskonsolidierung durch die unterschiedlichen Datenformate und -strukturen zu einem zeitaufwendigen Excel-Zahlenspiel werden. Die zentrale Frage für Unternehmen und deren Steuerabteilungen lautet: Wie kann die Steuerfunktion zukünftig digitale Kompetenzen und ein technologisches Umfeld schaffen, die dem digitalen Wandel gerecht werden und gleichzeitig mehr Freiräume für fachliche Fragestellungen schafften?
IT-Unterstützung durch Business Intelligence (BI)
Zur Unterstützung der Steuerfunktion können verschiedene IT-Tools eingesetzt werden. Bewährt haben sich die folgenden:
- Anwendungen des ERP-Standards,
- kundenindividuelle Erweiterung des ERP-Standards (zum Beispiel angepasste Steuerfindung),
- manuelle Durchführung der Datenextraktion aus operativen Systemen und Verarbeitung in MS Excel,
- Einsatz von Spezialwerkzeugen, die Einzeltätigkeiten übernehmen (zum Beispiel UStVA, UID-Prüfung, VP-Dokumentation, Quickchecks),
- Anwendung von BI-Frontend-Lösungen zur Datenanalyse (MS Power BI, Tableau, Qlik, SAP BO).
Abstrahiert auf die Kernaufgabe ist die Grundidee sehr ähnlich: Daten aus operativen Systemen so verarbeiten, dass eine steuerliche Aufgabe teilautomatisiert ablaufen kann. Aufgrund der Komplexität von Datenquellen und -strukturen kommt es bei den aufgeführten Lösungsvarianten zu einem hohen Arbeitsaufwand in der reinen Datenaufbereitung. Dies ist vor allem dann zu beobachten, wenn Daten verschiedener Unternehmensbereiche, wie Finanzbuchhaltung und die Vormodule (etwa Vertrieb, Einkauf und Versand), verknüpft werden müssen. Erfahrungsgemäß wird diese Verarbeitung häufig mehrfach durchgeführt, da die steuerlichen IT-Werkzeuge auf verschiedene Weise mit Daten befüllt werden müssen.
Die Methode Business Intelligence beschäftigt sich seit vielen Jahren mit einer effizienten Datenverarbeitung im Unternehmen und nutzt dabei technische Hilfsmittel wie Data-Warehouse-Systeme. Auch für Steuern und Compliance eignen sich diese Ansätze, müssen hinsichtlich der Zielstellung aber erweitert werden. Denn eine reine Analyseplattform ist für die Aufgabenerfüllung nicht ausreichend. Zudem sind externe Berichts- sowie umfassende Dokumentationspflichten zu erfüllen. Damit gilt es, für die Lösung eine durchgängige IT-Plattform zu entwickeln, in der das Datenmanagement in vor- und nachgelagerte Compliance- und Weiterverarbeitungsprozesse eingebettet wird. Die entstehende BI-Lösung wird so zur zentralen Datendrehscheibe und zum Kern der Digitalisierung in der Steuerabteilung. Für eine langfristig wirksame Gestaltung müssen zunächst relevante steuerliche Daten an zentraler Stelle gesammelt und muss die Aufbereitung automatisiert werden. Typische Quellsysteme (DATEV, SAP oder Microsoft Dynamics 365) trennen die Daten in verschiedene Teilbereiche (Module, Tabellen), um so die Datenmenge überschaubar zu halten. Diese Trennung führt zu einem datentechnischen Bruch, wenn der Gesamtwertschöpfungsprozess, wie bei den transaktionalen Steuern häufig der Fall, im Fokus der Betrachtung steht. BI-Werkzeuge korrigieren diese Trennung, indem die Daten miteinander verknüpft werden und so die Gesamtsicht auf den Sachverhalt ermöglicht wird. Speziell in heterogenen Systemlandschaften eignen sich zentrale BI-Lösungen dazu, Daten verschiedener ERP-Systeme an einer Stelle zu vereinen, um eine unternehmensweite Datensicht zu erhalten. Mit der Implementierung einer solchen BI-Lösung werden manuelle Excel-Verarbeitungen abgelöst und die Daten sind unmittelbar zur Verwendung verfügbar.
