Krisenmanagement - 28. Mai 2021

Moderieren oder reparieren

Mit dem neu geschaffenen Gesetz zur Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen können Steuerberater einen wichtigen Beitrag leisten, die betroffenen Betriebe wieder aus der wirtschaftlichen Schieflage zu führen.

Zum 1. Januar 2021 wurde nicht nur die Insolvenzordnung in einigen wichtigen Punkten geändert, auch das mit Spannung erwartete, neu geschaffene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) trat in Kraft. Es enthält mit Sanierungsmoderation und Restrukturierungsrahmen zwei neue Instrumente, mit denen in bestimmten Konstellationen eine außergerichtliche Sanierung vereinfacht wird, wenn ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise geraten sollte.

Fallbeispiel

Anhand eines konkreten Fallbeispiels sollen die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten beleuchtet werden: Die H-GmbH betreibt ein Hotel in Berlin und wird von Steuerberater S beraten. Die Geschäfte laufen gut, sodass die H-GmbH im Jahr 2018 ein Darlehen bei der B-Bank aufnimmt, um damit ein weiteres Hotel in Köln zu erwerben. Um im Jahr 2020 die pandemiebedingten Umsatzeinbrüche kompensieren zu können, nimmt die H-GmbH weitere (KfW-)Darlehen auf. Doch auch im Frühjahr 2021 erholt sich die Umsatzsituation nicht, sodass Anpassungen der Arbeitnehmerstruktur sowie Nachverhandlungen eines langfristigen und unvorteilhaften Bierlieferungsvertrags erforderlich werden könnten. Ausweislich der Liquiditätsplanung kann die H-GmbH aufgrund von 100-prozentiger Kurzarbeit sowie dank der Überbrückungshilfen I-III die gegenwärtigen sowie die innerhalb eines Prognosezeitraums von nunmehr 24 Monaten – statt der vor dem 1. Januar 2021 für eine drohende Zahlungsunfähigkeit definierten 12 Monate – fällig werdenden Verbindlichkeiten fristgemäß erfüllen.

Sorge um die Ertragskraft

Auch wenn die Planungen der H-GmbH zunächst ergeben haben, dass gegenwärtig weder Zahlungsunfähigkeit noch Überschuldung vorliegt und somit eine Insolvenz vorerst abgewendet ist, macht S sich Sorgen um die langfristige Ertragskraft seiner Mandantin: Wie soll die H-GmbH in den kommenden Jahren den Kapitaldienst stemmen, der durch die Aufblähung der Schuldenlast im Rahmen der staatlichen Hilfskredite zu erbringen sein wird? Die H-GmbH müsste für die Bewältigung der erhöhten Fremdkapitalkosten ihr Ergebnis vor Zinsen und Steuern im Vergleich zum Vorkrisenniveau erheblich steigern, was selbst bei einer vollständigen Wiederherstellung der Geschäftstätigkeit schwierig werden dürfte – und erst recht bei möglichen weiteren Einschränkungen in der Reisebranche aufgrund neuer Corona-Mutationen. Aus Gesprächen mit dem Geschäftsführer weiß S, dass den beteiligten Finanzierungspartnern die Situation bekannt ist und dass einige von ihnen geneigt wären, der H-GmbH im Notfall weitere Hilfestellungen anzubieten, weil sie von deren Geschäftsmodell und dem Führungspersonal überzeugt sind. Sie machen jedoch ihren Sanierungsbeitrag davon abhängig, dass sich auch alle übrigen Finanzierungspartner an einer Sanierungslösung beteiligen. Die B-Bank hat jedoch signalisiert, der H-GmbH bei einer Verschärfung der Situation ihre Unterstützung zu entziehen. S hat eine Idee, die er mit seiner Mandantin bespricht: Die H-GmbH könnte von den Maßnahmen des StaRUG profitieren. Es sieht mit der Sanierungsmoderation und dem Restrukturierungsrahmen zwei Möglichkeiten für eine außergerichtliche Sanierung vor.

