Interprofessionelle Zusammenarbeit - 26. November 2020

Kooperation in einer Ausnahmesituation

Aufgrund der Corona-Pandemie besteht für nicht wenige Betriebe die Gefahr einer Firmeninsolvenz. Für den steuerlichen Berater des betroffenen Unternehmens stellt sich die Frage, in welchem Umfang er externe Hilfe eines fachkundigen Sanierungsexperten in Anspruch nehmen soll oder sogar muss.

Jeder Mensch hat spezielle Talente und Vorlieben. Das ist in der Branche der Steuerberater nicht anders als bei benachbarten Berufsgruppen. Die aktuellen Entwicklungen in diesem und vermutlich auch im kommenden Jahr erfordern von den steuerlichen Beratern jetzt aber die Fähigkeit, auch in Richtung Sanierung und Restrukturierung zu beraten. Doch nicht jeder Verantwortliche verfügt über einschlägige Erfahrungen auf diesem Spezialgebiet. Sind doch die Bandbreite des Beratungsansatzes, der rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Maßnahmen sowie der psychologische Ansatz, schmerzliche Wahrheiten und Erforderlichkeiten zu vermitteln, sehr komplex. Letzteres vor allem deshalb, weil der Mandant dazu neigen könnte, diese Maßnahmen quasi als Verrat an der eigenen Sache durch den Berater zu verstehen, der sein langjähriger steuerlicher Begleiter ist. Daher ist es verständlich, ab einem gewissen Grad der Dringlichkeit von einschneidenden Sanierungsmaßnahmen externe Mitstreiter ins Boot zu holen, zum einen aus Gründen der Glaubwürdigkeit, zum anderen, um einen breiten Konsens über die Einschätzung des weiteren Vorgehens zu erzielen. Doch wie kann das organisiert werden? Wer sind die richtigen externen Mitstreiter? Was kosten diese? Und wie ist der Ablauf?

Organisation

Zunächst einmal muss der Steuerberater erkennen, dass der Aufbau eines Netzwerks mit Restrukturierungsberatern absolut sinnvoll ist. Zweifelsfrei gehört es auch zur ganzheitlichen Beratung der Mandanten, die eigenen Fähigkeiten nicht zu überschätzen, wenn die Erfüllung einer Aufgabe die eigene Kompetenz überschreitet. Denn auf hinzuzuziehende externe Spezialisten zu verweisen, ist nur aufrichtig und fördert gleichzeitig das gegenseitige Vertrauen. Diese Einstellung ist eine Grundvoraussetzung für eine Teamlösung zugunsten des Mandats. Folglich ist es richtig, bereits bei den ersten Beratungsgesprächen, die sich auf die Behebung einer Unternehmenskrise – welchen Ursprungs auch immer – beziehen, gegenüber dem Mandanten darauf hinzuweisen, dass es ab einem bestimmten Grad der Gefährdung für das Unternehmen zwingend geboten ist, das Team der Berater zu erweitern. Diese Botschaft sollte der Mandant frühzeitig hören. In der Regel ist dann seine Bereitschaft, externe Berater tatsächlich auch zuzulassen, deutlich höher. Die Erkenntnis, mit den eigenen Mitteln die erforderliche Wende nicht mehr herbeiführen zu können, bedingt nämlich immer stärker wirkende Maßnahmen. Deshalb ist eine frühzeitige, emotionale Vorbereitung auf das, was kommen muss, unabdingbar, um im Sanierungsprozess einen Konsens sowie eine Basis für die dann einschneidenden Maßnahmen zu erzielen.

Auswahl der richtigen Mitstreiter

Die Auswahl ist vielfältig. Es besteht die Möglichkeit, sich durch einen auf Sanierungswesen spezialisierten Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer unterstützen zu lassen oder einen spezialisierten Experten vollständig hinzuzuziehen. In manchen Fällen kann auch eine sogenannte Sanierungsboutique die richtige Wahl sein. Und selbst der Insolvenzverwalter ist als Hilfeleistender anzusehen. Gerade er verfügt über außerordentlich weitreichende rechtliche Befugnisse, die eine Sanierung doch noch ermöglichen können. Diesen Umstand sollte man im Auge behalten und den Insolvenzantrag gedanklich gerade nicht mit dem Alles-ist-aus-Stigma versehen. Allen Externen kann man zugutehalten, dass sie über den Blick von außen verfügen und ebenso über die Fähigkeit, ähnlich gelagerte Fälle als Lösungsmuster anzubieten. Diese Kompetenz ist unabdingbar, um weitere Sanierungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, denn auch die Branche der Sanierungsberater ist permanenten Weiterentwicklungen ausgesetzt. Kurzum, es besteht unter Umständen bereits eine zielgerichtete Lösungsmöglichkeit für den Mandanten. Man muss nur davon erfahren haben und den Umsetzungsweg kennen.

