Tax Intelligence - 27. Januar 2022

Stetige Anpassung

Die steuerliche Komplexität nimmt durch die fortlaufende Rechtsprechung und neue gesetzliche Regelungen zu. Aufgrund immer kürzerer Vorlauf- beziehungsweise Umsetzungszeiten steigen die Anforderungen an die Steuerfunktion, nicht zuletzt auch als Folge der digitalen Transformation.

Die zeitweise Reduzierung der Umsatzsteuersätze war 2020 eines der Themen, das die Unternehmen sowie Steuerbe­raterinnen und Steuerberater gleichermaßen beschäftigte. Ne­ben der klassischen Sachverhaltsberatung und dem Bereitstel­len von Informationen rund um rechtliche Neuregelungen führ­te die Umsetzung in Webshops und ERP-Systemen zu einem noch größeren Umsetzungsaufwand. Zur Sicherstellung, dass zum Beispiel bestehende offene Aufträge in Systemen das rich­tige Leistungsdatum und den richtigen Umsatzsteuersatz auf der Rechnung erhalten, waren digitale Kompetenzen gefragt, um die rechtlichen Bestimmungen prozessual in den Systemen zu verankern. Andere Beispiele sind zusätzliche Deklarationsverpflichtungen wie DAC6 und weitere notwendige Angaben in Steuererklärungen, wie zum Beispiel die Umsatzsteuer-Voran­meldung (UStVA) 2021 – Kennzahlen 50 und 37, die immer umfangreichere und gut strukturierte Daten als Grundlage be­nötigen. Dieser Trend wird Unternehmen mit umsatzsteuerli­chen Registrierungen in Ländern wie Spanien, Italien und Po­len nicht verwundern, da es dort bereits die Verpflichtung zur frühzeitigen Datenübergabe an die Finanzbehörden gibt (SdI in Italien, SII in Spanien oder SAF-T in Polen). Die Behörden neh­men an den Daten umfangreiche Prüfungen vor und erstatten etwa eine Vorsteuer nur dann, wenn eine korrespondierende Umsatzsteuer entrichtet wurde. Die länderspezifischen Ent­wicklungen zeigen, dass die Anforderungen an den schon heu­te umfangreichen Datensammlungs- und Aufbereitungspro­zess zunehmen. Dabei muss eine hohe Da­tenqualität gesichert sein, was präventiv durch digitalisierte Prozesse und detekti­visch im Nachgang mit Datenanalysen si­chergestellt werden kann. Interne Kontroll­systeme beziehungsweise Tax-Compliance-Management-Systeme werden damit zu ei­nem unerlässlichen Werkzeug für die rechtssichere und effiziente steuerliche Ab­wicklung. Zudem benötigen heterogen ge­wachsene Systemlandschaften steuerlich-technische Querschnittskompetenzen. Das betrifft ERP-Systeme, aber auch individuelle Software-Tools für die Bearbeitung in den verschiedenen Steuerarten. Ohne einen strukturierten Lösungsansatz werden unzählige Datensilos ge­schaffen und es können bereits Aufgaben wie eine Organ­schaftskonsolidierung durch die unterschiedlichen Datenfor­mate und -strukturen zu einem zeitaufwendigen Excel-Zahlen­spiel werden. Die zentrale Frage für Unternehmen und deren Steuerabteilungen lautet: Wie kann die Steuerfunktion zukünf­tig digitale Kompetenzen und ein technologisches Umfeld schaffen, die dem digitalen Wandel gerecht werden und gleich­zeitig mehr Freiräume für fachliche Fragestellungen schafften?

IT-Unterstützung durch Business Intelligence (BI)

Zur Unterstützung der Steuerfunktion können verschiedene IT-Tools eingesetzt werden. Bewährt haben sich die folgen­den:

  • Anwendungen des ERP-Standards,
  • kundenindividuelle Erweiterung des ERP-Standards (zum Beispiel angepasste Steuerfindung),
  • manuelle Durchführung der Datenextraktion aus operati­ven Systemen und Verarbeitung in MS Excel,
  • Einsatz von Spezialwerkzeugen, die Einzeltätigkeiten über­nehmen (zum Beispiel UStVA, UID-Prüfung, VP-Dokumen­tation, Quickchecks),
  • Anwendung von BI-Frontend-Lösungen zur Datenanalyse (MS Power BI, Tableau, Qlik, SAP BO).