Die Sanierungsmoderation

Die Sanierungsmoderation eignet sich für Unternehmen, bei denen voraussichtlich mit allen Gläubigern eine Einigung erzielt werden kann. Der Sanierungsmoderator wird auf Antrag vom Gericht bestellt. Er hat zwischen der H-GmbH und den vom Unternehmen ausgewählten Gläubigern zu vermitteln und auf einen Vergleich hinzuwirken. Er muss dem Gericht regelmäßig Bericht erstatten und sich abschließend zur Plausibilität des gefundenen Sanierungsverglei-ches äußern. Hierbei kann S, der die Zahlen seiner Mandantin am besten kennt, wertvolle Hilfe leisten. Der entscheidende Vorteil eines so gefundenen Sanierungsvergleichs gegenüber einer außergerichtlichen Einigung besteht darin, dass erlangte wirtschaftliche Vorteile unter bestimmten Voraussetzungen in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren über das Vermögen der H-GmbH nicht angefochten werden können und gewährte Vorteile nicht als Beitrag zur sittenwidrigen Insolvenzverschleppung gelten. So sind beispielsweise weitere Sanierungskredite unter erleichterten Bedingungen möglich.

Der Restrukturierungsrahmen

Wenn aufgrund der Planungen absehbar ist, dass innerhalb der kommenden 24 Monate eine Finanzierungslücke auftreten könnte, liegt drohende Zahlungsunfähigkeit vor. Die H-GmbH kann ihre Verbindlichkeiten durch ein Restrukturierungsverfahren auch gegen den Willen einzelner Gläubiger auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Typischerweise machen Gläubiger einen Forderungsverzicht davon abhängig, dass andere Gläubiger ebenfalls einen gleichartigen Beitrag leisten. Im Fallbeispiel erwarten die beteiligten Gläubiger auch von der B-Bank einen Beitrag. Diese lehnt das jedoch ab und gefährdet damit die Sanierung der H-GmbH als Ganzes. Bislang führte in einer solchen Situation kein Weg am Insolvenzverfahren vorbei. Durch die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG können nun bei überwiegender Einigkeit eines Großteils der Gläubiger auch ohne Insolvenzverfahren ein sogenannter Restrukturierungsplan beschlossen und die Minderheit der unnachgiebigen Gläubiger überstimmt werden.

Steuerberater als wichtige Stütze

Der Restrukturierungsrahmen wird weitgehend vom Unternehmen selbst gestaltet. Es erarbeitet mithilfe von S und seiner spezialisierten Berater eigenständig ein Restrukturierungskonzept und entscheidet selbst, welche verfahrensrechtlichen Methoden zur Anwendung kommen. Auch eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre für den Zeitraum des Restrukturierungsverfahrens kann beantragt werden. S wird als betriebswirtschaftlicher Experte und Kenner seiner Mandantin eine wichtige Rolle spielen. Von Vorteil ist, dass die H-GmbH nicht alle ihre Gläubiger in den Restrukturierungsplan einbeziehen muss, sondern sowohl die Auswahl der Gläubiger als auch die Höhe der abverlangten Beiträge bestimmen kann. Diese Auswahl muss jedoch sachgerecht und angemessen sein. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ausschließlich Finanzverbindlichkeiten betroffen sind oder alle Gläubiger mit Ausnahme von kleinen und mittleren Unternehmen beziehungsweise Privatpersonen einbezogen werden.

Bedeutsam für Restrukturierung der Schulden

Nach förmlicher Einleitung der Restrukturierungssache stimmen die einbezogenen Gläubiger über den Restrukturierungsplan ab. Eine Überstimmung einzelner Gläubiger ist denkbar, wenn innerhalb einer Abstimmungsgruppe mehr als 75 Prozent der Gläubiger – bemessen nach der Forderungshöhe – dem Plan zustimmen. Zeitlich ist der Restrukturierungsrahmen auf maximal 12 Monate beschränkt. Innerhalb dieses überschaubaren Zeitraums erlangt die H-GmbH Klarheit darüber, ob ihre Sanierung außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens gelingt. Das Verfahren ist nicht öffentlich, nicht einbezogene Gläubigergruppen erlangen also hiervon keine Kenntnis. Ungeeignet für einen Restrukturierungsrahmen sind Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen und zukünftige Mietverbindlichkeiten. Durch die Herausnahme dieser beiden praktisch wichtigen Fallgruppen eignet sich der Restrukturierungsrahmen voraussichtlich vor allem für die Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten.

Fazit

Durch das Mitwirken an einer Sanierungsmoderation oder einem Restrukturierungsrahmen können Steuerberater einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Beseitigung von angespannten Situationen bei in Schieflage geratenen Unternehmen leisten und diesen auch zukünftig in wirtschaftlich besseren Zeiten weiterhin zur Seite stehen.

Zu den Autoren

SS
Stephan Strumpf

Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei FINKENHOF Rechtsanwälte in Frankfurt am Main.

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MD
Michael Dorst

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Kanzlei FINKENHOF Rechtsanwälte in Frankfurt/M.

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