Im Netzwerk agieren

Umso wichtiger ist es, vernetzt zu sein, da kein Mensch alles wissen beziehungsweise alles Neue erfahren kann. Folglich ist der Aufbau einer nachhaltigen Netzwerkstruktur mehr als geboten, damit der Steuerberater bei Bedarf auf verschiedene Vertreter der zuvor genannten Kategorien zurückgreifen kann. Ein solches Netzwerk aufzubauen, ist nicht schwer. Restrukturierungsberater sind offen für die Kontaktaufnahme durch steuerliche Berater. Denn sie sind diejenigen, die als erste Anlaufstelle von den Problemen im Unternehmen erfahren und über eine frühzeitige Einbindung bessere Möglichkeiten für eine Sanierung schaffen können. Das gilt auch mit Blick auf die Insolvenzverwalter. Konkret kann der steuerliche Berater über eine Internet- oder Empfehlungsrecherche diejenige Berufsträger in seiner Region, aber auch überregional auswählen, die er ansprechen möchte. Danach erfolgt die Kontaktaufnahme – telefonisch oder persönlich – mit dem Ziel, die Arbeitsweise in Problemlagen wechselseitig zu besprechen. Sofern die Chemie stimmt, kann beziehungsweise sollte der Kontakt intensiviert werden, um eine Vertrauensbasis zu dem externen Sanierungsberater aufzubauen. Nach zwei, drei gemeinsamen und erfolgreichen Fällen entsteht bereits eine gewiss vertraute Routine. Diese ist absolut wichtig für jeden Sanierungsauftrag, denn nur die Fähigkeit der Berater, bestmöglich zusammenzuarbeiten, wird zu einem erfolgreichen Ergebnis führen. Angesichts der Corona-Pandemie ist die voranstehend skizzierte Kontaktaufnahme aktuell mehr als geboten, nicht zuletzt auch mit Blick auf das eigene Haftungsrisiko aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2017, wonach der steuerliche Berater entsprechende Warn- und Hinweispflichten gegenüber seinem Mandanten hat.

Kosten

Die Kosten für die Hinzuziehung externer Sanierungsberater ist einzelfallbezogen zu verhandeln. Grundlage sind in der Regel Stundensatzvereinbarungen. Die Stundensätze variieren dabei zwischen 120 und 300 Euro. Pauschale Honorare sind Verhandlungssache. In der Regel aber erfolgt vorab eine Einschätzung der Ausgangssituation, die auf Stundenbasis abgerechnet wird. Zudem ist es branchenüblich, entweder Vorkasse zu vereinbaren oder mit sehr engen Zahlungszielen zu operieren (Stichwort: Bargeschäft). Offene Honorarrechnungen  beziehungsweise eine Kreditgewährung scheiden definitiv aus und sollten von Anfang an gar nicht in Erwägung gezogen werden. Daher müsse mehrere Voraussetzungen gegeben sein. Vorrangig gehört dazu der Aufbau einer gewissen Liquiditätsreserve. Denn ist man nicht fähig, die externe Beratung zeitnah zu honorieren, wird es aus verschiedenen Gründen eng. Ergo muss der Mandant die Notwendigkeit erkennen, eine solche Reserve aufzubauen, die von der Höhe her zwischen 20.000 und 150.000 Euro liegen sollte – je nachdem, wie umfangreich das Problem ist beziehungsweise wie intensiv die Einbindung des externen Beraters sein muss. Der Faktor Zeit und Geld spielt also eine gewichtige Rolle.

