Steuerstraftat des Erben - 29. April 2021

Mit langer Wirkung

Um eine unerwartete Steuerhinterziehung bei der Erbschaftsteuer zu vermeiden, sollte man als Gesamtrechtsnachfolger auch berücksichtigen, dass die gegenüber dem Erblasser in Gang gesetzten Verjährungsfristen nicht mit dessen Tod enden.

Selbstanzeigen in Erbschaftsfällen können höchst komplex sein. Zum einen liegt dies daran, dass im Regelfall eine Veranlagung nicht automatisch durchgeführt wird, sondern erst dann, wenn die zuständige Erbschaftsteuerstelle am Finanzamt Kenntnis von einem möglichen Steuerfall erlangt. Es handelt sich damit um ein zweigestuftes Besteuerungsverfahren aus einer Anzeige gemäß § 30 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) und einer Erbschaftsteuererklärung gemäß § 31 ErbStG. Eine strafbare Steuerhinterziehung kann auf beiden Stufen, Anzeige und Erklärung, verwirklicht werden, einmal

  • durch Unterlassen einer Anzeige oder
  • durch Abgabe einer unrichtigen Anzeige sowie
  • durch Unterlassen der Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung und
  • auch durch Abgabe einer unrichtigen Erbschaftsteuererklärung.

Steuerhinterziehung des Erblassers

Zudem gibt es auch immer noch Erben, die nach dem Tod des Erblassers entdecken, dass dieser gewisse Einnahmen nicht versteuert hat, beispielsweise aus ausländischen Kapitaleinkünften in Ländern, die jetzt erst am automatischen Informationsaustausch teilnehmen. Wenn die Erben diese Geldanlagen übernehmen, deren Existenz dem Finanzamt ja nicht bekannt ist, führen sie die Hinterziehung des Erblassers als eigene Steuerstraftat fort. Für steuerliche Beraterinnen und Berater, die im Nachgang einer Selbstanzeige beauftragt werden, gilt es, wichtige Punkte zu beachten. Dies verdeutlicht sehr anschaulich ein Gerichtsbescheid des Finanzgerichts München (FG München, vom 26.07.2019, 6 K 3189/17), der nachfolgend in den wesentlichen Punkten erläutert wird.

Selbstanzeige durch den Erben

Der Steuerpflichtige hatte am 2. Juni 2007 die Gesamtrechtsnachfolge nach seinem Vater angetreten. Der Vater hatte seine Einkommensteuererklärung für 1995 sowie die Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1996 bezogen am 10. März 1997 beim zuständigen Finanzamt eingereicht. Auch die folgenden Einkommensteuererklärungen wurden fristgerecht eingereicht, zuletzt die Einkommensteuererklärung 2001 am 23. Dezember 2002. In den Jahren 2002 bis 2004 gab der Erblasser keine Steuererklärung mehr ab. Im Jahr 2006 gab der in 2007 verstorbene Vater nochmals eine Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum (VZ) 2005 ab. Die seit Jahrzehnten erzielten Kapitalerträge im Ausland sowie das dort angelegte Vermögen wurden zu keinem Zeitpunkt in den Steuererklärungen des Vaters angegeben. Nach Eintritt des Erbfalls standen die ausländischen Kapitalerträge dem Sohn als Erben zu. Nach dem Tod des Vaters gab der Sohn als Gesamtrechtsnachfolger die Einkommensteuererklärungen für 2006 und das Sterbejahr 2007 ab, jedoch weiterhin ohne die Erträge im Ausland. Ende 2014 wurde dann eine steuerstrafrechtliche Selbstanzeige für den Erblasser und seinen Gesamtrechtsnachfolger eingereicht. Für den verstorbenen Vater wurden die Einkünfte aus den ausländischen Kapitalanlagen für die Jahre 2002 bis 2012 nacherklärt.

