Sanierung in Eigenverwaltung - 29. September 2022

Für Groß und Klein

Die Möglichkeit, ein Unternehmen in Schieflage zu sanieren und seinen Bestand zu erhalten, scheint ein Privileg der großen Firmen zu sein. Dennoch lohnt es sich zu prüfen, ob das Verfahren auch für mittelständische oder kleine Betriebe infrage kommt.

Unternehmensinsolvenzen wurden dank staatlicher Hilfen während der Corona-Pandemie künstlich auf niedrigem Niveau gehalten. Gleichwohl fühlt sich jeder siebte Betrieb weiterhin in seiner Existenz bedroht. Laut einer Studie des Kreditversicherers Allianz Trade ist dies auf die neuen Probleme zurückzuführen, wie etwa den Krieg in der Ukraine, den Lockdown in China, unterbrochene Lieferketten oder gestiegene Kosten und Preise, insbesondere bei Energie und Rohstoffen. Der Studie zufolge sind zwar mehr Insolvenzen bei größeren Unternehmen zu erwarten, aber es wäre leichtfertig, wenn sich der Mittelstand und kleine Betriebe auf diese Tendenz verlassen würden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine Sanierung in Eigenverwaltung nur eine Option für große Betriebe sein kann.

Eigenverwaltung für kleine Unternehmen?

Tatsächlich lässt ein Blick in die Statistik den voranstehend skizzierten Eindruck bestätigen – je größer ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist eine Sanierung in Eigenverwaltung. Sanierung beschreibt den Erhalt des Betriebs durch Fortführung oder Veräußerung. Bei Unternehmen mit Forderungen von unter 50.000 Euro ist nur in 1,3 Prozent der Fälle eine Sanierung erfolgt. Die Sanierungsquote steigt bei offenen Forderungen von 50.000 bis 250.000 Euro auf 3,2 Prozent. Bestanden offene Forderungen von mindestens 500.000 Euro, erfolgte zu 35,5 Prozent der Fälle eine Sanierung. Warum also kommt eine Sanierung bei kleinen Unternehmen seltener vor?

Lebenssphäre des Betriebs

Die subjektive Entscheidung über die Fortführung eines Unternehmens hängt neben der wirtschaftlichen auch von der persönlichen Perspektive ab. Eine Kleinunternehmerin oder ein Kleinunternehmer wird kurz vor der Rente wahrscheinlich keine Insolvenz in Eigenverwaltung durchführen, um die angeschlagene Firma zu retten. Andere Gründe wie etwa Erkrankungen, auch in Form von Sucht, können den Willen bestärken, in ein geordnetes Arbeitnehmerverhältnis zurückzukehren. Bei größeren Unternehmen hingegen scheint die persönliche Sphäre des Unternehmers in den Hintergrund zu treten. Entweder haben mehrere Gesellschafter ein Mitspracherecht oder es arbeitet bei einem Familienunternehmen bereits die nächste Generation am Erfolg der Firma. Hier wird sich eher ein Gesellschafter oder Familienmitglied finden, der oder das ein Interesse an der Fortführung des Unternehmens hat.

Wirtschaftliche Zweckmäßigkeit

Sofern kleinere Betriebe schon nach der Gründung nicht wirklich rentabel laufen, ist die Motivation, dieses Unternehmen in Eigenverwaltung zu sanieren und weiterzuführen, gering. Bis auf Start-ups, die über Vorfinanzierungen versuchen, Marktanteile zu vereinnahmen, wächst ein klassischer Gewerbebetrieb nur, wenn er auch tatsächlich Gewinne erwirtschaftet. Damit werden unreife Geschäftsideen, die keine Zukunftsaussicht haben, schlichtweg aussortiert. Größere Unternehmen können eher darauf hoffen, an rentable Zeiten anzuknüpfen.