Notwendige Vorarbeiten

Aus diesem Grund sollte der Mandant zusammen mit seinem steuerlichen Berater frühzeitig beginnen, alle für die Einleitung eines Restrukturierungsprozesses erforderlichen Unterlagen und Auswertungen zusammenzustellen. Dies selbst zu tun, spart Zeit und Geld. Welche Unterlagen genau erforderlich sind, erfährt der Steuerberater durch die vorab geführten Kontaktgespräche. Damit lässt sich ein Arbeitstableau definieren, das vorbereitet ist, wenn es gebraucht wird, wie etwa:

  • alle klassische Formen betriebswirtschaftlicher Auswertungen und Planungsrechnungen auf Basis einer integrierten Erfolgs-, Ertrags- und Bilanzplanung für verschiedene Szenarien
  • die Kunden- und Lieferantenlisten mit differenzierten Angaben zu Wichtigkeit und Problemstellungen
  • Auswertungen zum Mitarbeiterbestand
  • Kalkulationen der einzelnen Produkte beziehungsweise Dienstleistungen
  • Liquiditätskennzahlen und Übersichten zu entbehrlichem Anlage-/Umlaufvermögen mit realistischen Markpreiseinschätzungen
  • Stärken- und Schwächenbeschreibungen sowie die Ausführung eigener Ideen zur Bewältigung der Krise (soweit noch vorhanden) und schließlich die Darlegung, welche Maßnahmen bis dato unternommen wurden und welche Resultate sich daraus ergeben haben.

Ablauf

Nachdem man sich der Krise bewusst ist, gibt der Sanierungsexperte aus dem Netzwerk idealerweise eine kurze Einschätzung zu den bis dahin vom steuerlichen Berater gewonnenen Erkenntnissen sowie den angestrebten Maßnahmen ab. Dabei geht es nicht um eine konkrete Einbindung des externen Beraters, sondern lediglich um eine kurze Einschätzung von außen. Stimmen die Annahmen zum Sanierungsvorhaben und wurde keine Lösungsvariante übersehen? Für diese Tätigkeit bleibt das Honorar auch überschaubar, da es sich nicht um eine Übertragung der Verantwortung handelt, sondern nur um eine flankierende Meinung. Als Nebeneffekt lernen sich Mandant und Sanierungsberater erstmals kennen, und es könnte sich schon ein Vertrauen aufbauen. Sollten jedoch die eigenen Maßnahmen zur Überwindung der Krise nicht ausreichen, muss die Einbindung des externen Beraters sukzessive erweitert werden: zunächst in der Funktion als Lotse, dann – falls erforderlich – mit dessen vollständiger Teamstruktur. Praktisch werden dann die noch zur Auswahl stehenden Sanierungsmaßnahmen geprüft und auf taugliche Umsetzung eingeschätzt, sei es

  • die außergerichtliche Sanierung mittels Durchführung einer operativen Restrukturierung (Schließung unrentabler Firmenteile)
  • eine Stärkung der Liquidität (Factoring, Sale-and-leaseback)
  • Verbindlichkeitenmanagement durch Forderungsverzichte wesentlicher Gläubiger
  • die Beteiligung von Gläubigern an der Firma
  • der Verkauf (an Externe oder als Management-buy-out) beziehungsweise
  • die Ausschöpfung der Möglichkeiten des Insolvenzrechts (Planverfahren und vieles mehr)

Der Auslotung dessen, was möglich und sinnvoll ist, folgt dann die konkrete Umsetzung. Der externe Sanierungsberater führt Gespräche unter anderem mit den Gläubigern, den Kunden und dem Betriebsrat. Die Ergebnisse daraus weisen den Weg. Es ist absolut sinnvoll, diese Gespräche nicht durch die Mandantschaft und/oder Steuerberater führen zu lassen, da regelmäßig viele Emotionen wechselseitig wirken. Externe neutrale Dienstleister sind hier oft die bessere Wahl, um vom Vergangenen abzusehen und eine Vision für die Zukunft zu schaffen.

Fazit und Appell

Die eigenen Grenzen zu erkennen, die wir alle zweifelsfrei haben, ist eine Grundvoraussetzung, um unsere Mandate bestmöglich zu bearbeiten. Ist man als Berater zu dieser Erkenntnis fähig, wird das helfen, ein effektives Netzwerk frühzeitig aufzubauen und es bei Bedarf auch nachhaltig zu nutzen. Auf diese Weise gelingt es dann im Krisenfall, externe Fachleute schnell und zielgerichtet einzubinden – im Sinne aller Beteiligten.

Mehr dazu

Fachseminar „Haftungsfalle Jahresabschluss – Die Zeichen erkennen: vorbeugen statt haften“, Art.-Nr. 78141

Zum Autor

Markus Wohlleber

Steuerberater, Dipl.-Betriebs­wirt (FH), Bank­kauf­mann, Fach­be­rater für San­ie­rung und In­sol­venz­ver­wal­tung (DStV) in der Steuer­be­ra­tungs­kanzlei Wohl­leber in Nürn­berg, Haß­furt und Frankfurt/M.

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