Nießbrauch - 24. Oktober 2024

Genau analysieren

Ein wichtiger Bestandteil in der anwaltlichen und steuerrechtlichen Beratungspraxis sind Gestaltungen im Nießbrauchrecht. Daher lohnt sich ein Blick auf die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets.

Die Bewertung eines Nießbrauchrechts erfolgt gemäß § 12 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) nach den Vorschriften der §§ 13 bis 16 Bewertungsgesetz (BewG). Hieraus ergibt sich der sogenannte Kapitalwert, der nach den genannten Vorschriften von der Bemessungsgrundlage des Erwerbs abzuziehen ist und sich folglich mindernd auf den Erwerb auswirkt. Der Kapitalwert des Nießbrauchs ergibt sich aus dem Jahreswert des Nießbrauchs sowie der Laufzeit, meist dem Alter des Nießbrauchers. Beim Jahreswert gemäß § 15 Abs. 3 BewG handelt es sich um einen auf ein Jahr entfallenden Geldwert der zu bewertenden Leistung oder Nutzung, der sich aus dem Durchschnitt der in den zukünftigen Jahren erzielbaren Erträge ergibt. Dabei erfolgt die Zukunftsprognose für einen Zeitraum von drei Jahren. Durch § 16 BewG stellt sich eine Begrenzung des Jahreswerts ein. Bei einem lebenslänglichen Nießbrauch und einem frühzeitigen Versterben des Nießbrauchers ist § 14 BewG zu beachten.

Jahreswert bei Grundvermögen

Beim erzielbaren Ertrag handelt es sich um den vom Nießbraucher durch den Nießbrauchgegenstand erzielbaren Reinertrag (Nettoertrag). Vereinfacht ausgedrückt, ermittelt sich der Jahreswert bei Grundvermögen nach dem durchschnittlichen Überschuss aus Vermietung und Verpachtung zuzüglich der Abschreibung. Dabei spielen zwei besondere Aspekte eine Rolle, die im Rahmen der Bewertung des Grundvermögens zu berücksichtigen sind.

Übernahme der Schuldzinsen durch den Nießbraucher

Die Frage nach der Übernahme von Darlehen durch den Beschenkten hat gegenläufige ertrags- und erbschaftsteuerliche Konsequenzen. Nach herrschender Meinung liegt bei der Übernahme von Darlehen ertragsteuerlich zumindest eine teilweise Veräußerung vor. Bei einer Veräußerung innerhalb von zehn Jahren würde somit § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) greifen. In der Erbschaftsteuer hingegen liegt der Vorteil in der Verringerung des schenkungsteuerlichen Werts durch das Darlehen. Eine besondere Komponente kommt durch den Nießbrauch hinzu. Wird das Darlehen als Gegenleistung eingeräumt, müsste der Eigentümer, obwohl er keine Einnahmen erzielt, die Zins- und Tilgungsleistungen übernehmen. Hinzu kommt, dass diese Zinsen mangels Einkünften ertragsteuerlich beim Eigentümer nicht abzugsfähig wären. Gleichzeitig würde der Jahreswert des Nießbrauchs jedoch steigen, da die Zinsen nicht vom Mietertrag, den der Nießbraucher erzielt, abgezogen werden. Als meist sinnvollere Lösung wird das Darlehen zurückbehalten. Hier ist aber der Jahreswert um die Darlehenszinsen zu verringern. Übernimmt der Eigentümer wiederum für die Zeit nach dem Vorbehaltsnießbrauch das Darlehen, wäre bei Eintritt der Bedingung eine Nachlassverbindlichkeit anzusetzen, die die Schenkungsteuer mindert. Gleiches gilt für die Veräußerung in Höhe der dann noch vorhandenen Darlehensverbindlichkeit.

Keine oder außergewöhnlich günstige Miete

Wird eine nicht vermietete Wohnung überlassen, dürfte klar sein, dass man die Miete hilfsweise ermitteln muss. Hierbei kann häufig auf die ortsübliche Miete zurückgegriffen werden. In der Regel wird diese durch einen Mietspiegel ermittelt, wobei die Miete in vielen Fällen in einer Spanne ausgewiesen wird. Auch wenn das Gesetz in § 15 Abs. 2 BewG vom Mittelpreis des Verbrauchsorts spricht, kann damit in solchen Fällen kein konkreter Wert gemeint sein. Bei Mietpreisspannen ergeben sich also gewisse Gestaltungsspielräume. Fraglich ist, ob bei einer tatsächlich vermieteten Immobilie mit moderater Miete, gegebenenfalls sogar außerhalb der Spanne, ebenfalls eine mögliche Anpassung denkbar wäre. Für die Beantwortung dieser Frage ist § 15 Abs. 3 BewG und nicht § 15 Abs. 2 BewG zu beachten. Nach § 15 Abs. 3 BewG wird, wie oben bereits erläutert, der Jahreswert zugrunde gelegt, der künftig im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Die herrschende Meinung sieht darin die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung der letzten drei Jahre. Die Literatur geht einvernehmlich davon aus, dass nach dem Stichtag eingetretene Umstände noch berücksichtigt werden können, aber in den seltensten Fällen hat der Schenker ein Interesse an größeren Mieterhöhungen.