Selten Spielraum für einen Asset Deal

Ein potenzieller Erwerber stellt sich häufig die Frage, warum er einen insolventen Betrieb kaufen sollte. Typischerweise kann eine kleine Firma verhältnismäßig einfach nachgebildet werden. Kleine Unternehmen sind zudem häufig vom Firmengründer abhängig. Das kann Lieferanten, Arbeitnehmer oder die angebotene Dienstleistung betreffen. Auch ist das Einsparpotenzial gering. Ein Unternehmen mit 150 Mitarbeitern kann Kosten effektiv durch Kündigung des Personals einsparen. Dadurch kann der Betrieb attraktiver für den Erwerber werden. Bei einem Unternehmen mit 15 Mitarbeitern ist der Spielraum deutlich geringer. Daher ist hier ein Asset Deal selten eine Option, zumal er für den Erwerber mit vielen Ungewissheiten verknüpft ist sowie Kosten verursacht. Denkbar ist also lediglich das Veräußern an einen Nachfolger oder bekannten Konkurrenten. Für andere Erwerber ist der Kauf zu ungewiss.

Kosten und Ablauf des Verfahrens

Die geringe Ausprägung einer Sanierung in Eigenverwaltung bei kleinen Unternehmen liegt wohl auch an den Kosten des Verfahrens. Die betroffene Firma muss in der Lage sein, die Gerichts-, Sachwalter- und Beraterkosten zu tragen. Hinzu kommen Kosten für Gutachter und Abschlüsse durch den Steuerberater. Wie hoch die Kosten im Einzelfall sind, hängt von der Insolvenzmasse und Schwierigkeit des Falls ab. Nach Antragstellung auf eine Sanierung in Eigenverwaltung prüft der vorläufige Sachwalter in einem Gutachten, ob genügend Insolvenzmasse vorhanden ist. Von dieser müssen zumindest die Verfahrenskosten bezahlt werden können. Anderenfalls wird das Verfahren aufgrund Masseunzulänglichkeit nicht eröffnet. Zu beachten ist, dass die Insolvenzmasse aus Betriebsmitteln bestehen kann. Für die betroffene Firma gibt es daher keine Möglichkeit, offene Forderungen aus diesen Mitteln zu tilgen. Anderenfalls wäre der Betrieb nicht mehr in der Lage zu wirtschaften. Ziel ist daher, mit Abschluss des Verfahrens die Verfahrenskosten nicht aus der am Anfang berechneten Insolvenzmasse, sondern aus bestehendem Kontoguthaben zu begleichen. Nur so kann das Unternehmen zukunftsfähig bleiben. Um das Verfahren durch Insolvenzplan zum Abschluss zu bringen, muss den Gläubigern eine annehmbare Quote angeboten werden. Je höher diese Quote für die Insolvenzgläubiger ausfällt, desto eher wird letztendlich auch dem Insolvenzplan zugestimmt.

Finanzierung des Verfahrens

Um die Verfahrenskosten zu finanzieren, kann auch eine vorhandene Liquiditätsreserve im Unternehmen oder vom Firmeninhaber persönlich genutzt werden. Dies würde auch die voranstehend angesprochenen Betriebsmittel unangetastet lassen. Nach Eröffnung des Verfahrens mussten die Schuldner früher Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht begleichen, mit der Folge, dass diese Insolvenzforderungen wurden, die lediglich eine Quote bekamen. Dadurch wurde die Liquidität des kriselnden Unternehmens weiter gesteigert. Diese Rechtslage hat sich mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) zum 1. Januar 2021 geändert. Gemäß § 55 Abs. 4 der Insolvenzordnung (InsO) sind im vorläufigen Verfahren begründete Umsatzsteuerverbindlichkeiten nun Masseverbindlichkeiten. Die Umsatzsteuer muss damit während des Verfahrens vollständig entrichtet werden. Damit erhöht sich der finanzielle Druck. Sollten die Masseverbindlichkeiten nicht gezahlt werden, droht Masseunzulänglichkeit und damit das Scheitern des Verfahrens. Mit dem Insolvenzgeld können darüber hinaus die Arbeitnehmerlöhne für drei Monate eingespart werden. Das Insolvenzgeld wird durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) gezahlt. Die Ansprüche der BA gemäß § 169 Sozialgesetzbuch (SGB) III in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag sind in der Folge einfache Insolvenzforderungen. Dadurch kann die Liquidität am besten aufgebessert werden. Erfahrungsgemäß haben Betriebe mit Personalkosten von mindestens 30.000 Euro pro Monat genügend Potenzial, um die Kosten zu decken und in der Folge den Gläubigern im Insolvenzplan eine ordentliche Quote anbieten zu können. Hohe Personalkosten bilden also einen positiven Faktor für die Liquidität. Während des Verfahrens muss das schuldnerische Unternehmen keinen Schuldendienst leisten. Die Abzahlung von alten Krediten und Zinsen belastet die Liquidität teilweise stark. Kern der Sanierung ist schließlich das Unternehmen. Wenn es jeden Monat 10.000 Euro Gewinn oder mehr abwirft, kann die voranstehend genannte Liquiditätsreserve entsprechend kleiner sein. Sollte das Unternehmen den wirtschaftlichen Turnaround mit den Instrumenten des Insolvenzrechts schaffen, kann während des laufenden Verfahrens die entsprechende Liquiditätsreserve erreicht werden.