Abstrahiert auf die Kernaufgabe ist die Grundidee sehr ähn­lich: Daten aus operativen Systemen so verarbeiten, dass eine steuerliche Aufgabe teilautomatisiert ablaufen kann. Aufgrund der Komplexität von Datenquellen und -strukturen kommt es bei den aufgeführten Lösungsvarianten zu einem hohen Arbeitsaufwand in der reinen Datenaufbereitung. Dies ist vor allem dann zu beobachten, wenn Daten verschiedener Unternehmensbereiche, wie Finanzbuchhaltung und die Vor­module (etwa Vertrieb, Einkauf und Versand), verknüpft wer­den müssen. Erfahrungsgemäß wird diese Verarbeitung häu­fig mehrfach durchgeführt, da die steuerlichen IT-Werkzeuge auf verschiedene Weise mit Daten befüllt werden müssen.

Die Methode Business Intelligence beschäftigt sich seit vie­len Jahren mit einer effizienten Datenverarbeitung im Unter­nehmen und nutzt dabei technische Hilfs­mittel wie Data-Warehouse-Systeme. Auch für Steuern und Compliance eignen sich diese Ansätze, müssen hinsichtlich der Zielstellung aber erweitert werden. Denn eine reine Analyseplattform ist für die Auf­gabenerfüllung nicht ausreichend. Zudem sind externe Berichts- sowie umfassende Dokumentationspflichten zu erfüllen. Da­mit gilt es, für die Lösung eine durchgän­gige IT-Plattform zu entwickeln, in der das Datenmanagement in vor- und nachgela­gerte Compliance- und Weiterverarbeitungsprozesse einge­bettet wird. Die entstehende BI-Lösung wird so zur zentralen Datendrehscheibe und zum Kern der Digitalisierung in der Steuerabteilung. Für eine langfristig wirksame Gestaltung müssen zunächst relevante steuerliche Daten an zentraler Stelle gesammelt und muss die Aufbereitung automatisiert werden. Typische Quellsysteme (DATEV, SAP oder Microsoft Dynamics 365) trennen die Daten in verschiedene Teilberei­che (Module, Tabellen), um so die Datenmenge überschau­bar zu halten. Diese Trennung führt zu einem datentechni­schen Bruch, wenn der Gesamtwertschöpfungsprozess, wie bei den transaktionalen Steuern häufig der Fall, im Fokus der Betrachtung steht. BI-Werkzeuge korrigieren diese Tren­nung, indem die Daten miteinander verknüpft werden und so die Gesamtsicht auf den Sachverhalt ermöglicht wird. Spezi­ell in heterogenen Systemlandschaften eignen sich zentrale BI-Lösungen dazu, Daten verschiedener ERP-Systeme an ei­ner Stelle zu vereinen, um eine unternehmensweite Daten­sicht zu erhalten. Mit der Implementierung einer solchen BI-Lösung werden manuelle Excel-Verarbeitungen abgelöst und die Daten sind unmittelbar zur Verwendung verfügbar.

Rödl Tax Data Hub als Beispiel einer Datenplattform

Eine Lösung zur integrierten Datenverarbeitung für steuerli­che Sachverhalte ist der Rödl Tax Data Hub. Entstanden ist er in einem projektähnlichen Ansatz, bei dem begleitend zu konkreten Beratungsmandaten die IT-Lösung schrittweise gewachsen ist. Aufgrund wiederkehrender und ähnlicher An­forderungssituationen konnte die Lösung abstrahiert werden und so ein Analyse- und Datenverarbeitungs-Content entste­hen, der nun als adaptierbare Lösung nutzbar ist. Die techno­logische Plattform des Tax Data Hub ist SAP BW/4HANA. Zu­nächst wurde in den Tax Data Hub SAP ERP integriert und die Daten wurden in einem zentralen Datenmodell miteinan­der verknüpft. Im Verlauf der Entwicklung wurden weitere Datenquellen an den Tax Data Hub angebunden, wodurch auch bei heterogenen Quelllandschaften zentrale Datensich­ten entstehen. Die wesentliche Herausforderung – Schaffung einer zentralen Datenbasis bei mehreren und heterogenen ERP-Quellumgebungen – ist damit gemeistert. Auf Basis der Datengrundlage entstanden für den Tax Data Hub iterativ An­wendungen (Apps), die auf die gleiche Datenbasis zugreifen:

