Der Controller - 27. August 2020

Stärken nutzen

Wenn Sie bei der Buchführung für den Mandanten die Rechnung eines externen Unternehmensberaters finden, wird Ihnen auf dem Silbertablett serviert, dass Sie vorhandenes Beratungspotenzial nicht nutzen. Das sollte nicht sein. Starten Sie in die Zukunft. Vielleicht vom reinen, klassischen Steuerberater auch zum Controller.

Mein Verständnis von Steuerberatung teilt sich in Pflicht und Kür. Als Pflicht sehe ich die vergangenheitsorientierte Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften, wie etwa die fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen und Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Die Kür bildet in meiner Wahrnehmung jedoch eine zukunftsorientierte steuerliche und/oder wirtschaftliche Beratung. Hand aufs Herz: Wie viel Redeanteil bei einer Bilanzbesprechung haben Sie und wie viel der Mandant? Wie viel Zeit wird über die Vergangenheit philosophiert und wie viel über die Zukunft? Diese Fragen stehen sinnbildlich für meinen zukunftsorientierten Beratungsansatz. Wie kann ich von meinem Mandanten etwas erfahren, wenn ich als Berater selbst die ganze Zeit spreche? Die Vergangenheit lässt sich nicht mehr ändern, die Zukunft hingegen schon. Wieso sollte ich dann den Großteil der Zeit für Zahlen investieren, die bereits ein bis zwei Jahre zurückliegen. Macht es nicht viel mehr Sinn, sich mit den in der Zukunft liegenden Szenarien zu beschäftigen und den Mandanten dabei zu unterstützen? Oder um mit den Worten von Albert Einstein zu sprechen: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“

Meine Bilanzbesprechungen haben sich im Vergleich zu den vergangenen Jahren komplett verändert. Ich stelle dem Mandanten viele Fragen, um möglichst viel von ihm als Unternehmer, aber auch als Mensch zu erfahren. Vor mir sitzt keine Schreinerei oder ein Friseursalon, sondern eine Person aus Fleisch und Blut. Was bewegt diesen Menschen und wie kann ich ihn dabei bestmöglich unterstützen? Das sind Kernfragen, die für mich überwiegender Teil einer Bilanzbesprechung sind. Mein Redeanteil von 80 Prozent hat sich mittlerweile auf 20 Prozent reduziert, die 80 Prozent sind jetzt für den Mandanten reserviert. Mit jeder Antwort lerne ich den Mandanten und seine Werte, Wünsche und Bedürfnisse noch besser kennen.

Fehlende Wahrnehmung als Berater

Ich wunderte mich immer, weshalb Mandanten uns nicht als Berater wahrnehmen. Vielleicht liegt es genau daran, dass wir viel zu sehr von der Vergangenheit und den gesetzlichen Pflichten getrieben sind, als uns Gedanken über die Zukunft des Unternehmers zu machen. Ja, die des Unternehmers und nicht nur die seines Betriebs. Ich bin Steuerberater, leider jedoch selbst viel zu oft nur Steuerverwalter. Häufig erhalten wir von den Mandanten den Stempel eines Erfüllungsgehilfen und werden als möglicher Berater – unabhängig von unserer Berufsbezeichnung – erst gar nicht wahrgenommen. Dies war einer der ausschlaggebenden Punkte für mich, eine eigene Beratungsfirma zu gründen. Die Vorteile liegen in den individuellen Vermarktungsmöglichkeiten sowie einer klaren Abgrenzung zu den klassischen Tätigkeiten einer Steuerkanzlei. Durch das separate Angebot kann unabhängig vom bestehenden Image der Steuerkanzlei eine eigene Marke für eine neue Beratungssparte aufgebaut werden. Mit der Ausgliederung dieses Teilbereichs kann die Wahrnehmung als Berater bei bestehenden Mandanten erhöht und zusätzlich neue Mandanten und Märkte erschlossen werden. Dafür hatte ich den erforderlichen Antrag bei der Steuerberaterkammer Nürnberg gestellt, um eine Ausnahmegenehmigung für eine gewerbliche Tätigkeit zu bekommen. Diese wurde mir erteilt, nachdem ich die Unternehmensstruktur beschrieben beziehungsweise den zukünftigen Tätigkeitsumfang ausführlich dargelegt hatte. Nun genieße ich es, mich als Unternehmer – ja auch wir Steuerberater sind Unternehmer – jeden Tag frei entscheiden zu können, was und mit wem ich arbeiten will. Diese Freiheit sehe ich als Geschenk und nehme sie täglich dankbar an.

