Die Sanierungsmoderation - 21. Juni 2021

Neues Geschäftsfeld?

Für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer kann die Rolle eines Sanierungsmoderators ein neues Betätigungsfeld sein, um angeschlagene Unternehmen zu restrukturieren. Gleichwohl ist in diesem Zusammenhang noch eine Fülle an Fragen zu klären.

Am 1. Januar 2021 ist nach wenigen Monaten und durch die Pandemie beschleunigt das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz – kurz StaRUG – als Teil des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) in Kraft getreten. Damit hat der Gesetzgeber die im März 2019 von der Europäischen Union (EU) beschlossene Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen umgesetzt und die bisherige Lücke zwischen außergerichtlicher Sanierung und Insolvenzverfahren geschlossen. Die Komplexität des neuen Verfahrens erfordert jedoch eine professionelle Planung sowie Know-how, wodurch eventuell neue Beschäftigungsfelder für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer geschaffen wurden. Nachfolgend soll beleuchtet werden, ob sich eines dieser Tools, die Sanierungsmoderation, als neues Geschäftsfeld für die genannten Berufsgruppen eignet.

Sanierungsmoderation

Wenn Sanierungsverhandlungen zwischen Schuldner und bestimmten Gläubigern festgefahren sind und das Ziel eines außergerichtlichen Vergleichs zu scheitern droht, kann der Schuldner bei Gericht auch die sogenannte Sanierungsmoderation beantragen (§ 94 StaRUG). Der Schuldner darf, wie beim Restrukturierungsplanverfahren, zum Zeitpunkt des Antrags aber nicht bereits zahlungsunfähig sein. Für eine Sanierungsmoderation bestellt das Gericht eine geeignete, geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige, natürliche Person zum Sanierungsmoderator. Dieser soll in vertrackten Verhandlungssituationen mittels Mediation und durch geeignete Kommunikation zu einem Vergleichsabschluss beitragen, um die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners zu überwinden. Bei der Wahl der konkreten Mittel ist der Moderator grundsätzlich frei. Er muss lediglich monatlich gegenüber dem Gericht einen schriftlichen Bericht mit Angaben über Art und Ursachen der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten, den Kreis der in die Verhandlungen einbezogenen Gläubiger und sonstigen Beteiligen, den Gegenstand der Verhandlungen und das Ziel sowie über den voraussichtlichen Fortgang der Verhandlungen erstatten. Ferner muss er dem Gericht anzeigen, wenn der Schuldner während der Sanierungsmoderation zahlungsunfähig wird. Hierzu muss der Schuldner dem Sanierungsmoderator Einblick in seine Bücher und Geschäftsunterlagen gewähren.

Sanierungsvergleich

Der Sanierungsvergleich unterscheidet sich im Kern vom Restrukturierungsplan dadurch, dass er keine rechtliche Wirkung gegenüber den Gläubigern entfaltet, die nicht Vertragspartner des Vergleichs sind. Außerdem ist die Dauer der Sanierungsmoderation grundsätzlich auf drei Monate begrenzt. Auf Antrag des Moderators und mit Zustimmung von Schuldner und Gläubiger kann durch das Gericht eine Verlängerung der Moderation um bis zu drei weiteren Monaten angeordnet werden. Die Sanierungsmoderation ist ein neues Werkzeug der Sanierung außerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens. Es ist nicht öffentlich und kann den schnellen Abschluss eines Vergleichs erreichen, der nicht anfechtbar und sicher für beide Parteien ist.

Hohe Praxisrelevanz

Nach unserer Einschätzung kann das Verfahren eine hohe Praxisrelevanz bekommen. Besonders die Folgen der Pandemie werden in einigen Branchen dazu führen, dass sich Unternehmen mit Gläubigern und Geschäftspartnern an einen Tisch setzen, um durch Vergleiche die gemeinsame langfristige Zusammenarbeit zu restrukturieren und zu sichern. Es ist davon auszugehen, dass es dabei viele Verzichtsforderungen oder ähnlich harte Einschnitte in die Geschäftsbeziehung geben wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Beteiligten von solchen Maßnahmen überzeugt werden können, steigt mit der Einschaltung eines neutralen und geschäftskundigen Vermittlers; dies vor allem dann, wenn die Robustheit des durch den Schuldner zwingend vorzulegenden Sanierungskonzepts durch den Sanierungsmoderator bestätigt werden sollte. Zusammen mit den insgesamt niedrigen Zugangsschwellen (§ 94 StaRUG) sowie den moderaten, planbaren Kosten (§ 98 StaRUG) kann die Sanierungsmoderation ein attraktives Instrument werden, um den Weg zum Insolvenzgericht zu vermeiden.

