Insolvenzen verhindern - 27. Mai 2021

Immer einen Schritt voraus sein

Spätestens mit dem neuen Gesetz zur Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen können nun auch steuerliche Beraterinnen und Berater ihre Mandantinnen und Mandanten in der Krise gestaltend begleiten.

Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) ist mit Wirkung seit Beginn des Jahres 2021 in Kraft getreten. Dadurch schafft der Gesetzgeber erstmals einen Rechtsrahmen für insolvenzabwendende Sanierungen. Die Neuregelungen sollen es Unternehmen ermöglichen, sich außerhalb des eigentlichen Insolvenzverfahrens durch einen von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplan zu sanieren. Bereits vor Inkrafttreten des StaRUG konnte der steuerliche Berater seine insolvenzgefährdeten Mandanten durch entsprechende Beratung bei insolvenzabwendenden Maßnahmen unterstützen. Nachfolgend soll daher ein Überblick gegeben werden, welche Aktivitäten der Steuerberater anregen kann, um zur Sanierung eines Unternehmens beizutragen. Ausgangspunkt für die nachfolgenden Überlegungen sind die Eröffnungsgründe für ein Insolvenzverfahren. Deren Eintritt soll vermieden werden. Bei diesen Eröffnungsgründen handelt es sich einerseits um die Überschuldung nach § 19 Insolvenzordnung (InsO) und andererseits um die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO. Dementsprechend soll nach Maßnahmen unterschieden werden, die darauf abzielen, eine Überschuldung zu vermeiden beziehungsweise zu beseitigen, und nach Maßnahmen, die vor allem dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entgegenwirken.

Vorliegen der Überschuldung

Eine Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO liegt vor, wenn das Vermögen einer Kapitalgesellschaft oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, also beispielsweise eine typische GmbH & Co. KG, die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Dabei sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder anderen nachrangigen Darlehen nicht zu den Verbindlichkeiten zu rechnen. Eine Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO aber nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, also eine sogenannte positive Fortführungsprognose erstellt werden kann.

Maßnahmen zur Beseitigung der Überschuldung

Zum einen kann der Steuerberater durch entsprechende betriebswirtschaftliche Beratung den Mandanten dabei unterstützen, eine positive Fortführungsprognose zu erstellen. Eine solche liegt dann vor, wenn das Unternehmen unter Zugrundelegung seiner Finanzplanung nachhaltig in der Lage sein wird, seine geschäftlichen Aktivitäten unter Einhaltung seiner Zahlungsverpflichtungen fortführen zu können. Die Prognose fällt dann positiv aus, wenn es überwiegend wahrscheinlich ist, dass das Unternehmen mittelfristig Einnahmeüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können, wobei eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent ausreichend ist. Abseits der materiell-rechtlichen Anforderungen an eine positive Fortführungsprognose ist dringend anzuraten, die Fortführungsprognose schriftlich zu dokumentieren, also eine Stellungnahme inklusive Zahlenwerk zu erstellen, die belegt, dass im Moment der Erstellung das Fortbestehen des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich war. Dementsprechend kann der Steuerberater seinen Mandanten nicht nur dabei unterstützen, seine Zahlungsströme im Rahmen detaillierter Finanzpläne zusammenzustellen und zu optimieren, sondern dies auch entsprechend zu dokumentieren.

Verbesserung des Überschuldungsstatus

Der Steuerberater kann – insbesondere, wenn die Fortführungsprognose negativ ausfällt – Maßnahmen ergreifen, um den Bestand der relevanten Verbindlichkeiten zu vermindern oder den Wert des Gesellschaftsvermögens zu erhöhen. Die Basis für die Beantwortung der Frage, ob das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten noch deckt oder nicht, ist der sogenannte Überschuldungsstatus. Dabei handelt es sich weder um eine Handels- noch eine Steuerbilanz. Der Überschuldungsstatus ist vielmehr eine Sonderbilanz, also keine Bilanz im technischen Sinne, sondern eine Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva, die auf der Aktivseite alle Vermögenswerte der Gesellschaft zeigt, die im Insolvenzfall zu den verwertbaren Teilen der Masse zählen würden. Auf der Passivseite kommen alle Verbindlichkeiten zum Ansatz, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber den Insolvenzgläubigern zu erfüllen sind. Zu beachten ist, dass in den Fällen, in denen die Fortführungsprognose negativ ist, im Überschuldungsstatus die Aktiva mit Zerschlagungs-, also Liquidationswerten anzusetzen sind. Als erste Maßnahmen, die ein Steuerberater anregen kann, um die Situation der Gesellschaft im Überschuldungsstatus zu verbessern, kommen auf der Aktivseite die Hebung stiller Reserven, etwa durch Veräußerung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen oder Sale-and-lease-back-Gestaltungen in Betracht. Womöglich können auch Steuerforderungen gegen das Finanzamt aktiviert werden, wenn die Gesellschaft entsprechende Rückzahlungsansprüche hat, weil in der Vergangenheit zum Beispiel wegen eines nun weitergehend möglichen Verlustrücktrags nach § 111 Einkommensteuergesetz (EStG) zu viele Steuern gezahlt wurden oder wenn beispielsweise wegen der geltenden Corona-Hilfsmaßnahmen die Möglichkeit besteht, geleistete Vorauszahlungen wieder zurückzufordern.