Beratung als Zukunft der Steuerberatung

Überall ist zu lesen, dass durch Digitalisierung und Automatisierung Kapazitäten frei werden. Diese freien Zeiten sollten dann idealerweise zur betriebswirtschaftlichen Beratung genutzt werden. Na toll, aber will und kann ich beziehungsweise mein Team das überhaupt? Als Inhaber einer Steuerkanzlei mit einem Team von 20 Personen musste ich erkennen, dass ein „Weiter so“ beziehungsweise ein „Hoch lebe das Vorjahr“ keine erfolgsversprechenden Strategien für eine Steuerkanzlei der kommenden Jahre sein können. Zunächst sollte man sich als Kanzleiinhaber selbst die Frage stellen, welches Leistungsspektrum man in Zukunft mit der Kanzlei gerne anbieten möchte beziehungsweise wie man selbst die Zukunft der Kanzlei sieht. Hier können Sie sich als Inhaber noch stärker entsprechend Ihrer Berufung verwirklichen und das umsetzen, wofür Sie stehen. Welche Dienstleistung oder Beratung macht Ihnen Spaß? Egal, ob Nachfolge-, Sanierungs- oder Insolvenzberatung beziehungsweise die Ausarbeitung von steueroptimierten Gestaltungen. Entscheidend ist, dass Sie sich auf den Weg machen und darüber nachdenken. Ich habe mich für das Thema Controlling entschieden. Unsexy mag es für den ein oder anderen sein. Für mich ist es jedoch genau das Richtige, da hierin meine Leidenschaft liegt.

Controlling zur Steuerung des Unternehmens

Von Mandanten erhalte ich oft auf meine Frage: Welchen Jahresumsatz erwarten Sie in diesem Jahr? Die Antwort lautet: Ahhh, mhhh, keine Ahnung. Das ist sehr erstaunlich. Über das zu erwartende Ergebnis oder gar eine Unternehmensvision haben viele Firmeninhaber keine Vorstellung. Daher wäre es richtig cool, wenn die gewerblichen Mandanten eine Art Navi für das Unternehmen hätten. An dieser Stelle kommt nun das Controlling ins Spiel. Es stellt dem Unternehmer entscheidungsrelevante Informationen zeitnah zur Verfügung. Der Begriff Controlling wird leider häufig missverstanden und mit kontrollieren gleichgesetzt, nicht aber mit seiner eigentlichen Bedeutung steuern. Speziell in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) ist das Controlling heutezutage als Instrument zur Unternehmensführung noch nicht weit verbreitet. Aber warum ist das so? Meiner Ansicht nach liegt das daran, dass weder dem Steuerberater noch dem Unternehmer der Nutzen dieses Managementinstruments in seiner Gänze bewusst ist. Ein häufiges Problem in KMU ist die vergangenheitsorientierte Führung des Unternehmens. Die jährliche Bilanz und GuV reichen einfach nicht aus, um ein Unternehmen zukunftsorientiert steuern zu können. Das kann zu Fehlentscheidungen und einer erhöhten Verlustgefahr führen, sodass im schlimmsten Fall nur noch der Insolvenzverwalter helfen kann. Gerade deshalb sollte im Mittelstand künftig verstärkt ein Augenmerk darauf gelegt werden, geeignete und wirtschaftliche Controllingtools zu implementieren. Wirtschaftlich deshalb, da natürlich auch hier die Kosten-Nutzen-Relation stimmen muss. Durch Einführung eines Controllingsystems ist zwar noch nicht automatisch mehr Geld in der Kasse, aber mit einem zielgerichteten Controllingkonzept gewinnt man eine fundierte Informationsbasis, um durch wirtschaftliche Entscheidungen Geld zu sparen.

