Familienstiftungen - 29. Juli 2021

Gut geschützt

Wie alles im Leben haben auch Stiftungen Vor- und Nachteile. Die Umsetzung der jeweiligen Zielvorstellung setzt die Kenntnis der wichtigsten Stiftungsformen voraus. Dabei fällt auf, dass die Absicherung der nachfolgenden Generation bei vielen Stiftern nicht die oberste Priorität genießt.

In Deutschland gibt es 23.340 gemeinnützige Stiftungen (allein 2019 waren es 576 Neugründungen) und 1.100 Familienstiftungen (27 Neugründungen im Jahr 2019). Von den vermögenderen vier Millionen Haushalten haben nur 0,58 Prozent eine gemeinnützige Stiftung und nur 0,075 Prozent eine Familienstiftung gegründet. Sind Stiftungen wirklich nur für Topvermögende interessant? Objektiv betrachtet ist das nicht nachzuvollziehen. Die bayerische Stiftungsaufsicht genehmigt diese bereits unter 100.000 Euro. Aufgrund der Kosten wird jedoch ein Mindestbetrag nicht unter 300.000 Euro empfehlenswert sein. Weitere Hürden sind abgebaut, beispielsweise durch Zulassung von Verbrauchsstiftungen, als Stiftungen für eine bestimmte Zeit. Dessen ungeachtet sind wir weit von einem Stiftungsboom entfernt. Bedeutet die Absicherung von Vermögen und Familie (Familienstiftung oder Unternehmensstiftung) oder das Wirken für die Allgemeinheit (gemeinnützige Stiftung) so wenig? Objektive Zahlen belegen etwas anderes: Gut die Hälfte aller Haushalte in Deutschland spendet regelmäßig und jeder dritte Haushalt stellt eine ehrenamtlich Tätige beziehungsweise einen ehrenamtlich Tätigen. Gemeinwohl und Gemeinnützigkeit sind also in der Gesellschaft fest verankert. Zusätzlich besitzen heute zehn Prozent der Haushalte, also circa vier Millionen Haushalte (Quelle: Deutsche Bundesbank 2020) etwa 56 Prozent des Gesamtvermögens. Eine hohe Zahl dieser Familien könnte daher mit einer geeigneten Stiftungsgründung ihre Vermögensstruktur sinnvoll erweitern.

Gemeinnützigkeit vorrangig

Stiftungen werden in praxi sehr undifferenziert beleuchtet. Im Fokus steht vorrangig die Gemeinnützigkeit. Meist scheint es bequemer zu sein, als großzügiger Spender zitiert zu werden, als eine Organisation zu gründen und damit eine zusätzliche Aufgabe zu übernehmen. Erst wenn zum Beispiel durch den Verkauf von Unternehmensanteilen oder beim Übergang von Familienvermögen auf die nächste Generation die Steuerlast erdrückend zu werden droht, gerät die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung in den Fokus der Überlegungen. Denn hierbei können neben weiteren dauerhaften Vorteilen, wie die Übernahme der Geschäftsführung, bis zu zwei Millionen Euro durch Einbringung in das Grundstockvermögen als zusätzliche Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden. Für viele Stifter ist zudem die Förderung des Gemeinwohls und des damit verbundenen Gefühls wesentlich, etwas Dauerhaftes und Gemeinnütziges zu tun. Als einfaches praktisches Beispiel sei bei einem kinderlosen Ehepaar die Schenkung der selbst genutzten Immobilie in eine gemeinnützige Stiftung (Zustiftung) unter Vorbehaltsnießbrauch erwähnt. Das Ehepaar erhält nach dem Motto: Besser leben im Rahmen der vorerwähnten Höchstgrenze Sonderausgabenabzug, ohne dass sich an deren Wohn- und Nutzungssituation etwas ändert.