Forderungsverzicht

Die Situation einer potenziell überschuldeten Gesellschaft kann allerdings auch dadurch verbessert werden, dass sie von Verbindlichkeiten auf der Passivseite des Überschuldungsstatus entlastet wird. Insoweit sei nochmals erwähnt, dass Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter hier nach § 19 Abs. 2 S. 2 InsO nicht zu passivieren sind. Ein Verzicht durch den Gesellschafter wirkt sich also nicht positiv auf den Überschuldungsstatus aus. Aber auch wenn ein Drittgläubiger der Gesellschaft auf eine Forderung ganz oder zum Teil verzichtet, ist dies nicht gänzlich unproblematisch. Denn der Forderungsverzicht führt steuerlich zu einem Ertrag der Gesellschaft, der grundsätzlich voll steuerpflichtig ist. Hier können womöglich die § 3a EStG, § 7b Gewerbesteuergesetz (GewStG) Abhilfe schaffen, wenn und soweit ein steuerfreier Sanierungsgewinn vorliegt.

Vorliegen einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit

Der Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Ein Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann zudem nach § 18 Abs. 1 InsO schon ab dem Moment gestellt werden, ab dem der Schuldner droht, zahlungsunfähig zu werden. Dies ist gemäß § 18 Abs. 2 InsO der Fall, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen, wobei seit Inkrafttreten der Änderungen im Zuge des StaRUG klargestellt ist, dass ein Prognosezeitraum von 24 Monaten anzuwenden ist. Für die Feststellung einer Zahlungsunfähigkeit müssen also den fälligen Zahlungspflichten die vorhandenen Zahlungsmittel gegenübergestellt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach Ansicht des BGH noch nicht von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gesprochen werden kann, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als zehn Prozent seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als zehn Prozent erreichen wird. Dementsprechend kann der Steuerberater seinen Mandanten auch hier auf zwei Wegen unterstützen.

Zahlungspflichten vermindern

Er kann einerseits daran mitwirken, die fälligen Zahlungspflichten zu vermindern. Hier bieten sich zum Beispiel Stundungsvereinbarungen mit einigen oder allen Gläubigern an. Aktuell ist hier insbesondere auch an Anträge auf Stundung von Steuern zu denken, bei denen auf der Basis der Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 19. März 2020 und vom 18. März 2021 keine strengen Anforderungen an die Nachprüfung der Stundungsvoraussetzungen gestellt werden sollen. Des Weiteren ist auch an eine Herabsetzung von Steuervorauszahlungen zu denken, gegebenenfalls auf der Basis des oben genannten BMF-Schreibens. Auch diese vermindern die Zahlungsverpflichtungen des Mandanten.

Den Zahlungsmittelbestand erhöhen

Andererseits kann der Steuerberater aber seinen Mandanten auch dabei unterstützen, dessen Zahlungsmittelbestand zu erhöhen. Als Zahlungsmittel gelten in der Regel Bankguthaben, der Kassenbestand sowie eine offene Kreditlinie. Nicht einbezogen werden können in die Stichtagsbetrachtung die noch offenen Forderungen, da diese zum Zeitpunkt des Stichtags ja nicht zur Verfügung stehen. Diese können allerdings im Rahmen der Prognosebetrachtung in die Finanzplanung eingestellt werden. Dementsprechend kann der Steuerberater seinen Mandanten zum Beispiel dabei unterstützen, seine Forderungen zeitnah einzufordern, indem er gegebenenfalls die noch nicht eingegangenen Zahlungen überwacht, also zum Beispiel das OPOS-Management für den Mandanten übernimmt. In die gleiche Richtung wirken auch in die Zukunft verschobene Zahlungsmittelabflüsse, worauf – um hier nur ein paar Beispiele zu nennen – wieder die bereits oben angeführten Maßnahmen der Stundung von Zahlungen oder der Herabsetzung von Vorauszahlungen gelten können.

Fazit

Der Beitrag hat nur einige ausgewählte Maßnahmen gezeigt, mit denen der Steuerberater seinen Mandanten unterstützen kann, wenn es darum geht, das Eintreten eines Eröffnungsgrunds für ein Insolvenzverfahren zu vermeiden. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer Gestaltungsansätze, die im jeweiligen Einzelfall zur Sanierung des Mandanten beitragen können. Es ist davon auszugehen, dass derartige Beratungen unter Geltung des StaRUG, dass ja gerade eine Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens fördern will, in der Zukunft stärker Gegenstand der steuerlichen Beratung werden dürften. Der Steuerberater kann sich in einer solchen Situation (auch) als Krisenmanager positionieren und seinen Mandanten dadurch das Stigma der Insolvenz ersparen.

Zu den Autoren

KD
Dr. Klaus Dumser

Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner WTS Wirtschaftstreuhand Steuerberatungsgesellschaft mbH in Nürnberg

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DB
Daniel Blöchle

Steuerberater und Partner WTS Wirtschaftstreuhand Steuerberatungsgesellschaft mbH in Nürnberg

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