Strafverfahren

Aufgrund der Selbstanzeige wurde schließlich Anfang 2015 ein Strafverfahren gegen den Erben eingeleitet. Die Einleitung des Strafverfahrens wegen des Verdachts auf Hinterziehung von Einkommensteuer und teilweise auch Vermögensteuer ging zurück bis zum VZ 1995 und erstreckte sich bis in das Veranlagungsjahr 2005. Der Tatvorwurf lautete auf die Nichtabgabe von Berichtigungen nach § 153 Abgabenordnung (AO). Es ergingen auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheide ab dem VZ 1995.

Die vergessene Norm

Das Veranlagungsfinanzamt berief sich bei der geänderten Steuerfestsetzung auf die Vorschrift des § 171 Abs. 7 AO. Diese Norm war in Fällen, in denen geerbtes Vermögen und die damit erzielten Erträge erst einige Zeit nach dem Erbfall nacherklärt wurden, lange Zeit seitens der Berater und der Veranlagungsstellen nicht beachtet worden. Das lag vielleicht auch an dem teilweise hohen Aufkommen an Selbstanzeigen zu Zeiten, als vor allem die Schweiz und Österreich die Kunden dazu gezwungen haben. Das FG München und mittlerweile auch das FG Hamburg (Urteil vom 26.02.2020, 5 K 95/17) haben diese Vorgehensweise nun bestätigt und diese Norm – sozusagen aus dem Dornröschenschlaf – erweckt. Die Revision wurde zugelassen (VIII R 26/19). Jedoch ist aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift aus unserer Sicht nicht zu erwarten, dass der Bundesfinanzhof (BFH) hier anders entscheiden wird.

Auswirkung der Gesamtrechtsnachfolge

Denn ein Gesamtrechtsnachfolger tritt auch in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein (§ 45 Abs. 1 S. 1 AO). Die gegenüber dem Erblasser in Gang gesetzten Verjährungsfristen enden nicht mit dessen Tod, sondern laufen auch gegen die Erben weiter. Das gilt auch für die verlängerte Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung (FG Hamburg, Urteil vom 26.02.2020, 5 K 95/17, Rn. 50). Die Frist für den VZ 1995 begann im hier skizzierten Fall mit Ablauf des Jahres 1997, als der Vater die Erklärung eingereicht hatte. Die zehnjährige Festsetzungsfrist der Steuerhinterziehung des Vaters endete nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des Jahres 2007.

Berichtigungspflicht des Erben

Der Erblasser verstarb jedoch bereits Mitte 2007, bevor die verlängerte Festsetzungsfrist abgelaufen war, die den VZ 1995 betraf. Der Erbe ist hier in die gegen den Erblasser noch laufende zehnjährige Festsetzungsfrist eingetreten. § 169 Abs. 2 S. 2 AO und § 171 Abs. 7 AO wären betreffend den Erblasser und seine Ersttat, zumindest bei einer einfachen Steuerhinterziehung mit fünfjähriger Strafverfolgungsverjährung, nicht anwendbar gewesen. Mit dem Tod des Vaters traf den Erben somit eine Berichtigungspflicht gemäß § 153 AO, da er als Gesamtrechtsnachfolger vor Ablauf der Festsetzungsfrist zum 31. Dezember 2007 erkannt hatte, dass einer der Fälle des § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO verwirklicht ist. Dies lag daran, dass der Erbe in 2007 bereits Erträge aus dem Auslandsvermögen des Erblassers erhalten und somit von diesem Vermögen Kenntnis hatte. Durch Nichtberichtigung aller im Zeitpunkt des Todes noch nicht festsetzungsverjährten Steuerstraftaten des Erblassers gemäß § 153 AO hat der Erbe selbst eine eigenständige Steuerhinterziehung begangen – durch Unterlassen betreffend die Veranlagungszeiträume ab 1995. Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich, aber vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass die von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist und es hierdurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so hat er dies gemäß § 153 Abs. 1 AO unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. Maßgeblich ist die positive Kenntnis. Die Anzeige einer Unrichtigkeit hat unverzüglich, allgemein innerhalb von 14 Tagen, zu erfolgen. Die Aufbereitung aller notwendigen Unterlagen kann zeitlich nachfolgen. Diese Berichtigungspflicht trifft gemäß § 153 Abs. 1 S. 2 AO explizit auch Gesamtrechtsnachfolger.