Finanzcontrolling

Ein wichtiger Schritt ist die Einführung eines Finanzcontrollings. Dabei wird durch die Unternehmensplanung ein zukunftsorientiertes Führungsinstrument implementiert, das durch die Ergebnis- und Liquiditätsplanung sowie Soll-Ist-Vergleiche den Unternehmenserfolg sichern und steuern soll. Genau hier können wir als Steuerberater unterstützend tätig sein und so als externe Controller einen unglaublichen Mehrwert für die Unternehmer bieten, die sich mit diesem wertvollen Tool weder beschäftigen können noch wollen. Man denke beispielsweise an eine Firma, die durch einen fachlich exzellenten Handwerker aufgebaut wurde, der jedoch von Betriebswirtschaft sowie Unternehmensführung wenig Ahnung hat. Hier sind wir Steuerberater gefragt. KMU verfügen nur selten über die monetären beziehungsweise zeitlichen Mittel für ein regelmäßiges Controlling oder gar eine eigene Controllingabteilung. Die Datenbasis hierfür liegt uns Beratern aufgrund der von uns erstellten Finanzbuchführung ohnehin schon vor. Die entscheidende Frage ist jedoch, was wir mit diesen Daten beziehungsweise Informationen machen. Aktuell kümmern wir uns fast ausschließlich um das vergangenheitsorientierte, externe Rechnungswesen. Genau dieser Vergangenheitsbezug ist für eine effektive Unternehmensführung nicht ausreichend. Dem Unternehmer kommt es schließlich nicht darauf an, dass ihm die Verluste der Vergangenheit erklärt werden, sondern vielmehr, wie er Verluste künftig vermeiden kann.

Planung und Kontrolle verzahnen

Unternehmensführung ohne Planung ist wie Abnehmen ohne Waage. Ein Unternehmen braucht daher ein Messinstrument, um Erfolge und auch Misserfolge ablesen zu können. Dafür ist eine Planung unabdingbar. Viele Unternehmen besitzen aber noch keine Unternehmensplanung, bei der ein Forecast für die künftigen Jahre aufgestellt wird. Wichtiger Baustein eines wirksamen Finanzcontrollings ist daher die Verzahnung von Planung und Kontrolle, die in eine Abweichungsanalyse mündet. Wir Steuerberater könnten das über eine Plan-BWA und einen Soll-Ist-Vergleich perfekt abbilden. Das wäre ein Beispiel, wie man die durch Digitalisierung frei werdenden Kapazitäten nutzen und dem Mandanten einen zukunftsorientierten Mehrwert bieten könnte. Alles bisher Gesagte ist wahrlich kein Hexenwerk oder auf neudeutsch keine Rocket Science. Vieles davon haben Sie womöglich bereits gehört und wenden dies in ähnlicher Form vermutlich auch an. Entscheidend dabei ist, dass Sie sich als Steuerberater gemeinsam mit Ihrem Team als eine Art Coach für den Unternehmer positionieren können. Aus meiner eigenen Erfahrung ist die größte Herausforderung einer effektiven Unternehmensplanung das stetige Anwenden, kurz gesagt: die nachhaltige Umsetzung. Grundsätzlich wissen wir alle, wie wichtig eine Planung ist. Der einfachste Einstieg dabei ist die eigene Kanzlei. Nutzen wir Sie als Labor und erstellen wir für unsere eigene Kanzlei selbst ein Finanzcontrolling. Denn die Vorteile des Controlling gelten nicht nur für unsere Mandanten, sondern selbstverständlich auch für uns Steuerberater.

Erfolg ist Tun

Damit wir zukünftig keine Rechnungen mehr von externen Unternehmensberatern bei unseren Mandanten vorfinden, sollten wir uns auf den Weg machen. Jeder in seinem Tempo und nach seinen individuellen Vorstellungen. Ich denke, wir können uns aber alle vor der gegenwärtigen sowie zukünftigen Bedeutung der Beratung in unserer Branche nicht mehr verschließen. Suchen Sie nach Ihrem präferierten Beratungsansatz, dafür wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Ich persönlich habe ihn als ein mit Blick auf die Zukunft orientierter Controller für meine Mandanten gefunden. Denn in der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je, unternehmerisch tätig zu sein, um die künftigen Herausforderungen für unsere Branche erfolgreich zu meistern. Dafür ist es hilfreich, den Sprung vom Selbstständigen zum Unternehmer zu wagen.

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SEMINARE

Einführung in das DATEV-Programm Datenprüfung (Art.-Nr. 77270)

Einstieg in DATEV Datenprüfung (Art.-Nr. 78001)

Zum Autor

TL
Thomas Lang

Steuerberater und Inhaber der Steuerkanzlei Häßler & Lang GBR sowie Geschäftsführer der MeisterBusiness GmbH. Er ist zudem Dozent und Autor zu diversen Themen rund um die Zukunft der Steuerberatung.

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