Studierende begeistern - 27. März 2020

Leidenschaft für Steuern wecken

Wie sieht zukünftig die Personalsituation aus? Gibt es noch genug Nachwuchs, und wie könnte er gewonnen werden? Man muss auf jeden Fall Leidenschaft mitbringen, meint Dr. Weronika Cichorek, Professorin im Bereich Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung an der FH Münster.

DATEV magazin: Welche Schwerpunkte setzt Ihr Studiengang?

PROF. DR. WERONIKA CICHOREK: In unserem Studiengang Betriebswirtschaft an der FH Münster können die Bachelorstudierenden zwischen zahlreichen Modulen wählen. Dabei bieten wir zwei steuerliche Erweiterungsmodule und ein Erweiterungsmodul aus der Wirtschaftsprüfung an. In höheren Semestern ihres Studiums können interessierte Studierende somit mehr als zehn vertiefende Veranstaltungen mit einschlägiger fachlicher Ausrichtung besuchen und sich dadurch bereits in ihrem Bachelorstudium konsequent auf Steuern und Wirtschaftsprüfung spezialisieren. Das hebt uns von betriebswirtschaftlichen Bachelorstudiengängen an vielen anderen Hochschulen deutlich ab.

Sie wollen nicht nur solides Wissen vermitteln, sondern bei den Studierenden auch die Leidenschaft für Steuern wecken. Wie machen Sie das?

Das ist tatsächlich nicht immer einfach und funktioniert natürlich nicht bei allen Studierenden. Wenn man aber selbst Leidenschaft für die Themen der Lehrveranstaltung mitbringt, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich diese auch auf den einen oder anderen Zuhörer überträgt. Zum Glück lassen sich stets aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung oder Gesetzgebung finden, die dafür prädestiniert sind, etwas Emotionen in die Vorlesung einzubringen. Nehmen wir etwa die Behandlung von Verlusten aus Darlehensforderungen im Bereich des ­§ 17 Einkommensteuergesetz (EStG) – das ist doch wie ein guter Krimi und kann auch so erzählt werden.

Ursprünglich wollten Sie Lehrerin werden. Wann kam der Dreh zur Steuer­lehre – und warum?

Das mag jetzt merkwürdig klingen, aber es war einfach Liebe auf den ersten Blick. Die steuerlichen Vorlesungen zu Beginn meines BWL-Studiums haben mir von allen Veranstaltungen am meisten gefallen, sodass ich im weiteren Studienverlauf entsprechende Schwerpunkte gewählt habe. Danach war ich mir sicher: Das ist es, was ich in meinem Berufsleben fachlich machen möchte. Meine Arbeit an der FH Münster ist die perfekte Verbindung aus dem Kindheitswunsch, Lehrerin zu werden, und meinem fachlichen Interesse.

Sie selbst kommen aus der Praxis einer Wirtschaftsprüfungs- beziehungsweise Steuerberatungsgesellschaft. Was ist Ihrer Ansicht nach wichtig für den Beruf?

Ohne eine Affinität zu Gesetzestexten und Zahlen geht es natürlich nicht. Denn sonst wird einem die Aneignung des nötigen Fachwissens schwerfallen, das ist ganz klar. Mindestens genauso wichtig sind aber aus meiner Sicht eine lösungsorientierte Herangehensweise und Freude an komplexen Sachverhalten. Denn die Mandanten suchen keinen Rat, wenn alles richtig läuft, sondern wenn sie selbst überfordert sind und Unterstützung brauchen. Als Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist man vor allem Problemlöser. Das macht den Beruf ja auch so interessant und abwechslungsreich. Man sollte sich aber dieser Anforderung im Vorfeld bewusst sein.

Ohne eine Affinität zu Gesetzestexten und Zahlen geht es nicht, sonst wird die Aneignung des ­nötigen Fachwissens schwerfallen.

Wo hakt es im Alltag, gerade mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit?

Angesichts der immer noch sehr guten Arbeitsmarktlage ist es schwierig, gute Mitarbeiter zu gewinnen und vor allem auch zu halten. Moderne Arbeitskonzepte, wie zum Beispiel Homeoffice können dabei helfen, werden aber in vielen Kanzleien noch nicht wirklich gelebt. Dabei erwarten viele Berufseinsteiger eine solche Flexibilität, die in anderen Branchen bereits üblich ist. Letztlich hängt die Zukunftsfähigkeit der Steuerberatung von ihrem Nachwuchs ab. Wir müssen die Guten ins Boot holen und dürfen sie nicht an andere Branchen verlieren.

