Debt Equity Swap - 29. April 2021

Spielräume nutzen

Die Umwandlung einer finanziellen Gläubigerforderung in eine Beteiligung kann in der aktuellen Krise die bestehenden Schulden reduzieren und zu einer Stärkung des Eigenkapitals führen.

Der infolge der Corona-Pandemie entstandene Stillstand in der deutschen Wirtschaft sowie der daraus resultierende, branchenspezifische Konjunktureinbruch kann Unternehmen – auch mit bis dahin gesunden Geschäftsmodellen – schwer belasten. Aufgelaufene Verluste mindern die Eigenkapitalbasis. Die Aufnahme von weiterem Fremdkapital führt zu weiteren, zusätzlichen Zinsaufwendungen, die sich wiederum auf die ohnehin unter Druck stehenden Ergebnisse auswirken. Die Situation wirft die Frage auf, wie Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis stärken können. Denkbar ist natürlich die Zuführung neuer finanzieller Mittel durch den Gesellschafterkreis zur Stärkung des Eigenkapitals in Form einer Barkapitalerhöhung. Sofern im ersten Schritt kein Fresh Money benötigt wird, ergibt sich eine interessante Alternative: die Durchführung einer Debt-Equity-Swap-Transaktion. Anlass genug, den Steuerberater als ersten Berater der deutschen Unternehmen – und insbesondere des Mittelstands – über den Begriff, die Struktur sowie die Herausforderungen einer solchen Transaktion zu informieren.  

Begriffsdefinition

Durch den Debt Equity Swap wird eine finanzielle Forderung eines Gläubigers (Fremdkapital/Debt) in eine Beteiligung am Unternehmen (Eigenkapital/Equity) getauscht (Tausch/Swap). Der Debt Equity Swap ist damit ein effektives Instrument der finanziellen Restrukturierung. Durch die bilanzielle Entschuldung wird die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft gestärkt ohne Zuführung neuer Finanzmittel. Darüber hinaus werden die zukünftigen Zinsbelastungen reduziert. Dies eröffnet für die Zukunft neue finanzielle Spielräume und verschafft Zeit für die Durchführung weiterer Restrukturierungsmaßnahmen. Schematisch kann die komplexe Transaktion vereinfacht wie folgt dargestellt werden (siehe Grafik).

Instrument einer finanziellen Restrukturierung

Im Idealfall ergeben sich für alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten, für die Gläubiger, für den bisherigen Eigentümer sowie für das Unternehmen selbst, Vorteile – eine Win-win-win- Situation. Die bereits beeinträchtigte und daher aufgrund des erhöhten Ausfallrisikos offensichtlich wertgeminderte Forderung des Gläubigers kann mit einem Abschlag auf den Nennwert erhalten bleiben. Ein dadurch möglicher späterer vollständiger Forderungsverlust wird vermieden. Gleichzeitig ergibt sich für den Gläubiger die Chance, durch den Debt Equity Swap unmittelbar an einem zukünftigen Erfolg des sanierten Unternehmens zu partizipieren. Er wird zum Eigenkapitalgeber und damit zum Gesellschafter. Aus dem Ausfallrisiko kann somit eine Beteiligungschance erwachsen. Für die bisherigen Eigenkapitalgeber ergibt sich eine deutlich verbesserte Fortführungsprognose durch den Wegfall von Schuldenlast und Kapitaldienst und der mit dem Debt Equity Swap verbundenen Stärkung des Eigenkapitals, auch wenn die Kapitalausstattung des Unternehmens zunächst insgesamt unverändert bleibt, da keine Zuführung neuer Liquidität erfolgt. Logische Konsequenz des Swaps ist jedoch auch eine deutliche Verwässerung der Eigenkapitalposition der bisherigen Gesellschafter. Ihre Zustimmung wird also dem Motto folgen: lieber weniger von etwas als alles von gar nichts.

Stärkung des Vertrauens

Das Unternehmen profitiert ebenfalls von der verbesserten Kapitalstruktur (Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital, Verschuldungsgrad) durch die Stärkung des Eigenkapitals. Zugleich stellt das Commitment des bisherigen Gläubigers einen Vertrauensbeweis in die operative Sanierungsfähigkeit des Unternehmens dar. Das neue Eigenkapital schafft Vertrauen bei Banken, Lieferanten und der Belegschaft, sodass eine Sanierung gelingen kann.

Steuerrechtliche Aspekte

Wie so oft im Leben, stehen den Vorteilen auch eine Reihe von Nachteilen und Herausforderungen gegenüber, wobei gerade der Steuerberater als erster Ansprechpartner des Mandanten gefordert ist. Steuerlicher Rat ist etwa für die Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen oder beim Untergang bisheriger Verlustvorträge dringend geboten. Ein Sanierungsgewinn abzüglich der Sanierungskosten mindert die Verluste: Ausschluss einer Doppelbegünstigung von Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen sowie der Fortführung von Verlustvorträgen durch eine zwingende Reihenfolge des Verlustverbrauchs. Das betrifft Verlustpositionen aus dem Sanierungsjahr, den Vorjahren und dem Folgejahr. Es stellen sich also steuerliche Probleme, die ohne die Unterstützung des Steuerberaters nicht zu lösen sind und den gewünschten positiven Effekt nachteilig verändern. Im schlimmsten Fall bedeutet dies, dass ohne Zufluss von Finanzmitteln ein Gewinn liquiditätswirksam besteuert werden muss.