Familienabsicherung nachrangig

Der Gedanke, durch Gründung einer Familienstiftung das bisher erworbene Vermögen und in der Folge die Familie abzusichern, scheint dagegen kaum eine Rolle zu spielen. „Doch wenn das eigene Vermögen und die Familie abgesichert sind, lässt sich leichteren Herzens nachhaltig Gutes tun. Sich entweder der Familie oder der Gemeinschaft verpflichtet zu fühlen, sind keine Gegensätze, sondern bedingen sich geradezu gegenseitig“, appellierte der ehemalige Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, kürzlich in einem Interview (firmenpresse, 20.04.2021). Nicht nur in Zeiten von Krisen und Niedrigzinsen seien nachhaltig wirtschaftlich stabile Stifter besonders wertvoll für die Gemeinschaft, so sein Credo. Die Stiftungsgründung rechnet sich unter anderem beim Fehlen eines geeigneten Nachfolgers beziehungsweise bei Kinderlosigkeit oder zur dauerhaften Sicherung von unternehmerischem und privatem Vermögen. Der langfristige Schutz privatnützigen Stiftungsvermögens auch für folgende Generationen ist ein Alleinstellungsmerkmal. Die Motivation, eine privatnützige Stiftung zu gründen, reicht vom fehlenden geeigneten Nachfolger für den Betrieb über die dauerhafte Sicherung des Unternehmens bis zum gesicherten Schutz des privaten Vermögens und der Familie. Im Regelfall sind Begünstigte (Destinatäre) einer Familienstiftung der Stifter sowie die Abkommen (Kinder und Kindeskinder). Der Übergang des Eigentums in die Stiftung gilt somit nicht für die Erträge, die weiterhin der Familie verbleiben. Durch den Eigentumsübergang gehört das Vermögen nur der Stiftung und kann somit von außen weder belastet, noch gepfändet werden (die sogenannte Firewall und dauerhafte Asset Protection). Solange sie nur ihr Vermögen verwaltet, unterliegt die nicht gewerbliche Familienstiftung lediglich der Körperschaftsteuer (ohne Gewerbesteuer). Im Hochsteuerland Deutschland beträgt die laufende Steuerbelastung für nicht gewerbliche Stiftungen lediglich 15,825 Prozent (15 Prozent Körperschaftsteuer plus Solidaritätszuschlag) nach Abzug eines jährlichen Freibetrags von 5.000 Euro. Beim Halten von Unternehmensanteilen kann das körperschaftsteuerliche Holding-Privileg zur Anwendung kommen.

Licht und Schatten

So unterliegt die Übertragung von Vermögen auf eine Familienstiftung der Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer. Sind die Begünstigten neben dem Stifter Kinder und Kindeskinder, so kommt pro Zehnjahreszeitraum nur der persönliche Freibetrag für Kindeskinder in Höhe von derzeit 100.000 Euro in Steuerklasse I zur Anwendung. Mehrere Stiftungsgründungen sind zulässig. Im Abstand von 30 Jahren fällt zudem Erbersatzsteuer als Generationensteuer an, ebenfalls mit Steuerklasse I, aber nun mit dem wesentlich höheren Freibetrag Eltern/Kinder für fiktiv zwei Kinder mit derzeit zweimal 400.000 Euro. Dem scheinbaren erbschaftsteuerlichen Nachteil stehen oftmals erhebliche erbschaftsteuerliche Vorteile gegenüber, da die übertragenen Vermögensteile nun nicht mehr der normalen Erbschaftsteuerbelastung unterliegen und somit faktisch weitere Freibeträge genutzt werden können. Wo Schatten ist, ist auch Licht.

Fallbeispiel

Der aktuelle Wert einer seit über zehn Jahren im Besitz beider Ehegatten befindlichen vermieteten Immobilie liegt bei 500.000 Euro. Diese Immobilie würde unter Beachtung der Schuldendienstfähigkeit zu 300.000 Euro an die Stiftung veräußert und im Übrigen geschenkt (gemischte Schenkung). Neben steuerlichen Vorteilen innerhalb der Stiftung wandeln die Stifter bisher steuerpflichtige Mieteinnahmen in laufende Darlehensrückzahlungen um oder erhalten sofort liquide Mittel als Einmalzahlung. Die Einmalzahlung kann unter anderem für die Altersversorgung verwendet werden oder als Eigenkapital zum Erwerb einer weiteren vermieteten Immobilie. Stifter und Stiftung haben nach Rückzahlung der Kredite mehr Vermögen und mehr Ertrag, was entsprechend auch für die Erben beziehungsweise Destinatäre gilt. Zu den positiv langfristigen einkommensteuerlichen Effekten kommen mögliche erbschaftsteuerliche Vorteile, da die Immobilie in der Stiftung nicht mehr zur Erbmasse der Stifter gehört.