Sanierungsmoderator

Als Sanierungsmoderatoren kommen geschäftskundige natürliche Personen in Betracht, die unabhängig von Schuldner und Gläubiger sind (§ 94 Abs. 1 StaRUG). Der Gesetzgeber hat im Gegensatz zum Restrukturierungsbeauftragten bewusst darauf verzichtet, das Merkmal der Erfahrenheit in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen zu normieren. Das bedeutet, dass er bei der Sanierungsmoderation grundsätzlich den Schwerpunkt auf die Geschäftskundigkeit und Mediation legt. Das könnte den Zugang für neue Spieler in die Sanierungsbranche ermöglichen. In der Praxis wird sich zeigen, wie die Bestellung eines Sanierungsmoderators konkret ablaufen wird. Der Gesetzgeber verzichtete nämlich ferner darauf, gesetzliche Vorgaben zu machen, aus welchem Pool von Personen die Restrukturierungsgerichte sich bedienen dürfen. Es ist aber davon auszugehen, dass sie auch für dieses Verfahren – analog zu den Restrukturierungsplanverfahren – eine Vorauswahlliste an grundsätzlich geeigneten Personen erstellen werden. Dabei werden die Gerichte zunächst auf den bekannten und bewährten Personenkreis der Sachwalter und Insolvenzverwalter zurückgreifen. Es erscheint aber aussichtsreich, wenn sich auch andere Berufsgruppen als Sanierungsmoderatoren bewerben, zumal der Schwerpunkt der Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger in den meisten Moderationsverfahren überwiegend in betriebswirtschaftlichen Fragen liegen dürften.

Sanierungskonzept

Auch die Schlüssigkeit des durch den Schuldner vorzulegenden Sanierungskonzepts dürfte für die Beteiligten von großem Interesse sein, ergibt sich daraus doch die Nachhaltigkeit und die Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens. Auch ohne konkrete Vorgaben des Gesetzgebers wird sich in der Praxis schnell ein Standard für dieses Sanierungskonzept entwickeln. Dieser könnte sich am IDW S6 oder IDW S11 orientieren. Somit wären Steuerberater und Wirtschaftsprüfer prädestiniert, diese Konzepte auf ihre Schlüssigkeit und Robustheit zu überprüfen.

Viele offene Fragen

Abzuwarten bleibt auch, ob die „Bezahlung durch den Schuldner sowie die Bestellung und die Aufsicht durch das Restrukturierungsgericht“ ein Spannungsfeld bildet und ob sich dieses dann lösen lässt. Der Sanierungsmoderator erhält für seine Tätigkeit grundsätzlich einen Stundensatz in Höhe von 350 Euro und ist berechtigt, vom Schuldner einen angemessenen Vorschuss einzufordern. Was angemessen sein wird, muss der Einzelfall zeigen. Was aber passiert, wenn der Schuldner den Moderator nicht oder nicht vollständig bezahlt? Dieser hat schließlich weiterhin gewisse Pflichten, wie etwa die monatliche Berichterstattung gegenüber dem Gericht. Was passiert, wenn der Sanierungsmoderator auf Antrag des Schuldners abberufen und ein neuer bestellt werden sollte (§ 99 StaRUG)? Es könnte sogar sein, dass der Moderator, der seine Leistungen erbringt, obwohl diese nicht oder unvollständig vom Vorschuss abgedeckt sind, in einem späteren Insolvenzverfahren lediglich mit seiner Honorarforderung zum Insolvenzgläubiger nach § 38 Insolvenzordnung (InsO) werden könnte. Der Gesetzgeber hat hierzu nichts Näheres ausgeführt. Ein potenzieller Sanierungsmoderator sollte sich darüber Gedanken machen. Die Zahlung eines Vorschusses wird daher sicherlich die Regel werden.

Zu den Autoren

MW
Marcus Winkler

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und für Steuerrecht. Er ist Partner der WINKLER GOSSAK Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Stuttgart, aber überregional und branchenunabhängig als Insolvenzverwalter, Sachwalter und Treuhänder bestellt.

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SW
Sascha Wein

Rechtsanwalt bei der WINKLER GOSSAK Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Stuttgart. Er ist auf Unternehmenssanierungen und -restrukturierungen in unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen, aber mit deutlichem Schwerpunkt im Automobilsektor spezialisiert.

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