Begünstigtes Betriebsvermögen - 13. Februar 2018

Komplexe Materie

Maß­nahmen einer Um­struk­tu­rierung können zu un­be­ab­sichtigten Folgen im Rahmen der erb­schaft- und schen­kung­steuer­­recht­lichen Pri­vi­le­gie­rung führen.

Nicht erst seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. Dezember 2014 und der darauf folgenden Erbschaftsteuerreform 2016 erstreckt sich der Be­trach­tungs­zeitraum, innerhalb dessen bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden müssen, um Begünstigungen für unternehmerisches Vermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu erlangen, auf mehrere Jahre. Bekanntlich sind neben der Einhaltung des sogenannten Ver­wal­tungs­ver­mö­gens­tests am Stichtag auch die Einhaltung der Behaltensfrist sowie die sogenannte Lohn­sum­men­kon­trolle zu beachten. Die Dauer der Behaltensfrist beträgt abhängig von der Wahl der Ver­scho­nungs­form entweder fünf oder sieben Jahre, der Betrachtungszeitraum der Lohn­sum­men­kon­trolle erstreckt sich sogar von der Einbeziehung der Ausgangslohnsumme der letzten fünf abgelaufenen Wirtschaftsjahre vor dem Über­tra­gungs­stichtag bis längstens sieben Jahre nach dem Über­tra­gungs­stichtag, mithin also bis zu zwölf Jahre. Hierzu kommen nach dem neuen Erb­schaft­steuer­recht 2016 noch die zehnjährigen Vor- beziehungsweise Nachlauffristen, die für sogenannte Großerwerbe, also Erwerbe von begünstigtem Vermögen oberhalb von 26 Millionen Euro, gelten. Für den besonderen Fall, dass ein weiterer Steuerbefreiungsabschlag für qualifizierte Familien­unter­nehmen in Anspruch genommen werden soll, erstreckt sich der Beobachtungszeitraum sogar auf die zwei Jahre vor dem Über­tra­gungs­stichtag sowie 20 Jahre nach dem Über­tra­gungs­stichtag, insgesamt also auf 22 Jahre. Während dieser Zeit kann es zu Veränderungen der Struktur des übertragenen Unternehmens kommen. Insbesondere können Um­struk­tu­rie­rungs­maßnahmen bei der übertragenen Gesellschaft oder auf nachgeordneten Ebenen erforderlich werden. Das führt zu der Frage, wann solche Umstrukturierungsmaßnahmen Auswirkungen auf die erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung haben können.

Umstrukturierungen vor dem Übertragungsstichtag

Umstrukturierungsvorgänge vor dem Übertragungsstichtag können insbesondere Auswirkungen auf die Ermittlung der Ausgangslohnsumme im Sinne des § 13a Abs. 3 Satz 2 Erb­schaft­steuer­gesetz (ErbStG) haben. Grund dafür ist, dass nach dem Gesetz die Ausgangslohnsumme der übertragenen betrieblichen Einheit, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Beteiligungen, aus dem Durchschnitt der letzten fünf Wirtschafts­jahre ermittelt wird, die vor dem Über­tra­gungs­stich­tag abgelaufen sind. Bei Neugründungen ist nach Auffassung der Finanzverwaltung der ent­sprechend kürzere Zeitraum zugrunde zu legen. Insbesondere in Fällen, in denen die Um­struk­tu­rie­rungen die Schaffung einer neuen Holding-Ebene zum Ziel hat, kann es dazu kommen, dass die neue Holding-Gesellschaft noch keine fünf abgelaufenen Wirtschaftsjahre aufweist. Selbst wenn man dann den Durchschnitt der Lohnsumme der Holding-Gesellschaft aus dem entsprechend kürzeren Zeitraum berechnet, ist nach zutreffender Auffassung der Finanzverwaltung die Lohnsumme der Beteiligungen nur anteilig für die Dauer der Zugehörigkeit zur Holding-Gesellschaft einzubeziehen. Dadurch kann es bei Um­struk­tu­rie­rungen vor dem Stichtag dazu kommen, dass der Einbeziehungszeitraum entsprechend kurz ist, was zu einer unter Umständen deutlichen Verminderung der Ausgangslohnsumme führt.