Inhalte der Reform

Der Flickenteppich aus bundes- und landesgesetzlichen Regelungen, Gewohnheitsrecht und Rechtsprechung wird – so schon im Regierungsentwurf (RegE) zur Reform und Vereinheitlichung des Stiftungsrechts vom 4. Februar 2021 enthalten – vereinheitlicht. Zusätzlich sollen damit auch gesetzliche Regelungen gelockert werden, um Stiftern das Gründen und Managen von Stiftungen zeitgemäß zu ermöglichen. Ende Juni wurde das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts nun von Bundestag und Bundesrat bestätigt. Die Neuregelungen treten am 1. Juli 2023 in Kraft und werden auch für bestehende Stiftungen gelten. Die wichtigsten Neuerungen betreffen Stiftungsvermögen, Haftung, Satzungsänderung sowie Beendigung von Stiftungen. Des Weiteren soll ab dem 1. Januar 2026 ein öffentliches Stiftungsregister zur Erhöhung der Transparenz von Stiftungen geführt werden. Allerdings wird durch diese Reform auch die bisher bestehende Vertraulichkeit über Familienvermögen in Stiftungen aufgeweicht, warnt Rechtsanwalt Prof. Dr. Hartmut Kunstmann: „Umso wichtiger wird es damit bereits bei der Satzungsgestaltung, die Auswirkungen der Transparenzpflichten zu antizipieren.“ Der Erhalt des Grundstockvermögens zur nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks ist durch Ersatz gleichwertigen Vermögens zulässig, sofern dieses Vermögen nicht unmittelbar der Zweckerfüllung dient oder ein Veräußerungsverbot besteht. Haftung wurde im neuen Gesetz durch Einführung der Business Judgement Rule (BJR) verankert. Vor allem bezogen auf die Asset Allocation des Grundstockvermögens ergibt sich dadurch eine neue Beurteilung möglicher Pflichtverletzungen durch Stiftungsorgane. Eine Pflichtverletzung kommt danach nicht in Betracht, soweit die Handelnden auf Basis angemessener Informationsgrundlagen davon ausgehen durften, dass die getroffenen Entscheidungen dem Wohle der Stiftung dienten. Hierzu müssen die Entscheidungsgrundlagen sowie die vorgenommenen Abwägungen nachvollziehbar und dokumentiert sein. Auch Nichthandeln kann eine Pflichtverletzung sein. Unter Beachtung der BJR mit Haftungsfreistellung werden die Entscheidungsspielräume wie für eine renditeorientierte Asset Allocation des Grundstockvermögens zum Wohle der Stiftung erweitert. Des Weiteren werden Zweckbeziehungsweise Satzungsänderungen, welche die Identität von Stiftungen nicht verändern, unter gewissen Umständen zulässig sein. Auch sind die Bestimmungen zur Beendigung von Stiftungen bundeseinheitlich geregelt.

Informationsflut kontra Stiftungswille

Obwohl diese Vereinheitlichung und Klarstellung grundsätzlich zu begrüßen sind, besteht immer noch ein hohes Informationsdefizit zur Errichtung einer Stiftung und deren Nutzen. Ausreichende Informationsmöglichkeiten sind allerdings vorhanden. Allein bei Google tauchen unter dem Suchbegriff der Stiftungsgründung circa 15.000 Links auf. Stiftung gründen leicht gemacht – das drängt sich dem Informationssuchenden auf. Aber je größer die Informationsflut, desto mehr nimmt die Bereitschaft bei potenziellen Stiftungsgründern ab. Man könnte den Eindruck gewinnen, je mannigfaltiger die Information, desto stärker der Widerstand, sich dem Thema zu nähern. So hat sich ein unscharfes Bild rund um die Stiftung entwickelt, das Unsicherheit schürt und Vorbehalte nährt, wie zum Beispiel:

  • Ich gebe Teile meines Vermögens unwiederbringlich an die Stiftung ab.
  • Der angedachte Stiftungszweck lässt sich mit dem möglich einzubringenden Kapital in der schon lange anhaltenden Niedrigzinsphase schwer realisieren.
  • Nur die Superreichen profitieren.