Rödl Tax Data Hub als Beispiel einer Datenplattform
Eine Lösung zur integrierten Datenverarbeitung für steuerliche Sachverhalte ist der Rödl Tax Data Hub. Entstanden ist er in einem projektähnlichen Ansatz, bei dem begleitend zu konkreten Beratungsmandaten die IT-Lösung schrittweise gewachsen ist. Aufgrund wiederkehrender und ähnlicher Anforderungssituationen konnte die Lösung abstrahiert werden und so ein Analyse- und Datenverarbeitungs-Content entstehen, der nun als adaptierbare Lösung nutzbar ist. Die technologische Plattform des Tax Data Hub ist SAP BW/4HANA. Zunächst wurde in den Tax Data Hub SAP ERP integriert und die Daten wurden in einem zentralen Datenmodell miteinander verknüpft. Im Verlauf der Entwicklung wurden weitere Datenquellen an den Tax Data Hub angebunden, wodurch auch bei heterogenen Quelllandschaften zentrale Datensichten entstehen. Die wesentliche Herausforderung – Schaffung einer zentralen Datenbasis bei mehreren und heterogenen ERP-Quellumgebungen – ist damit gemeistert. Auf Basis der Datengrundlage entstanden für den Tax Data Hub iterativ Anwendungen (Apps), die auf die gleiche Datenbasis zugreifen:
- umsatzsteuerliche Organschaftskonsolidierung über mehrere ERP-Systeme und automatische Umsatzsteuer-Voranmeldung (UStVA)/Umsatzsteuer-Jahreserklärung (UStJE);
- Deep-Dive-Analysen über die gesamte Wertschöpfungskette – vom Einkauf, Vertrieb, Versand über die Buchhaltung (etwa über alle SAP-Module) bis zur Einzelpositionsebene;
- direkte Segmentierung für Verrechnungspreistransaktionen auf Basis SAP ERP für die echtzeitnahe Dokumentation einer Drittvergleichsbarkeit und integrierten VP-Planung;
- länderübergreifende Konsolidierung und Harmonisierung von Steuerbilanzen und Verknüpfung mit einer Workflow- Dokumentation;
- Konsolidierung von Gesellschaften mit Bilanzharmonisierung und Anwendung automatischer Konsolidierungsregeln;
- Betriebsstättenrechnung mit Bilanz-/GuV-Segmentierung und Relevanzlogik für Belege.
Als zentraler Zugangspunkt für Anwender wird die SAP-Oberfläche Fiori genutzt, um eine Anlaufstelle zur steuerlichen Datenverarbeitung anzubieten. Auch Zugriffe auf Vorsysteme (wie ERP) oder externe Analyseinhalte werden auf diese Weise gesteuert.
Erfolgsfaktoren

Digitale Kompetenzen können durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit steuerlicher und technischer Disziplinen entstehen. Dabei muss bereits bei Erörterung der fachlichen Problemstellung und der daraus abgeleiteten IT-Anforderungen die Kommunikation in einer gemeinsamen Sprachwelt erfolgen. Was im ersten Moment selbstverständlich klingt, ist in der Praxis ein Prozess und erfordert Offenheit bei allen Beteiligten der jeweiligen Fachdisziplinen sowie ein inhaltliches Sich-Annähern beider Seiten. Zur Generierung eines nachhaltigen Mehrwerts sollten betroffene Mitarbeiter mit steuerlichen Aufgaben bereits zu Beginn der IT-Umsetzung eingebunden werden und sollte deren Wissen in die Datenplattformlösung einfließen. Dadurch kann von Anfang an ein proaktives Change Management stattfinden, die volle Zustimmung der Beteiligten gewonnen werden sowie ein Business Partnering auf Augenhöhe zwischen Steuerfunktion und Fachbereich erfolgen. Empfehlenswert ist zudem, die Lösung der Aufgabe über periodische Wiederholungen anzugehen. Grundsätzliche Anforderungen werden definiert und umgesetzt, während Spezialfunktionen und Sonderlogiken (Ausnahmen von der Ausnahme) in Folgeschritten bearbeitet werden. Mit dem agilen und iterativen Entwicklungsansatz können so Umsetzungsideen schneller in eine eigentliche Lösung oder Anwendung überführt und mit passenden IT-Tools schnell genutzt werden.
Fazit
Um als Steuerfunktion den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu begegnen, müssen auch für den steuerlichen Bereich IT-Unterstützungswerkzeuge neu gedacht werden. Statt Einzelanwendungen mit Fokus auf konkrete Themen bietet ein zentraler Data-Warehouse-Ansatz große Potenziale für Effizienz und Skalierbarkeit für Anwendungsfälle sowie Transparenz der Datenverarbeitung. Die Einführung und Implementierung kann iterativ erfolgen und wird durch vorhandene Content-Lösungen, wie etwa den Rödl Tax Data Hub, beschleunigt. Der wesentliche Erfolgsfaktor in der Entwicklung einer modernen Steuerabteilung ist das Zusammenwirken von Fachbereich und IT auf Augenhöhe.
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