Es tut sich gerade viel im Steuerberaterberuf, nicht nur mit Blick auf die Digitalisierung, sondern auch inhaltlich und auf europäischer beziehungsweise internationaler Ebene. Was kann schon in der Ausbildung getan werden, um den Überblick nicht zu verlieren – und die Begeisterung für den Beruf zu erhalten?

Zwei Dinge sind aus meiner Sicht entscheidend für eine gute steuerliche Ausbildung: Zum einen müssen die Grundlagen strukturiert beigebracht werden. Es kommt nicht so sehr auf die Feinheiten der einzelnen Regelungen an, denn mit diesen wird man sich später noch oft genug auseinandersetzen müssen. Aber die grundlegenden Prinzipien und Konzepte des Steuerrechts sollten beherrscht werden. Denn nur so kann das neue Wissen aus dem späteren Berufsalltag richtig eingeordnet und gewinnbringend eingesetzt werden.
Gleichzeitig sollten bereits Berufseinsteiger dazu in der Lage sein, auch bei unbekannten Problemen zumindest einen Lösungsansatz zu finden. Dazu ist ein sicherer Umgang mit den einschlägigen Rechtsquellen unentbehrlich. Die Studierenden sollten also bereits im Studium auch mal die Lösung für ein konkretes Problem in der einschlägigen Fachliteratur recherchieren oder sich mit der Argumentationsweise in BFH-Urteilen vertraut machen.
Mit einer Kombination aus fundiertem fachlichem Wissen sowie der Fähigkeit, sich eigenständig neues Wissen anzueignen, ist man als Absolvent meines Erachtens bestens dafür gewappnet, im späteren Berufsalltag den Überblick über das schnelllebige Steuerrecht nicht zu verlieren.

Angesichts der digitalen Möglichkeiten und dem potenziellen Einsatz von künstlicher Intelligenz: Werden Steuerberater in zehn Jahren überhaupt noch in dem Maße wie heute gefragt sein – oder laufen die heutigen Studierenden nicht in einen aussterbenden Beruf?

Ich bin davon absolut überzeugt, dass der Beruf des Steuerberaters nicht aussterben wird – sonst könnte ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, den Studierenden diesen Beruf zu empfehlen. Natürlich unterliegt auch die Steuerberatung einem digitalen Wandel – einfache Fälle werden heute schon weitestgehend automatisiert abgewickelt. Die Erstellung schwierigerer Steuererklärungen lässt sich aber aus meiner Sicht nicht automatisieren – und der Alltag der meisten Steuerberater wird genau von solchen Fällen bestimmt. Ganz zu schweigen von der umfassenden gutachterlichen Beurteilung komplexer Sachverhalte, die neben der Steuerdeklaration eine der wesentlichen Aufgaben eines Steuerberaters darstellt.

Umgekehrt lässt sich natürlich auch feststellen, dass in puncto Steuern die zunehmende Digitalisierung der Geschwindigkeitstreiber schlechthin ist. Gilt hier die Aussage für angehende Steuerberater, dass, wer nicht mitmacht, abgehängt wird?

Ich würde es nicht so negativ formulieren, aber es stimmt schon, dass man in der Kanzlei die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen sollte, weil man ansonsten Wettbewerbsnachteile erleidet. Das gilt heute aber für beinahe alle Berufsfelder.

Die Berufsbezeichnung lautet nicht von ungefähr Steuer-Berater. Das Fachliche kann man in einem Studiengang weitergeben, aber wie schaut es mit den beratenden Elementen aus?

Lehrende sollten den Studierenden auf jeden Fall bewusst machen, dass in dem Beruf neben dem fachlichen Wissen auch soziale Kompetenzen und vor allem eine lösungsorientierte Herangehensweise gefragt sind. Grundsätzlich kann man diese Fähigkeiten üben. Wer aber generell ungern mit Menschen in Kontakt tritt und sich mit unvorhergesehenen Situationen eher schwertut, sollte noch einmal darüber nachdenken, ob er in diesem Beruf wirklich glücklich werden kann.

Was sollte ein zukünftiger Student mitbringen, um erfolgreich einen Beruf als Steuerberater auszuüben?

Man sollte an den steuerlichen Themen wirklich interessiert sein. Denn sonst wird es einem wahrscheinlich schwerfallen, sich stets weiterzubilden und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Dies ist aber unerlässlich, wenn man ein guter Steuerberater sein will. Und auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Man sollte Lust auf Probleme der Mandanten mitbringen – denn Steuerberater sind schlicht und ergreifend Problemlöser. 

Mehr dazu

Dialogseminar online: Neuerungen in den DATEV-Steuerprogrammen für den VZ 2019, Art.-Nr. 73270

Zur Autorin

Constanze Elter

Steuerjournalistin, Redakteurin und Podcasterin bei DATEV.

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