Fachexpertise dringend geboten

Vorbehalt gebiert Vorwand. Aber wie das Wort bereits vermittelt, ist Vor-Wand nur eine Wand, vor der man steht und das unbekannte Terrain dahinter nicht sieht. Je tiefer man bohrt, desto mehr häufen sich die Zweifel: passt nicht für mich, zu unflexibel, zu kompliziert. Für die Vorbereitung der Entscheidung (in der Suchphase) kommt es aber zunächst nicht darauf an, wer bei der Umsetzung eines Projekts behilflich sein kann. Vielmehr werden bei komplexen Entscheidungen wie der Stiftungsgründung Berater auf Augenhöhe als Sparringspartner benötigt. Analyse und Strukturierung sind dazu vor allem gefragt. Allein die rechtliche und steuerliche Betrachtung reicht nicht zur Gründung. Diese ist eine Selbstverständlichkeit und eher einer exekutiven Kategorie zugehörig, ein Abarbeiten von Durchführungsmaßnahmen, vorgegeben insbesondere von rechtlichen Rahmenbedingungen, Stiftungsaufsicht und Steuerrecht. Ausschlaggebender Punkt ist es, die Stiftung strategisch und nutzenstiftend in die systemische Gesamtsituation jetzt und künftig einzufügen. Dazu ist eine erweiterte (interprofessionelle) Kompetenz der Berater (besser eines Beratungsteams) vonnöten, was man auch als Andersdenkment bezeichnen könnte. Eine gute Analyse sollte zur Entscheidungsreife führen und Folgendes beinhalten:

  • Adoption des Stiefkindes Stiftung? – Klarheit liefert die Beantwortung der Frage: Stiftung – ist das was für mich?
  • Stiftung als Bestandteil einer integrativen Vermögensstruktur
  • Stiftung, vor allem die Familienstiftung (auch Unternehmensstiftung), als Ergänzung des Vermögensmanagements betrachten, aufbauend auf einem steuerlich, rechtlich und ertragsoptimierten Gesamtplan, ausgerichtet auf den bestehenden Assets (beispielsweise Geld und Sachvermögen, Betriebsvermögen, Rechte, noch nicht übertragenes, zu erwartendes Familienvermögen) und an den konkreten Wünschen und Zielen des künftigen Stifters.
  • Soweit zutreffend Unternehmensbewertung und mittelfristige Nachfolge- und Abgabeplanung
  • Erstellung eines generationenübergreifenden Konzepts als Grundlage für eine (dauerhafte) Satzung
  • Stiftungsmanagement und Asset Allocation des Stiftungsvermögens bedürfen einer besonderen Analyse hinsichtlich Zins- und Krisenresilienz. Abgesehen von möglichen steuerlichen Vorteilen bei der Übertragung von Vermögensteilen stehen bei Familien- oder Unternehmensstiftungen nur die laufenden Erträge aus der Anlage des Stiftungskapitals den Destinatären zu (Ausnahme Verbrauchsstiftung). Hierbei sollte eine wissenschaftlich unterstützte Ertragsberechnung die Vorgabe für eine geeignete Anlagerichtlinie bilden. Diese Richtlinie sollte die Möglichkeit beinhalten, auf Marktveränderungen reagieren zu können
  • Gemeinsame Entscheidungsführung zur individuellen Entscheidungsfindung

Fazit

Im Vergleich zu ihren Möglichkeiten befassen sich viel zu wenig gut verdienende und vermögende Familien mit Stiftungen. Das mag einerseits an verbreiteten Vorurteilen liegen, oft liegt es jedoch aus unserer Erfahrung an fehlender Kenntnis über die vielfältige Gestaltungsfreiheit, die das Stiftungsrecht auch nach der Reform ermöglicht.

Zu den Autoren

MS
Manfred Speidel

Steuerberater in München; StiftungsMentor

Weitere Artikel des Autors
MS
Michael Schurr

Stiftungsbeauftragter und Pressesprecher bei StiftungsMentor

Weitere Artikel des Autors