Junges Verwaltungsvermögen

Eine andere Frage ist, ob durch Umstrukturierungsmaßnahmen junges Ver­wal­tungs­ver­mögen oder junge Finanzmittel entstehen können. Junges Verwaltungsvermögen ist Vermögen, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Steuerentstehung noch keine zwei Jahre zuzurechnen war (§ 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG). Wenn Gesellschaften zusammengelegt werden, etwa durch Verschmelzung oder Anwachsung, stellt sich also die Frage, ob die bisherigen alten Wirtschaftsgüter des Ver­wal­tungs­vermögens der verschmolzenen oder angewachsenen Gesellschaft bei der aufnehmenden Gesellschaft zu jungem Ver­wal­tungs­vermögen werden. Das dürfte eigentlich nicht der Fall sein, da es sich bei sachnaher Gesamt­be­trach­tung nach wie vor um dieselben, also alten Wirtschaftsgüter handelt. Fraglich ist allerdings, ob die Finanzverwaltung das genauso sieht. Ausweislich der Anwendungserlasse 2017 soll es nur darauf ankommen, ob ein Wirtschaftsgut dem Betrieb mehr oder weniger als zwei Jahre zugehört. Ob es vorher schon bei einem anderen Betrieb – auch derselben Unternehmensgruppe – war, soll (mit Ausnahme von Bayern, das insoweit eine andere Auffassung vertritt) unerheblich sein. Das würde bedeuten, dass durch das Verschieben von Wirtschaftsgütern des Ver­wal­tungs­vermögens – auch in der Form von Ver­schmel­zungen oder Anwachsungen und selbst innerhalb derselben Unternehmensgruppe – junges Ver­wal­tungs­vermögen entsteht. Mit dem neuen System der Verbundvermögensaufstellung nach § 13b Abs. 9 ErbStG lässt sich dies aber kaum vereinbaren. Ohnehin gilt bei Einbringungen in Personen- oder Kapitalgesellschaften sowie dem Anteilstausch etwas anderes. Hier besteht die übertragende Gesellschaft grundsätzlich fort, sodass deren Wirt­schafts­güter weiterhin dort zuzuordnen sind und damit nicht jung sind.

Umstrukturierung nach dem Übertragungsstichtag

Vorgänge nach dem Um­wand­lungs­steuer­gesetz (UmwStG) stellen keine Be­hal­tens­frist­verstöße im Sinne des § 13a Abs. 6 ErbStG dar. Obwohl sich der Wortlaut der sogenannten Ver­län­ge­rungs­tat­bestände des § 13a Abs. 6 Nr. 1 und Nr. 4 Satz 2 ErbStG nur auf Ein­brin­gungen nach §§ 20, 24 UmwStG erstreckt, wendet die Finanzverwaltung die Privilegierung auf sämtliche Vorgänge des UmwStG (Verschmelzung, Anwachsung, Abspaltung, Anteilstausch) an. Ebenfalls im Erlasswege privilegiert ist die Realteilung im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG), soweit dabei keine Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen der Realteiler gelangen. Unentgeltliche Vorgänge, wie zum Beispiel nach § 6 Abs. 5 EStG ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten, stellen schon mangels Ver­äuße­rungs­vorgang keine Behaltens­frist­ver­stöße dar. Die Verlängerungstatbestände führen dazu, dass sich die Behaltensfrist und Lohnsummenkontrolle an der auf­neh­menden Gesellschaft fortsetzen. Nach der gesetzlichen Intention bedeutet dies grundsätzlich, dass Umstrukturierungen nach dem Übertragungsstichtag auch für die Mindestlohnsumme unschädlich sein sollten, solange sich das Lohnniveau bezogen auf das übertragene Vermögen dadurch nicht verringert. Das sieht freilich die Finanzverwaltung in gleich­lau­ten­den Erlassen aus dem Jahre 2013 anders. Nach Auffassung der Finanzverwaltung führt die Einbringung der erworbenen betrieblichen Einheit in eine weitere Holding-Ebene dazu, dass zwar die Lohn­sum­men­er­mittlung auf die neue Holding-Ebene überspringt, dort jedoch nur anteilig, bezogen auf den Anteil des Erwerbers an der aufnehmenden Gesellschaft, diesem zugerechnet wird. Augenscheinlich bezweckt die Finanzverwaltung hier die Vermeidung von miss­brauchs­ver­dächtigen Fällen, in denen durch Hineinstrukturierung in eine größere Einheit Lohnsummenpotenzial dazugewonnen werden könnte. Abgesehen davon, dass dieses Verständnis jedoch im Gesetz keine Stütze findet, führt es ins­be­son­dere auch in Fällen, in denen nur eine Person oder dieselbe Personengruppe einbringt, zu absolut unbilligen Ergebnissen.