Fallbeispiel

Angenommen, Unternehmen A sei etwas größer. Die Insolvenzmasse (100.000 Euro) übertrifft die Verfahrenskosten (50.000 Euro), ergo wird das Verfahren eröffnet. Bei Verfahrensabschluss müssen einerseits die Verfahrenskosten bezahlt und andererseits den Gläubigern eine Quote geboten werden sowie eine Reserve für die Betriebsfortführung existieren. Angenommen, der Betrieb wirtschaftet bei Normalkosten mit 0 Euro Gewinn oder Verlust, wird allein durch die dreimonatige Zahlung von Insolvenzgeld bereits eine Liquidität von 90.000 Euro bereitgestellt. Der Betrieb muss nun also lediglich weitere 10.000 Euro durch Gewinne oder eine Einzahlung der Gesellschafter bereitstellen. Die Erfolgschancen des Unternehmens sind damit gut. Nach Eröffnung des Verfahrens beim Unternehmen B übersteigt die Insolvenzmasse (40.000 Euro) die Verfahrenskosten (35.000 Euro). Zum Ende des Verfahrens werden 55.000 Euro Liquidität benötigt. Hier können aufgrund des Insolvenzgelds lediglich 30.000 Euro Liquidität gezogen werden. Unternehmen B muss also – obwohl es kleiner ist – 25.000 Euro an Gewinnen erwirtschaften. Das ist bei einem ordentlichen Betrieb ohne Weiteres möglich. In unserem Beispiel wurden lediglich Gewinne von 10.000 Euro erwirtschaftet, das Verfahren wäre damit nicht erfolgreich abgeschlossen, denn es fehlen 15.000 Euro. Unternehmen A hingegen war in der Lage, mit geringem Gewinn in Höhe von 10.000 Euro während der gesamten Verfahrenslänge Schulden in Höhe von 140.000 Euro abzubauen. Ohne den Zwangsvollstreckungsschutz beim Insolvenzverfahren wären die Betriebsmittel des Unternehmens und eine wirtschaftliche Zukunft ausgeschlossen gewesen. Unternehmen B hat als kleineres Unternehmen zwar die gleichen Gewinne erzielt, aber das Verfahren ist dennoch erfolglos.

Fazit

Der geringe Prozentsatz an Sanierungen in Eigenverwaltung bei kleinen Unternehmen liegt nicht nur an der mangelnden Umsetzbarkeit. Häufig fehlt den Beteiligten die Motivation, es noch einmal zu versuchen. Die Kosten der Eigenverwaltung mögen zunächst abschreckend sein. Das Insolvenzgeld jedoch kann die Kosten bereits übertreffen. Für kleine Betriebe mit hohen Personalkosten ist das eine Chance zur Sanierung in Eigenverwaltung. Dadurch können Steuerberater ihre Mandanten auch behalten und gleichzeitig den Hinweis- und Warnpflichten bezüglich der Insolvenzreife gerecht werden, die spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Januar 2017 (BGHZ 213, 374) bestehen.

Mehr dazu

Rund sechs Prozent der Unternehmen sind in der Folge aktuell von einer Insolvenz bedroht, gaben Steuerberater in der von DATEV im Juni 2022 initiierten Befragung DATEV Seismograf an. Die Ergebnisse werden unter www.datev.de/seismograf regelmäßig veröffentlicht.

Präsenzseminar „Erprobte und bewährte Sanierungspraktiken zum Schutz Ihrer Mandantschaft“,

www.datev.de/shop/78296

Zum Autor

JF
Jörg Franzke

Rechtsanwalt und Partner bei Dols | Franzke Rechtsanwälte und

Notar in Berlin. Er berät Unternehmen bundesweit zu Restrukturierung und Sanierung.

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