Gesellschafts- und insolvenzrechtliche Aspekte

Darüber hinaus ist die rechtliche Begleitung einer Debt-Equity-Swap-Transaktion von entscheidender Bedeutung. Es gibt grundsätzlich kein standardisiertes Verfahren, sondern verschiedene rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und Anforderungen. Die rechtliche Vorgehensweise des Debt Equity Swaps erfolgt meist als sogenannter Kapitalschnitt, bestehend aus zwei Komponenten: der nominellen Kapitalherabsetzung und der Kapitalerhöhung. Der eigentliche Umwandlungsprozess von Fremd- in Eigenkapital findet im Rahmen der Kapitalerhöhung mit Sacheinlage (die einzubringende Forderung) statt. Eine zentrale Frage bei der Wandlung spielt die Bewertung der Forderung. Zum einen bestimmt diese den zukünftigen Anteil und zum anderen besteht auch das Risiko der Differenzhaftung bei einer möglichen Überwertung der Forderung. Wichtige Aspekte, wie die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens sowie die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger, werden regelmäßig nur durch ein positives Sanierungsgutachten nachgewiesen werden können.

Wert der eingebrachten Forderungen

Die zentrale Frage der Debt-Equity-Swap-Transaktion stellt die Bewertung der einzubringenden Forderungen dar, was sich direkt auf die Höhe des Unternehmensanteils auswirkt. Es ergibt sich somit ein interessanter Verhandlungsspielraum der beteiligten Parteien, der in der gesetzgebenden Literatur allerdings nicht abschließend geklärt wurde. In einem Insolvenzszenario würde die Forderung mit der Insolvenzquote resultierend aus dem Zerschlagungswert bedient, die regelmäßig unterhalb von zehn Prozent liegt. Dieser stellt somit die Wertuntergrenze der Forderung und die der sonstigen Gläubiger dar. Gegebenenfalls ist nach unterschiedlichen Rängen oder Besicherungen zu unterscheiden. Unterschreitet der Wert nach dem Debt Equity Swap die im Insolvenzfall zu erwartende Auszahlung, wird der Gläubiger nicht zustimmen. Daher kommt es neben dem Zerschlagungswert auch maßgeblich auf den Fortführungswert an, der unter Annahme einer erfolgreichen Sanierung des Unternehmens bestimmt wird. Empfehlenswert ist die Betrachtung unterschiedlicher Szenarien und der Einsatz von Finanzmodellen, die neben Marktparametern Risikosimulationen sowie die Kapitaldienstfähigkeit der Gesellschaft modellieren. Typischerweise ist das anlässlich eines Debt Equity Swaps zu bewertende Unternehmen hoch verschuldet, sodass Insolvenzrisiken nicht vernachlässigt werden können. Fairerweise sollten die Bewertung des Unternehmens und die Bewertung der Forderung konsistent erfolgen. Das Problem ist auch schon so hinreichend komplex.

Debt Equity Swap als Instrument des Insolvenzplans

Besondere Bedeutung hat der Debt Equity Swap im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens. Hier hat der Gesetzgeber besondere Regelungen geschaffen, die insbesondere darauf abzielen, die beschriebenen Herausforderungen zu senken und die Komplexität zu reduzieren. Gesellschafts- und Insolvenzrecht spielen enger zusammen, da nun direkte Eingriffe in die Gesellschaftsrechte explizit vorgesehen sind. Die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Eigenkapital durch eine Sacheinlage kann Bestandteil des erarbeiteten Insolvenzplans sein und dabei kann die Differenzhaftung ausgeschlossen werden.

Praxishinweise

Der Debt Equity Swap kann im Ergebnis die Gesellschaft von finanziellen Belastungen befreien und damit neue Spielräume für die weitere Sanierung schaffen. Der Transaktion stehen anspruchsvolle Hindernisse gegenüber. Auch darf der Blick nicht verstellt werden: Ein Erfolg des Debt Equity Swaps hängt maßgeblich von der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens ab. Die Gesellschaft lediglich von einem Teil ihrer Schulden zu befreien, jedoch nicht operativ zu sanieren, wird die grundsätzlichen Probleme lediglich in die (nahe) Zukunft verschieben. Es ist dann eine Frage der Zeit, bis die nächste akute Krise an die Tür klopft. Die gewonnene Zeit sollte also darauf verwendet werden, die operativen Chancen der Gesellschaft wieder zu stärken und das Geschäftsmodell zu sanieren.

Zu den Autoren

Christian Gerber

Diplom-Ökonom, Wirtschaftsprüfer und Chartered Financial Analyst (CFA), ist Partner der Atroni GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die mit Standorten in Düsseldorf und Duisburg auf die Begleitung von M&A-Transaktionen und Durchführung von Unternehmensbewertungen spezialisiert ist. Er betreut insbesondere mittelständische Mandanten, (Finanz-)Investoren und deren Beteiligungsunternehmen bei Unternehmensbewertungen, der Vorbereitung und Durchführung von Transaktionen (M&A) und Bilanzierungsfragen bundesweit.

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Philipp Ant M. Sc.

Senior Manager bei der anchor Management GmbH in Düsseldorf, die mit elf Standorten spezialisiert ist auf Interim Management in Sonder-, Krisen- und Insolvenzsituationen (CRO, CEO und CFO), Eigenverwaltung, die Erstellung von insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognosen und Restrukturierungskonzepten mit der operativen Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen

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