Last des Beschenkten

Die voranstehenden Ausführungen treffen auf ein Zweifamilienhaus mit zwei identischen Wohnungen zu. Die eine Wohnung wird günstig vermietet, die andere Wohnung selbst genutzt. Das kann in der Praxis zu dem – für uns nicht richtigen – Ergebnis von zwei unterschiedlichen Jahreswerten führen. Daher sollte man daran denken, dass es um die Last des Beschenkten geht, der vorliegend damit belastet wird, die Immobilie nicht bestmöglich vermieten zu können.

Jahreswert von Anteilen und Aktien

Bei Gesellschaftsanteilen, wozu selbstverständlich auch die Aktie im Depot zählt, wird auch auf § 15 Abs. 3 BewG verwiesen. In erster Linie wird dabei auf die Ausschüttungen abgestellt. Gerade bei kleineren Unternehmen werden die Gewinne nicht regelmäßig oder wegen vieler Investitionen noch nicht ausgeschüttet. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem in den Vorjahren keine Gewinne ausgeschüttet wurden. Das Gericht entschied, dass die tatsächliche Verwendung des Betriebsergebnisses der Vorjahre nur ein erster Anhaltspunkt sein könne. Entscheidend sei daher eine mögliche Ausschüttung „bei einer ordnungsmäßigen Verwaltung“. In vielen Fällen kann sich daraus also auch eine relativ große Spanne ergeben. In solchen Fällen ist eine gute Argumentation entscheidend. Selbstverständlich spielt es auch eine Rolle, ob der Nießbraucher tatsächlichen Einfluss auf die Ausschüttung hat. Schwieriger wird es beim Privatanlegerdepot. Meist werden dort ausschließlich die vergangenen Ausschüttungen herangezogen. Bei Unternehmen ohne Dividende, aber auch thesaurierenden Fonds, beläuft sich der Jahreswert also auf null Euro.

Schenkung mit Vorbehaltsnießbrauch

Die Immobilienschenkung unter gleichzeitiger Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs kann durchaus als Klassiker unter den Übergaben bezeichnet werden, sodass sich hier nur ein Blick auf die Besonderheiten lohnt. Besteht ein lebenslänglich vereinbarter Vorbehaltsnießbrauch nicht während der gesamten Mindestlaufzeit, wird der Wert entsprechend § 14 Abs. 2 BewG korrigiert. Eine Gestaltungsidee ergibt sich durch Beauftragung eines Gutachtens, das die Anforderungen nach § 198 BewG erfüllt, denn das Gutachten berücksichtigt bereits den Nießbrauchswert im Grundstückswert. Verstirbt nun die nießbrauchsberechtigte Person zu früh, wird § 14 Abs. 2 BewG nicht angewandt. Im Regelfall wird beim Vorbehaltsnießbrauch geregelt, dass der Nießbraucher entgegen dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) auch außerordentliche Ausbesserungen zu tragen hat. Fraglich ist nun, ob es sich um eine Schenkung handelt, wenn durch außerordentliche Investitionen des Nießbrauchers der Wert der Immobilie steigt. Auch wenn das naheliegt, sieht der Bundesfinanzhof (BFH) das nicht in jedem Fall so (BFH-Urteil vom 26.09.1990, II R 50/88). Schließlich kann der Beschenkte aufgrund der Belastung durch das Nießbrauchrecht noch nicht vollumfänglich über den zugewendeten Gegenstand verfügen. Den Nutzen aus der Investition zieht zunächst weiterhin der Nießbraucher. Erst durch den Verzicht oder Wegfall des Nießbrauchs kann es zur Steuerentstehung kommen.

Weitere Gestaltungsideen

Eine Möglichkeit, ein Depot steueroptimiert zu erhalten, ist eine Schenkung unter Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs. Die Berücksichtigung des Kapitalwerts des Nießbrauchs am Depot reduziert die Steuerlast. Auch hier profitiert der jüngere Schenker mehr. Das Problem ist, dass in der Praxis viele Banken wenig Erfahrung mit dieser Gestaltung haben, sodass hier häufig Fehler in der Umsetzung eintreten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den Nießbrauch an Immobilien betrieblich zu erwerben. So könnte zum Beispiel eine neu gegründete GmbH & Co. KG von einer Schwesterpersonengesellschaft (SchwesterPersG) entgeltlich den Nießbrauch erwerben. Der Vorteil darin liegt in der Vermeidung von Verwaltungsvermögen, denn zum schädlichen Verwaltungsvermögen gemäß § 13b Abs. 4 ErbStG gehören nur Grundstücke, Grundstücksteile und grundstücksgleiche Rechte sowie Bauten, die Dritten zur Nutzung überlassen werden. Diese Regelung gilt nach herrschender Meinung nicht für ein Nießbrauchrecht am Betriebsvermögen, da das Nießbrauchrecht kein grundstücksgleiches Recht darstellt. Leider ist hierfür aber der Verwaltungsaufwand sehr hoch.

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Zu den Autoren

DH
Dominik Hertreiter

Steuerberater bei Ecovis in München und Hof

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MR
Maximiliane Rötzer

Steuerassistentin bei Ecovis in München

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