  • umsatzsteuerliche Organschaftskonsolidierung über meh­rere ERP-Systeme und automatische Umsatzsteuer-Voran­meldung (UStVA)/Umsatzsteuer-Jahreserklärung (UStJE);
  • Deep-Dive-Analysen über die gesamte Wertschöpfungsket­te – vom Einkauf, Vertrieb, Versand über die Buchhaltung (etwa über alle SAP-Module) bis zur Einzelpositionsebene;
  • direkte Segmentierung für Verrechnungspreistransaktio­nen auf Basis SAP ERP für die echtzeitnahe Dokumentati­on einer Drittvergleichsbarkeit und integrierten VP-Pla­nung;
  • länderübergreifende Konsolidierung und Harmonisierung von Steuerbilanzen und Verknüpfung mit einer Workflow- Dokumentation;
  • Konsolidierung von Gesellschaften mit Bilanzharmonisie­rung und Anwendung automatischer Konsolidierungsre­geln;
  • Betriebsstättenrechnung mit Bilanz-/GuV-Segmentierung und Relevanzlogik für Belege.

Als zentraler Zugangspunkt für Anwender wird die SAP-Oberfläche Fiori genutzt, um eine Anlaufstelle zur steuerli­chen Datenverarbeitung anzubieten. Auch Zugriffe auf Vor­systeme (wie ERP) oder externe Analyseinhalte werden auf diese Weise gesteuert.

Erfolgsfaktoren

Digitale Kompetenzen können durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit steuerlicher und technischer Disziplinen entstehen. Dabei muss bereits bei Erörterung der fachlichen Problemstellung und der daraus abgeleiteten IT-Anforderun­gen die Kommunikation in einer gemeinsamen Sprachwelt erfolgen. Was im ersten Moment selbstverständlich klingt, ist in der Praxis ein Prozess und erfordert Offenheit bei allen Be­teiligten der jeweiligen Fachdisziplinen sowie ein inhaltli­ches Sich-Annähern beider Seiten. Zur Generierung eines nachhaltigen Mehrwerts sollten betroffene Mitarbeiter mit steuerlichen Aufgaben bereits zu Beginn der IT-Umsetzung eingebunden werden und sollte deren Wissen in die Daten­plattformlösung einfließen. Dadurch kann von Anfang an ein proaktives Change Management stattfinden, die volle Zustim­mung der Beteiligten gewonnen werden sowie ein Business Partnering auf Augenhöhe zwischen Steuerfunktion und Fachbereich erfolgen. Empfehlenswert ist zudem, die Lösung der Aufgabe über periodische Wiederholungen anzugehen. Grundsätzliche Anforderungen werden definiert und umge­setzt, während Spezialfunktionen und Sonderlogiken (Aus­nahmen von der Ausnahme) in Folgeschritten bearbeitet wer­den. Mit dem agilen und iterativen Entwicklungsansatz kön­nen so Umsetzungsideen schneller in eine eigentliche Lö­sung oder Anwendung überführt und mit passenden IT-Tools schnell genutzt werden.

Fazit

Um als Steuerfunktion den aktuellen und zukünftigen Her­ausforderungen zu begegnen, müssen auch für den steuerli­chen Bereich IT-Unterstützungswerkzeuge neu gedacht wer­den. Statt Einzelanwendungen mit Fokus auf konkrete The­men bietet ein zentraler Data-Warehouse-Ansatz große Po­tenziale für Effizienz und Skalierbarkeit für Anwendungsfälle sowie Transparenz der Datenverarbeitung. Die Einführung und Implementierung kann iterativ erfolgen und wird durch vorhandene Content-Lösungen, wie etwa den Rödl Tax Data Hub, beschleunigt. Der wesentliche Erfolgsfaktor in der Ent­wicklung einer modernen Steuerabteilung ist das Zusam­menwirken von Fachbereich und IT auf Augenhöhe.

MEHR DAZU

DATEV-Consulting „TAX-Compliance mit System

Bleiben Sie in der steuerlichen Rechtsprechung immer auf dem neuesten Stand – und sparen Sie gleichzeitig mit unserem neuen Lernvideopaket. Lernvideo online „Lernvideopaket: Aktuelles Steuerrecht 2022“

Zu den Autoren

MN
Michael Natterer

Head of SAP BI & Analytics bei Rödl & Partner

Weitere Artikel des Autors
HM
Holger Maier

Leiter Digital Tax Transformation/ Digitale Steuerprozesse bei Rödl & Partner

Weitere Artikel des Autors