Steuererhebung für mehr als zehn Jahre möglich

Und hier kommt die etwas in Vergessenheit geratene Vorschrift des § 171 Abs. 7 AO ins Spiel. Folge dieser eigenen Straftat des Erben in Form des Unterlassens einer Berichtigung nach § 153 AO ist, dass die Festsetzungsfrist auch für die Einkommensteuer 1995 ff. nach § 171 Abs. 7 AO so lange gehemmt ist, wie die (neue) Steuerstraftat des Erben nicht verjährt ist. Dies ergibt sich aus kürzlich ergangenen Entscheidungen (so auch FG Hamburg, Urteil vom 26.02.2020, 5 K 95/17, vor allem ab Rz. 81 ff.). § 171 Abs. 7 AO bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Norm auf die Erststraftat zu beschränken wäre (FG Hamburg, a. a. O., Rz. 85 a. E.). Damit wird verhindert, dass der Steuerhinterzieher zwar strafrechtlich belangt werden kann, die Steuern für die Altjahre aber nicht nachgefordert werden können. Diese Vorgehensweise entspricht auch dem Ziel des Gesetzgebers. Dem Fiskus würde anderenfalls ein hoher Steuer- und Zinsschaden entstehen. § 171 Abs. 7 AO ermöglicht es, die Steuerfestsetzung so lange vorzunehmen, wie eine Strafverfolgung für eine hinterzogene Steuer möglich ist. Auf diese Weise konnte im skizzierten Fall nach 20 Jahren noch die Einkommensteuerveranlagung für 1995 geändert werden. In Fällen, in denen Erben eine Berichtigung für Steuerstraftaten des Erblassers vornehmen, ist daher neben der Beachtung des zweistufigen Verfahrens nach §§ 30, 31 ErbStG auch zu prüfen, welche Veranlagungszeiträume aus Steuererklärungen des Erblassers im Todeszeitpunkt noch nicht festsetzungsverjährt waren. Der Wortlaut des § 171 Abs. 7 AO ist hier eindeutig und stützt die Vorgehensweise des FG München sowie des FG Hamburg.

Erbe ist Mittäter

Anders wäre der Fall jedoch zu beurteilen, wenn der Erbe bereits Mittäter oder auch Teilnehmer der Steuerhinterziehung des Erblassers war. Denn in diesen Fällen besteht keine Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Hier bestünde nur die Möglichkeit einer Selbstanzeige, um eine Strafbefreiung mit Blick auf die eigene Tatbeteiligung zu erhalten. Wäre der Erblasser im voranstehend skizzierten Fall von einer zusammenveranlagten Ehefrau beerbt worden und wäre diese ebenfalls wirtschaftliche Berechtigte des ausländischen Vermögens gewesen, hätte keine Berichtigungspflicht nach § 153 AO für die Ehefrau bestanden. Eine Selbstanzeige für die Straftaten der letzten zehn Kalenderjahre und eine damit einhergehende nachträgliche Steuerfestsetzung nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO wäre möglich gewesen. Eine Steueränderung für 1995 wäre in dieser Konstellation allerdings nicht mehr möglich gewesen. In Fällen der Gesamtrechtsnachfolge hingegen ist die Berichtigungspflicht nicht ausgeschlossen, wenn der Erbe bereits vor dem Tod des Erblassers Kenntnis von dessen Steuerstraftat hat. Hier ist für die nachträgliche Kenntnis auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen (BFH, Urteil vom 29.08.2017, VIII R 32/15); erst zu diesem Zeitpunkt werden die steuerlichen Pflichten vererbt.

Mehr dazu

Kompaktwissen für Berater: „Die strafbefreiende Selbstanzeige“, 2. Auflage,
Mandanten-Info-Broschüre: „Die strafbefreiende Selbstanzeige

Zu den Autoren

JS
Dr. Janika Sievert, LL. M. Eur.

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht sowie Fachanwältin für Steuerrecht. Sie ist Partnerin bei Ecovis in Landshut.

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AL
Alexander Littich

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht bei Ecovis in Landshut

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