Wegfall des Wertabschlags

Nicht nachfolgeberechtigt sind damit insbesondere die praktisch bedeutsamen Familiengesellschaften.

Schließlich können Umstrukturierungen nach dem Übertragungsstichtag zum un­be­ab­sich­tig­ten Weg­fall des Wert­ab­schlags für Familienunternehmen gemäß § 13a Abs. 9 ErbStG führen. Die dort geregelten Voraussetzungen (Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkung) müssen für eine Dauer von 20 Jahren nach dem Übertragungsstichtag im Ge­sell­schafts­vertrag verankert bleiben und auch tatsächlich eingehalten werden. Verstöße dagegen führen zum vollständigen, nicht etwa nur zeitanteiligen Wegfall der Steuerbefreiung. Beispielsweise sind Nachfolgeberechtigte im Sinne des § 13a Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 ErbStG nur Mitgesellschafter, Angehörige im Sinne des § 15 Abgabenordnung (AO) und inländische Familienstiftungen. Nicht nachfolgeberechtigt sind damit insbesondere die praktisch be­deut­samen Familiengesellschaften, an denen wiederum nur nach­fol­ge­be­rechtigte Personen beteiligt sind. Das verhindert die Schaffung neuer Holding-Ebenen für eine Dauer von 20 Jahren nach einem Übertragungsfall. Des Weiteren stellen Spaltungs- und Realteilungsvorgänge der begünstigt erworbenen betrieb­lichen Einheit Verstöße gegen die Abfindungsbeschränkung des Gesellschaftsvertrags dar, da diese Vorgänge ungeachtet der ertrag­steuer­lichen Buch­wert­fort­führung wirtschaftlich stets zu Verkehrs­werten, mithin also ohne Abfindungsbeschränkung erfolgen.

Fazit

Umstrukturierungsvorgänge während des mehrjährigen Zeitraums um einen Erbfall oder eine Schenkung von begünstigtem Betriebsvermögen sind aus erbschaft- und schen­kung­steuerlicher Sicht sorgsam zu überwachen. Die Erbschaftsteuerreform hat hier nicht etwa für Erleichterung, sondern für mehr Komplexität gesorgt, indem weitere zu überwachende Fristen hinzugekommen sind. Die Finanzverwalt­ung hat zudem leider nicht immer mit Augenmaß agiert, und so finden sich in den Verlautbarungen der Finanzverwaltung zahlreiche Stolpersteine, die in solchen Fällen mit zu beachten sind.

Zum Autor

Dr. Jörg Stalleiken

Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner bei Flick Gocke Schaumburg Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater
Partnerschaft mbB in Bonn/Düsseldorf

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