Erbschaft- und Schenkungsteuer - 23. November 2022

Erhöhung durch die Hintertür

Ab dem 1. Januar 2023 soll die Bewertung von Immobilien an den realistischen Verkehrswert angepasst werden. So steht es im Jahressteuergesetz (JStG) 2022. Dadurch könnte die Erbschaft- und Schenkungsteuer für Immobilien steigen.

In der Vergangenheit hatten die Finanzämter noch beide Augen zugedrückt und die gestiegenen Immobilienpreise bei der Bemessungsgrundlage für eine Steuererhöhung nicht eingepreist. Zwar hatte man versprochen, in Zeiten einer galoppierenden Inflation keine Steuererhöhungen durchsetzen zu wollen. Tatsächlich aber kommt jetzt eine Steuerhöhung quasi durch die Hintertür. Aus Sicht des Finanzministeriums ist dies durchaus verständlich, spült eine höhere Immobilienbewertung doch zusätzliches Geld in die Staatskassen. Denn die auf den ersten Blick eher unscheinbaren Änderungen im Bewertungsgesetz (BewG), können in einzelnen Fällen zu erheblichen Erhöhungen bei der Erbschaftsteuer führen. Experten prognostizieren eine Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Immobilien von 20, 30 oder gar 50 Prozent. Begründet wurden die geplanten Änderungen damit, dass eine Anpassung an die Immobilienwertermittlungsverordnung geboten sei, die Mitte 2021 in Kraft getreten ist. Betroffen sind durch die Änderungen der §§ 177-198 BewG sowohl die erbschaft- als auch schenkungsteuerliche Bewertungen von Immobilien im Sachwert- beziehungsweise Ertragswertverfahren und in Sonderfällen. Infolge der Änderungen dürfte bei der Übertragung einer Immobilie nach dem 1. Januar 2023 die Belastung mit der Erbschaft- oder Schenkungsteuer deutlich höher ausfallen als bei Übertragungen, die noch im alten Jahr erfolgen. Wie sich die neue Bemessungsrundlage auswirken könnte, soll an einem kurzen Beispiel erläutert werden.

Fallbeispiel

Die elterliche Immobilie hat nach der alten Bemessungsgrundlage einen Wert von einer Million Euro, nach der neuen Berechnung möge sie 1,5 Millionen Euro betragen. Nach dem Tod der Eltern wird das Anwesen auf Basis eines Testaments an den einen Sohn Albert (A) vererbt. Der andere Sohn Bertram (B) geht leer aus. B kann aber von A seinen Pflichtteil einfordern. Bei der Steuerermittlung hätte A nach alter Bemessungsgrundlage einen Freibetrag von 400.000 Euro in Anspruch nehmen können. Für die Erbschaftsteuer wäre man dann von 600.000 Euro ausgegangen. Die Steuerquote liegt also nach der alten Berechnung bei 15 Prozent mit der Folge, dass A 90.000 Euro an Steuern zahlen müsste. Aufgrund des neuen Bewertungsgesetzes könnte sich der Wert der Immobilie ab dem 1. Januar 2023 aber um 50 Prozent erhöhen mit der Folge, dass auch der Steuersatz auf 19 Prozent steigt. Dann würde für den A Erbschaftsteuer in Höhe von 209.000 Euro anfallen.

Kreis der Betroffenen

Von der höheren Bewertung können alle Immobilienarten betroffen sein, also selbstgenutzte Wohnungen, vermietete Häuser, aber auch Betriebsgrundstücke. Hierzulande belegene Immobilien unterliegen als Inlandsvermögen grundsätzlich der Schenkung- und Erbschaftsteuerpflicht, und damit ab 2023 auch den höheren Bewertungen, unabhängig davon, ob Schenker und/oder Beschenkter beziehungsweise ein Erblasser und seine Erben im Inland ansässig sind.

Die Zeit drängt

Die höhere Bewertung kann auch zu einem höheren Vorerwerb bei künftigen Schenkungen innerhalb der nächsten zehn Jahre führen. Und auch bei der Grunderwerbsteuer können sich Nachteile ergeben, sofern die Ersatzbemessungsgrundlage zum Tragen kommt. Die Eigentümer einer Immobilie sollten daher prüfen lassen, ob noch vor dem Jahreswechsel eine Übertragung des Anwesens in Betracht kommt, um eine Erhöhung der Steuer infolge der neuen Bewertungsgrundsätze zu vermeiden. Infolge des mehr als knappen Zeitfensters bis zum Jahresende ist aber damit zu rechnen, dass es womöglich zu Engpässen bei den Notariaten kommen wird, um die notwendigen notariellen Beurkundungen durchführen zu lassen.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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